Hausschweine (Sus scrofa domesticus) in Münster (Deutschland) | Foto: Guido Gerding, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Wie ein Eber die Tierrechtsindustrie vorführte

Exklusiv für zoos.media – 08.07.2018. Autor: Philipp J. Kroiß

Der Fall eines Ebers steht beispielhaft für das gefährliche Halbwissen, dass die Tierrechtsindustrie seit Jahren über verschiedene Tierhaltungen verbreitet.

Wie ein Eber die Tierrechtsindustrie vorführte

Nadine Henke hat ein sehr gutes Verhältnis zu einem Eber auf ihrem Hof. Sie nennt ihn ihren “Schatz” und mag es das zweijährige Schwein, dass rund 400kg zu verwöhnen, was diese auch sichtlich genießt. Ihre Tierliebe teilte sie auch auf Facebook:

Solche Videos stellen die Tierrechtsindustrie vor massive Probleme: Landwirte, die Schweine als Nutztiere halten, werden ja meist als Tierhasser gezeichnet und Aggressionen geschürt. Familie Henke agiert nun aber auf Blog und Social Media sehr transparent und zeigt ihren Hof, sodass jeder die Chance hat, sich ein Bild zu machen und dann selbstständig eine Entscheidung zu treffen.

Die Tierrechtsindustrie allerdings profitiert enorm von dem Topos der Nutztierhalter in der Landwirtschaft als Tierhasser und davon, dass es Medien gibt, die genau das aufgreifen. Jetzt zeigt so ein Video natürlich, dass dies so generell nicht stimmen kann. Die Reaktion, um dem Video doch noch etwas Negatives abzugewinnen, war das Streuen eines üblen Verdachts: das Tier habe einen Tumor.

Haben Sie es auch gesehen? Diese Ausbeulung im unteren Bauchraum? Haben Sie auch gleich eine Krankheit vermutet? Wenn ja, dann ist das für Laien völlig normal. Wer sich schon mal Eber genauer angeschaut hat, zum Beispiel im Zoo, wo ja auch Haustierrassen gezeigt werden, weiß, dass man das bei jedem männlichen Hauseber findet. Warum erklärt die Landwirtin im Video:

Gefährliches Halbwissen

Meerschweinchen | Foto: Sander van der Wel, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Die selbe Tierrechtsindustrie, die ein Präputium mit einem Tumor verwechselt, fühlt sich ermächtigt beziehungsweise ermächtigt sich auch selbst dazu, in Ställe einzubrechen und dann etwas durchzuführen, was sie euphemistisch als “unangekündigte Kontrollen” bezeichnen. Das ist kein Problem der Nutztierhaltung exklusiv, auch wenn es bei der Haltung der Brokser Sauen zu Tage trat, denn sowohl Stalleinbrüche und solche üblen Unterstellungen kennt man auch aus anderen Haltungen.

In Hannover wurden die Kameras, die das Bildmaterial für eine manipulierte und manipulierende Kampagne lieferten, ja auch nicht an die Wand gezaubert und falsche Verdächtigungen gibt es seitens der Tierrechtsindustrie ja auch gegenüber sämtlichen anderen Tierhaltungen laufend. Das ist gefährlich, weil dieser Populismus auf eine Öffentlichkeit trifft, die ihn meist nicht aufdecken kann, weil ihr das Wissen echter Experten fehlt. Das liegt allerdings auch daran, weil Medien diese zu wenig Fragen. Man erlebt seit Jahren die unseriöse journalistische Praxis, Pressemitteilungen von Tierrechtsorganisationen geringfügig abzuändern und ohne weitere Recherche dann abzudrucken oder online zu veröffentlichen.

Dieser aktuelle Fall um die Schweinehaltung der Familie Henke zeigt wie falsch es ist, dass der Tierrechtsindustrie Vertrauen oder gar Deutungshoheit zuzubilligen. Vielleicht erleben wir es bald, dass bei Edelpapageien moniert wird, dass ja das rote Gefieder mancher Tiere als Indikator für schlechte Haltung ausgemacht wird. Unter Umständen wird man es vielleicht auch noch erleben, dass das Verhalten von Autokoprophagen, wie etwa Meerschweinchen, noch zur Desinformation ausgenutzt wird.

Zahlreiche weitere Beispiele

Wildes Orca-Weibchen (Antarctic Type B) übersäht mit sog. Rake Marks | Foto: Robert Pitman (National Science Foundation Office of Polar Programs), Lizenz: public domain

Das so etwas passiert wie im Fall des Ebers erlebt man in der Tierhaltung häufig. Delfine zeigen in der Wildbahn und in Delfinarien so genannte rake marks, was völlig normal ist und wie es auch bei dem Orca auf den Bild gut zu sehen ist. Die Tierrechtsindustrie hatte diese rake marks recht schnell entdeckt und pflegte das Topos, dass das nur bei Delfinen in Menschenobhut aufgrund des Stresses untereinander entstehen würde. Das war schnell wiederlegt, sobald man den Leuten dann Bilder aus der Natur gezeigt hat. Inzwischen strebt man in der Wissenschaft auch eine Umbennung um und sie mit der treffenden Bezeichnung social marks zu versehen.

Ein weiteres beliebtes Topos ist die Verwechselung von anticipatory pleasure und Stereotypien. Angeblich leiden zum Beispiel ein Elefant im Los Angeles Zoo und ein Eisbär im Tiergarten Nürnberg unter Stereotypien, wenn man der Tierrechtsindustrie glauben darf. Nun, man darf ihr aber nicht glauben, denn es handelt sich in beiden Fällen um anticipatory pleasure – eine kapitale Fehldiagnose der Tierrechtler also.

Man merkt durch solche Vorfälle immer wie sehr Tierhalter heutzutage in einem Boot sitzen: Irgendwelche Laien kommen kann, behaupten irgendwas und verkaufen die Story dann für sich gewinnbringend und für die Tierhalter nachteilig der Öffentlichkeit. Das ist weder gemeinnützig, noch in irgendeiner Weise seriös. Es zeigt aber auch wie wichtig Edukation ist und dass sich die Tierhalter transparent und kompetent genau in der selben Öffentlichkeit zeigen.

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