Spitzmaulnashorn im Erlebnis-Zoo Hannover | Foto: zoos.media

Coronavirus: Zoos im Wartemodus

Erschienen auf ndr.de am 26.04.2020.

Aktuell befinden sich aufgrund der Pandemie-Maßnahmen zahlreiche Zoos in Deutschland im Wartemodus allerdings auch gleichzeitig ohne Planungssicherheit.

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Kommentar (Chefredaktion): Ungewisse Zukunft, ausbleibende Soforthilfe und ein epidemologisch unsinniger Flickenteppich. Das sind die drei zentralen Probleme der zoologischen Gemeinschaft aktuell in der Krise. Eine finanzielle Erholung ist absolut nicht in Sicht – weder die Bundesregierung, noch die Landesregierungen schaffen es bisher, trotz erster löblicher Versuche, eine nachhaltige Perspektive zu eröffnen. Die zaghaften Öffnung der Zoos und Aquarien lösen kein Problem – das Loch in den Finanzen bleibt ja vorhanden und wird sich im so genannten Lockdown noch weiter vergrößern.

Der Coronavirus (2019-nCoV, gelb) | Foto: NIAID, Lizenz: CC BY 2.0

Das Spannende ist dabei, dass dies in einer Zeit geschieht, in der international die Daten zeigen und sich auch in der wissenschaftlichen Gemeinschaft international die Erkenntnis durchsetzt, dass der Lockdown als Vorsichtsmaßnahme richtig war, um auf Nummer Sicher zu gehen, als man noch keine hinreichenden Daten hatte, dessen Fortführung nun aber diskutabel ist, da die nun verfügbaren Daten zeigen, dass er nun abgebaut werden kann und, aufgrund der durch den Lockdown ausgelösten Gefahren, es vielleicht sogar muss. Allerdings besteht auch noch eine verfassungsgemäße Notwendigkeit: nicht die Lockerungen sind legitimationsbedürftig, sondern die Einschränkungen. Vielmehr müssen letztere sogar aufgehoben werden, wenn man sie nicht mehr begründen kann. Das ist ein zentraler Mechanismus in demokratischen Konstitutionen.

Um die Schließung bestimmter Zoos konsistent zu begründen, hätte man Einzelfall-Entscheidungen treffen können anhand der Hygienemaßnahmen vor Ort. Dazu haben sich die Länder nicht entschieden, sondern für eine landesweit verordnete Öffnungsoption. Was ist der Unterschied zwischen den Zoos in NRW und denen in Mecklenburg-Vorpommern? In einer Einzelfall-Entscheidung hätte man das konsistent begründen können, in einer generellen landesweiten Entscheidung funktioniert das nicht. Jeder Zoo in jedem Bundesland ist dazu in der Lage, Hygienekonzepte umzusetzen – nicht jeder sofort, aber langfristig ist dem so. Daran hat man sich leider aber nie orientiert.

Kolorierte Aufnahme einer mit dem Coronavirus (rot) infizierten Zelle | Foto: NIAID, Lizenz: CC BY 2.0

Dadurch hat sich die Politik in eine schwierige Position gebracht, in der sie Zooschließungen nicht mehr wirklich konsistent begründen kann. Warum dürfen alle Zoos in einem Bundesland öffnen, aber keiner in einem anderen? Man kann es logisch nicht begründen und das ist auch kein Sonderfall im Lockerungsmanagement aktuell – auch in anderen Branchen. Gerade verlässt man sich auf die effektive Reproduktionszahl, die gestern von den drei führenden Instituten, die ihn berechnen (RKI, Helmholtz, TU Ilmenau), in einer Spanne von unter 0,2 bis rund 1,0 (später durch das RKI korrigiert auf 0,9) kalkuliert wurden, statt auf die Kapazitäten des Gesundheitssystems, das ja eigentlich durch den Lockdown in eine Situation versetzt werden sollte, nicht überfordert zu werden wie etwa das italienische System in diesem Jahr und auch bereits in nicht wenigen Jahren zuvor. Das ist erreicht und es gibt sogar noch ein gutes Polster.

Zoos und Aquarien sind aber auch gute Orte zur Stärkung des Immunsystem, das durch den Lockdown geschwächt wird, weil es nicht mehr so trainiert wird wie bei einem normalen Umgang mit der Umwelt. In zoologischen Einrichtungen ist man draußen, mit der Natur in Kontakt und genau das ist gut für das Immunsystem, das auch für die Bewältigung einer etwaigen Coronainfektion nicht nur im Zusammenhang mit COVID-19 wichtig ist, sondern auch im Zusammenhang mit anderen (Corona-)Viren schon immer war. Durch Hygienemaßnahmen sind sie zudem sichere Orte, damit das Immunsystem nicht überfordert wird, sich aber an die Normalität wieder gewöhnen kann.

Nashornbaby Ebun im Allwetterzoo Münster (2009) | Foto: Nils Dietrich

Die Nachteile eines Lockdowns sind bei Weitem nicht nur wirtschaftlich, obgleich die Wirtschaft natürlich eine riesige Rolle spielt, sondern auch gesundheitlich – etwa in Bezug auf das Immunsystem, aber auch in Bezug auch psychische Erkrankungen, häusliche Gewalt und ähnlichem. Dazu ist das Gesundheitssystem nicht aktuell getrennt von der Wirtschaft, noch wird man es von der Wirtschaft trennen können. Das System ist somit nicht nur Teil der Wirtschaft, sondern wird auch – aufgrund staatlicher, im Idealfall sinnvoller Umverteilung – durch die Wirtschaft finanziert. Das geht nicht auf Pump und schon gar nicht im Angesicht einer anrollenden Wirtschaftskrise, die nicht nur Deutschland, sondern auch die Europäische Union – besonders im Hinblick auf den Tourismus – und sicher ebenso die ganze Welt betreffen wird.

Nach der Krise braucht es Zoos und Aquarien sogar noch mehr als zuvor – einmal, um daran mitzuarbeiten so etwas in Zukunft zu verhindern, andererseits aber eben auch, um weiter wichtigen und unersetzbaren Natur- und Artenschutz zu betreiben, denn intakte Ökosysteme schützen auch den Menschen. Wenn diese aber weiter entgleisen, wird das massiv negative Folgen für Tiere, aber eben auch für den Menschen haben, denn man kann mit Ökosystemen nicht unendlich Jenga spielen und denken, der Turm fiele nicht irgendwann um. Wenn es Zoos also noch nicht geben würde, müsste man sie erfinden. Da es sie aber dankenswerter Weise schon gibt, gilt es nun, sie zu unterstützen, damit sie im Interesse des Natur- und Artenschutzes erhalten bleiben.

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