Neuzugang - Spinnenschildkroeten-Jungtier im Erlebnis-Zoo Hannover | Foto: Erlebnis-Zoo Hannover

Erlebnis-Zoo Hannover: seltener Schildkröten-Nachwuchs

Exklusiv für zoos.media – 19.02.2020. Autor: Philipp J. Kroiß

Nachwuchs bei den Madagassischen Spinnenschildkröten: die seltene Art konnte man erfolgreich im Erlebnis-Zoo Hannover nachzüchten. Warum das so wichtig ist, wird im Folgenden erklärt.

Erlebnis-Zoo Hannover: seltener Schildkröten-Nachwuchs

Winzig – Das Madagassische Spinnenschildkröten-Jungtier im Erlebnis-Zoo | Foto: Erlebnis-Zoo Hannover

Klein, putzig und süß, aber auch unglaublich bedroht – das sind Spinnenschildkröten. Sie sind die kleinsten der vier einheimischen Landschildkrötenarten Madagaskars und man weiß sehr wenig über diese Art, außer, dass sie unmittelbar vom Aussterben bedroht ist. Umso erfreulicher ist die Nachricht aus dem Erlebnis-Zoo Hannover, das dort die Nachzucht geglückt ist. Auf dem Foto hier sieht man den Nachwuchs auf der Hand neben einem Gummibärchen, das natürlich keine Nahrung dieser Tiere ist, sondern nur dem Größenvergleich dient. Ausgewachsen wird die Schildkröte maximal 17 cm groß sein. Im Durchschnitt werden Weibchen 12 und Männchen 11 cm groß.

“Am 15. Februar schlüpfte ein winziges Jungtier nach etwa acht Monaten Brutzeit. Ein bedeutender Beitrag zum Arterhalt: Madagassische Spinnenschildkröten sind extrem selten und stehen als „vom Aussterben bedroht“ auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN!”, erklärt der Zoo Hannover in seiner Pressemitteilung zu dieser wundervollen Geburt. Noch nicht viele Menschen auf der Welt konnten so nah an der Geburt dieser besonderen Art sein wie die Experten des Erlebnis-Zoos der Landeshauptstadt Niedersachsen. Im deutschen Sprachraum kann man sie nämlich sonst nur in Berlin und Wien sehen. Auch international konnten noch nicht sehr viele Zoos Zuchterfolge feiern. Seit 2017 aber gelingt das regelmäßig in Hannover.

Angeblich sollen diese Schildkröten bis zu 70 Jahre alt werden können. Die kleine Schildkröte in Hannover hat also einiges an Zeit, sich an der Erhaltung ihrer Art aktiv zu beteiligen. Insgesamt sind drei Unterarten (P. a. oblonga, P. a. arachnoides und P. a. brygooi) bekannt. Die Nominatform ist die Unterart, die noch am meisten verbreitet ist, aber wirklich viele gibt es von allen drei Unterarten nicht mehr. Daher zählt jedes neugeschenkte Leben. Welches Geschlecht die kleine Schildkröte hat, erklärt der Erlebnis-Zoo Hannover, “lässt sich erst nach ungefähr fünf Jahren bestimmen: Bei männlichen Tieren bildet sich an der Panzerunterseite eine Mulde und der Schwanz ist deutlich länger als bei den Weibchen.” Bei der Geburt war die Schildkröte so groß wie das Gummibärchen, das nun dem Größenvergleich dient, neben ihr.

Die Zucht ist eine Herausforderung

Gar nicht so selten bei bedrohten Tieren ist auch eine schwierige Reproduktion. Viele Menschen haben Bilder vor Augen von Schildkröten, die massenhaft an Stränden schlüpfen und kommen dann schnell auf eine falsche Vorstellung wie sich Schildkröten generell vermehren. Tatsächlich kommt nämlich bei den Spinnenschildkröten auf ein Gelege auch nur ein Ei, das sie Mutter vergräbt. Solche Gelege sind leider auch zu allem übel nicht nur ertragsarm, sondern auch noch anfällig – klar: ein Schildkröte, die selbst nur wenige Zentimenter groß ist, kann nicht sonderlich tiefe Löcher ausheben. Im Zoo aber kann man dann eingreifen und bevor es seltenes Spiegelei gibt, die Eier vorsichtigst wieder ausgraben und dann unter perfekten Bedingungen ausbrüten lassen.

Solche Umstände machen natürlich die Nachzucht alles andere als einfach und es der Art auch besonders schwer in der Natur zu überleben. Daher liegt große Hoffnung auf der Zucht in Menschenobhut, um die gebeutelten Bestände aus der Natur unterstützen zu können. Dazu ist noch wenig über die Reproduktion an sich bekannt, weshalb auch jede Geburt den Experten mehr darüber sagen kann, wie sich diese Tiere fortpflanzen. Man weiß aktuell, dass sich durch Nässe in ihrem Habitat dazu motiviert werden, sich einen Partner zu suchen. In der Natur haben sie dafür aber immer weniger verfügbare Partner und immer weniger Lebensraum zur Verfügung. Durch die geringe Anzahl an Eiern pro Saison können sie sich auch nicht schnell erholen.

Das “Sorgenkind” Madagaskar

Die Spinnenschildkröte ist in Madagaskar endemisch – das heißt es gibt sie in der Natur nur da. Ihr Verbreitungsgebiet überlappt sich grob mit dem der Strahlenschildkröte. Auch diese Art ist massiv bedroht und ebenso auf moderne Zoos und Aquarien angewiesen, um zu überleben.

Aber nicht nur in den Schutz der Spinnenschildkröten bringt sich der Erlebnis-Zoo Hannover ein – auch weitere bedrohte Arten Madagaskars erhält der Zoo:


Lemuren gibt es auch nur auf Madagaskar. Diese beiden besonderen Arten hält der Zoo in Junggesellen-Gruppen, die für die Zuchtprojekte enorm wichtig sind. 80% aller Tiere, die auf Madagaskar leben gibt es nur dort und einige davon eben auch in Zoos, die um das Leben zahlreicher bedrohter Arten dieser faszinierenden Insel Tag für Tag kämpfen. Die Prognose, dass die Insel nahe Afrika in fünfzig Jahren gänzlich waldfrei sein könnte, illustriert – ganz unabhängig davon, ob sie eintritt oder nicht – auch zugleich das wesentliche Hauptproblem der Insel: die Zerstörung und Fragmentierung von Lebensräumen und das betrifft die Lemuren genauso wie die Schildkröten.

Insgesamt gibt es rund 370 Reptilienarten auf Madagaskar und davon sind fast 40% bedroht – also zwei von fünf Arten. Da hilft auch jeder Zoo, der sich einer solchen Art annimmt und nachzüchtet, um eine Reserve-Population zu etablieren. Entsprechend ist dieser Zuchterfolg im Erlebnis-Zoo Hannover von großer Bedeutung. Er zeigt auch: Wenn es aktuell noch keine Zoos geben würde, müsste man sie dringen erfinden, denn viele Arten, auf Madagaskar, aber auch weltweit, wird man ohne sie nie retten können.

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