Beluga (Weißwal) in L'Oceanogràfic | Foto: Carquinyol, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Die Lüge vom Beluga-Refugium

Exklusiv für zoos.media – 20.10.2018. Autor: Philipp J. Kroiß

“Zurück nach Hause” sollen die Belugas kommen. Da wo sie hinkommen ist aber nicht das Zuhause von auch nur irgendeinem Beluga. Der Artikel berichtet über Hintergründe des fragwürdigen Projekts.

Die Lüge vom Beluga-Refugium

WDC schmiedet weiter an seiner Promotion und seinem Greenwashing eines Beluga-Refugiums von Merlin Entertainments. Mit dem Slogan “Zurück nach Hause” wird geworben, was eine massive Irreführung der Öffentlichkeit ist. Dort, wo diese Belugas hinkommen ist weder ihr Zuhause, noch das eines anderen Belugas. Island liegt nämlich nicht im natürlichen Verbreitungsgebiet von Belugas.

Verbreitungsgebiet der Belugas (blau) und Island (mit rotem Pfeil makiert) | Originalbild (ohne Markierung): made by Pcb21 after Vardion, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Warum Island?

Beluga (Weißwal) in L’Oceanogràfic | Foto: Carquinyol, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Dieses Refugium ist ungefähr so sinnvoll, als würde man Orang-Utans in den südamerikanischen Regenwald bringen und sagen, sie kämen “Zurück nach Hause”, weil es ja auch Regenwald ist. Zugespitzter wäre der Vergleich, wenn man sagen würde, dass eine Haltung von Amazonas-Flussdelfinen im Rhein “Zurück nach Hause” bedeute. Das große Problem ist, dass hier die Öffentlichkeit für sehr, sehr dumm verkauft wird und dass das nicht vorsätzlich geschieht, ist bei der Expertise, die das WDC immer vorgibt zu haben, sehr unwahrscheinlich. Jeder Experte weiß sehr, sehr genau, wo Belugas ihr natürliches Verbreitungsgebiet haben und wo eben nicht.

Der wahre Vorteil von Island ist ein unglaublich niedriger Walschutz. Hier schert sich niemand wirklich darum wie diese Tiere gehalten werden. Die Standards, die in EU-Ländern an solche Einrichtungen gestellt werden, gelten in Island nicht, denn Island ist nicht in der EU. Deshalb gilt zum Beispiel die EU-Zoorichtlinie nicht, mit der man Probleme bekommen hätte, weil man die Tiere in einen unnatürlichen, generellen Zuchtstopp zwingt.

Was man in Wirklichkeit tut ist, dass Merlin Entertainments eine schlechte Haltung verlegt und dafür fleißig Greenwashing vom Partner WDC abstaubt. Diese Tiere hätten die Unterbringung in einer seriös arbeitenden, zoologischen Einrichtung benötigt, die ihnen ein Leben bietet, das ihnen gerecht wird, denn auswilderungsfähig sind sie nicht.

Der WDC gibt an, dass die Tiere im Weißmeer von Russland gefangen worden wären – eine Entfernung von über 2.500 Kilometer Luftlinie zu dem Ort der zukünftigen Unterbringung. Man entflieht mit der Wahl dieser Stelle regelrecht der Gerichtsbarkeit von Ländern, die es mit dem Walschutz ernster meinen als Island, wo es nach wie vor noch Walfang gibt. Die aktive Vermeidung von akkreditierten Unterbringungen, die auch noch wesentlich näher lägen, ist augenfällig. In Nordamerika und Europa gibt es zertifizierte, akkreditierte, tiergerechte Haltungen für diese Tiere, aber daran würde Merlin Entertainments natürlich nicht wirklich etwas verdienen und auch kein Greenwashing bekommen.

Beluga-Haltung in guten Zoos und Aquarien sehr wichtig

Einmal sind Zoos und Aquarien an der Rettung einzelner Tiere beteiligt:

Shedd Aquarium hilft bei Beluga-Rettung

Aber das Shedd Aquarium, um dies als Beispiel zu nehmen, tut ja noch viel mehr. Tim Binder, dort Vice President of Collection Planning, arbeitet seit Jahren am Schutz dieser Tiere in der Natur wie im Aquarium selbst. Im weltberühmten Georgia Aquarium wird ebenfalls viel für den Schutz der Belugas getan. Das sind Zentren des Schutzes dieser Tiere, die entsprechend akkreditiert und zertifiziert sind, dass sie diesen Tiere eine gute Haltung bieten, die auch noch immer wieder kontrolliert wird.

Diese Haltungen haben durch jahrelange Erfahrung und Aktionen einen massiven Anteil daran, dass man Belugas heute besser halten, schützen und retten kann, wenn sie in Not sind. Der WDC aber verbreitet seit Jahren üblen Populismus gegen selbst nachweislich tiergerechte Haltungen von Walen auf der ganzen Welt. Dass sie nun eine nachweislich schlechtere Haltung offensichtlich präferieren zeigt das ganze Ausmaß dessen, wenn eine NGO nun anscheinend die eigene Ideologie über das Wohl von Tieren stellt.

Die Zukunft dieser Tiere

Diese Tiere fliegen nach Island, um zu sterben. Die ohnehin schon in bedenklichem Zustand befindlichen Tiere werden quasi einmal um die halbe Welt reisen – weit mehr als tausende von Kilometern lange Reise. Nach dieser Mammutaufgabe, sollten die Tiere sie überhaupt überleben, kommt bereits der nächste Stress auf die Tiere zu, denn dann kommt die Gewöhnung an Gewässer, die sie nicht kennen und die, anders als das Wasser in einem akkreditierten Zoo oder Aquarium, massiv verschmutzt sind. Sie werden auf gesundheitliche Gefahren treffen, die sie gar nicht kennen können und auf das ihr Immunsystem nicht vorbereitet werden kann. Wer Tieren so vielen Gefahren aussetzt, muss sich die Frage gefallen lassen, ob ein Überleben der Tiere überhaupt intendiert ist.

Das ganze Projekt ist ja anscheinend auf einen recht schnellen Tod der Tiere ausgelegt. Erstmal gibt erst massiven Stress, dann eine mehr als fragwürdige Unterbringung. Die muss ja trotzdem finanziert werden und wird sich zu seinem Verlustgeschäft entwickeln, wenn man diese Tiere nur halbwegs ordentlich halten will. Die Bucht, die man ausgewählt hat, ist dann aber das Gegenteil von gut, denn die tägliche Versorgung der Tiere ist gar nicht gesichert. Dort fand auch eine Phase des gescheiterten Keiko-Projektes statt und Mark Simmons beschrieb, dass man sich teils tagelang aufgrund der Wetterbedingungen nicht um Keiko kümmern konnte.

Also selbst nach den Reise- und Umstellungsstrapazen haben die Tiere keine rosige Zukunft vor sich. Man muss sich nur mal vorstellen, was es für solche Tiere bedeutet über Tage nicht versorgt zu werden – in einem modernen Zoo oder Aquarium wäre so etwas gar nicht denkbar. Für die Tiere heißt das, kein Futter, kein Enrichment, kein Kontakt.

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