Orang-Utan Surya im Zoo Rostock | Foto: Joachim Kloock, Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE

700.000 Hektar Regenwald zerstört – für Biodkraftstoffe!

Exklusiv für zoos.media – 28.08.2019. Autor: Philipp J. Kroiß

Für den Bedarf der EU an Palmöl für Biokraftstoffe werden 700.000 Hektar Regenwald zerstört – eine unvorstellbar große Menge. Gibt es Auswege aus dieser Misere?

700.000 Hektar Regenwald zerstört – für Biokraftstoffe!

Der größte Anteil (fast die Hälfte) des in die EU importierten Palmöls wandert in Kraftstofftanks, die mit Biokraftstoffen betankt werden. 168 Wissenschaftler haben bereits Anfang Oktober 2011 in einem gemeinsamen Schreiben an die EU vor sogenanntem „Biosprit“ gewarnt. Der Kraftstoff ist nämlich keinesfalls so klimafreundlich wie immer behauptet wird. Auch die schon vor Jahren von der EU in Auftrag gegebenen Expertenstudien und die internen Analysen der EU-Kommission hatten ergeben, dass Agrardiesel alles andere als klimaneutral ist.

Um allein den Bedarf für die Biokraftstoffe zu decken, braucht es 700.000 Hektar Regenwald – das sind über 980.000 Fußballfelder. In 700.000 Hektar Regenwald würde fast drei Mal das Saarland passen und fast dreieinhalb Mal die Kanaren-Insel Teneriffa. Die Biokraftstoffe werden zudem derzeit allein in der EU mit 10 Milliarden Euro bezuschusst. Aktuell wird also sogar die Regenwaldzerstörung von der EU gefördert, um ihren Holzweg, auf dem sie sich befindet, zu finanzieren. Jährlich werden in der EU 14 Millionen Tonnen sogenannte Biokraftstoffe mit Benzin und Diesel gemischt. Die GLOBIOM-Studie brachte zu Tage, dass Biodiesel nicht nur generell schädlicher ist als normaler Diesel, sondern dass Biodiesel unter Zuhilfenahme von Palmöl dreimal so schädlich ist wie eben dieser klassische Diesel.

Wie Biodiesel Arten gefährdet

Ein klassisches Beispiel dafür ist das Sumatra-Nashorn:

Das letzte männliche Sumatra-Nashorn Malaysias ist tot

Viel bekannter ist aber sicher der Organ-Utan. Natürlich leben diese ikonischen Tiere nicht alleine in einem Ökosystem, sondern teilen ihre Habitate mit vielen anderen Lebenwesen. Wenn all diese Arten eine Zukunft haben wollen, muss der Verbrauch von Palmöl reduziert werden. Am sinnvollsten und einfachsten wäre das im Bereich der Biokraftstoffe zu bewerkstelligen, denn sie stellen den größten Anteil. Fast eine Millionen Fußballfelder Regenwald könnte man dadurch einsparen und renaturieren – Aufforstung ist ja bekanntlich der sinnvollste Beitrag zum Klimaschutz, den man überhaupt leisten kann. Wichtig wird sein, die Menschen, die aktuell von den Palmöl-Plantagen ihren Lebensunterhalt verdienen, also die Arbeiter, die meist ohnehin nicht gut bezahlt werden, in alternative Jobs etwa in den Naturschutz zu bringen, denn Naturschutz soll nicht zum Schaden der lokalen, ohnehin schon nicht reichen, Bevölkerung betrieben werden.

Palmöl als Lebensmittel

Rund ein Drittel des in die EU importierten Palmöls geht in die gesamte Lebensmittelindustrie. Hier ist der Rohstoff allerdings nicht überflüssig, wie beim Kraftstoff, denn Palmöl ist das effizienteste alle Pflanzenöle und die Alternativen sind noch viel umweltschädlicher. Um den Bedarf zu decken, könnte man aber das nachhaltige Palmöl nutzen, für das sich auch moderne Zoos und Aquarien stark machen.

WAZA bekennt sich zu RSPO-zertifiziertem, nachhaltigem Palmöl

Natürlich kann es auch Sinn machen, wenn es geht und tatsächlich umweltfreundlichere Alternativen möglich sind, auch auf Palmöl in der Ernährung mehr als aktuell zu verzichten, aber die Kampagnen diesbezüglich sind nicht wirklich erfolgreich, bieten aber eben auch lange nicht das größte Einsparpotential, was im Falle der Biokraftstoffe völlig anders ist. Wer auf der Ebene der Ernährung auf zertifiziertes Palmöl achtet, macht schon sehr viel richtig. Palmöl-Alternativen allerdings bringen hier nicht wirklich etwas.

Regenwald retten ohne Verzicht

Sumatra-Orang-Utan im Chester Zoo | Foto: Mike Peel (www.mikepeel.net), Lizenz: CC BY-SA 4.0

Auf Biodiesel zu verzichten tut keinem wirklich weh. Fürs Klima ist es sogar doppelt besser: einmal bezüglich des geringeren Ausstoßes beim Fahren, aber auch bezüglich der so renaturierbaren Fläche für den Regenwald. Sicherlich wird das für die großen Konzerne Verlust bedeuten, aber hierbei kann man auch auf die Selbstheilungskräfte des Marktes vertrauen. Natürlich muss man für die Arbeiter eine sozialverträgliche Lösung finden, denn es sollte nicht der Fall sein, dass Naturschutz denen etwas nimmt, die ohnehin schon arm sind. Es macht deshalb sicher Sinn, die 10 Milliarden Euro an Zuschuss, die man für die Förderung der Biokraftstoffe verschleudert, in Umschulungen und Arbeitsplätze für die durch die verminderte Nachfrage betroffenen Arbeiter zu investieren. Wahrscheinlich wird auf Dauer der Finanzbedarf aber nicht mehr so hoch sein wie bei der Förderung des Biodiesels.

Statt also Menschen reumütig am Morgen aufs die Nuss-Nougat-Creme starren zu lassen, macht es Sinn an der Zapfsäule anzusetzen, wo man viel eher und mehr sinnvoll einsparen kann. Leider geht die öffentliche Debatte genau daran vorbei. Die politischen Mühlen mahlen natürlich sehr langsam, was das anbetrifft, aber bis dahin kann man schon selbst viel tun. Moderne Zoos und Aquarien arbeiten schon seit Jahrzehnten mit Tieren aus dem Regenwald und kombinieren Schutz in situ und ex situ. Wer also dem Regenwald helfen will, kann diese Projekte unterstützen, die auch wirklich etwas erreichen, denn dank moderner zoologischer Einrichtungen konnten schon viele Arten gerettet werden.

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