Breitmaulnashörner im Zoo Dublin | Foto: Aligatorek, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Hybrid-Breitmaulnashorn: Was bedeutet das für den Artenschutz?

Exklusiv für zoos.media – 05.07.2018. Autor: Philipp J. Kroiß

Aktuell mach ein Hybrid-Breitmaulnashorn Schlagzeilen. Doch was bedeutet das und welche Schritte sind noch zu gehen, um das Nördliche Breitmaulnashorn zu retten?

Hybrid-Breitmaulnashorn: Was bedeutet das für den Artenschutz?

In erster Linie bedeutet es, dass die nächste Etappe des Plans zur Rettung des Nördlichen Breitmaulnashorns funktioniert hat. Man ist der Rettung dieser Art, die wissenschaftlich als Ceratotherium simum cottoni bezeichnet wird, einen entscheidenden Schritt näher.

Große Probleme bei Nashörnern

Die Eizellenentnahme bei Nashörnern gehört zu den größten Herausforderungen in der Tiermedizin. Die Eierstöcke liegen 1,5 Meter im Inneren des Tieres – dazu reicht weder ein Arm, noch war herkömmliches Werkzeug geeignet. Gleichzeitig besteht aber für das Nashorn Lebensgefahr, wenn etwas schief geht. Eine Forschergruppe des Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) um Prof. Dr. Thomas Hildebrandt, Spezialist für Reproduktionsmanagement, wusste aber, dass man dieses, im wahrsten Sinne des Wortes, große Problem lösen müsste, um die Art vor dem Aussterben zu bewahren.

So entwickelte man ein patentiertes Verfahren die Eizellenentnahme für die Tiere sicher, aber auch präzise und erfolgreich durchzuführen:

Über die letzten zehn Jahren hat Hildebrandt und sein Team ein inzwischen patentiertes Gerät entwickelt mit dem sich Oozyten [= weibliche Keimzelle] von Nördlichen Breitmaulnashörnern und von anderen großen Säugetieren entnehmen lassen. Das ultraschallgeführte Gerät wird transrektal [=durch das Rektum(=Mastdarm)] im Nashorn platziert. Sobald ein Follikel auf dem Bildschirm des Ultraschall-Laptops erscheint, kann eine spezielle Nadel aktiviert werden, die durch die Darmwand in den Eierstock sticht und die Eizelle aus dem Follikel entnimmt.” – Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW)

Das wurde bisher über 20 Mal erfolgreich durchgeführt. Nun blieb aber die entscheidende Frage: Kann man mit der Eizelle denn auch etwas anfangen? Für gewöhnlich ist man da positiv, aber man braucht eben auch den Beweis.

Warum ein Hybrid?

Südliches Breitmaulnashorn (Ceratotherium simum simum) im Safaripark Hodenhagen (2009) | Foto: Telgaa, Lizenz: CC BY 3.0

Wenn man nur noch zwei Nördliche Breitmaulnashörner hat und beide weiblich sind, muss man die mit großer Vorsicht behandeln und kann natürlich nicht an ihnen herumprobieren. Hier kommen nun die Südlichen Breitmaulnashörner ins Spiel, um die es nicht nur in der Natur weniger schlimm steht, sondern die auch häufiger in Zoos gehalten werden. Zum Glück sind sie insofern “baugleich”, dass man die Erkenntnisse übertragen kann.

Aber auch für die erste Befruchtung wollte man noch kein Weibchen der Nördlichen Breitmaulnashörner nutzen, sondern erstmal probieren wie das mit einer Eizelle eines Südlichen Breitmaulnashorns funktioniert, denn auch hier wären die Ergebnisse übertragbar. Dies hat man nun getan. Das Forscherteam hat oft in Eigeninitiative eine bedeutende Sammlung Sperma von Nördlichen Breitmaulnashörnern angelegt. Also hat man etwas Sperma genommen und es der Eizelle zugeführt. Dann geschah das, was manch einer als “Wunder des Lebens” bezeichnet und es entstanden Embryos.

Die erste erfolgreiche Entwicklung eines Hybrid-Embryos ist ein bedeutender Schritt in Richtung Geburt ist ein enormer Durchbrauch da es schon jetzt die Hälfte der genetischen Informationen eines Nördlichen Breitmaulnashorns sichert.” – Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW)

Wie geht es weiter?

Breitmaulnashorn mit Nachwuchs im Salzburger Zoo (2015) | Foto: Kre Stefan, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Die Embryos sind nun erstmal gefriergetrocknet und man wartet auf eine Leihmutter. Mit dem Hybrid will man nämlich das ganze Procedere nun austesten, das man dann später auf Nördliche Breitmaulnashörner anwenden möchte: auch diese würden nämlich von einer Leihmutter ausgetragen. Diese Leihmutter wird wieder ein Südliches Breitmaulnashorn sein.

Nach einem so genannten Embryotransfer werden dann südliche Breitmaulnashörner ein Nördliches Beitmaulnashorn gebären oder, wie im aktuellen Fall, einen Hybriden. Das ist nämlich der wichtige nächste Schritt: man wird sehen müssen wie man diesen am besten und effizientesten vollführt. Ebenso wird man sehen müssen wie darauf die Leihmutter reagieren und sich verhalten.

Man ist also noch nicht am Ziel, aber auf einem sehr, sehr guten Weg. Die Erzeugung dieses Embryos gibt Hoffnung für diese Art, damit man, quasi im letzten Moment eine Art retten kann. Sollte dies alles funktionieren, stehen die Chancen gut, diese Art wirklich zu retten.

Genetische Vielfalt muss erweitert werden

Nördliches Breitmaulnashorn Angalifu im San Diego Wild Animal Park (2007) | Foto: Sheep81, Lizenz: public domain

Andererseits ist künstliche Befruchtung alleine nicht genug um eine Population von Nördlichen Breitmaulnashörnern zu etablieren die genetisch Vielfältig genug ist um stabil zu sein. Die noch vorhandenen und gelagertem Spermien und Eizellen stammen von zu wenigen Individuen. Durch die Manipulation von Körperzellen aus noch existierenden Gewebeproben anderer Nördlicher Breitmaulnashörner ist es möglich pluripotente [= viele Entwicklungsmöglichkeiten in sich tragende] Stammzellen zu gewinnen. Pluripotente Stammzellen haben die Fähigkeit sich unbegrenzt selbst zu erneuern und können sich in jede beliebige Zelle eines lebenden Organismus weiterentwickeln. Diese Technik macht es möglich embryonische Zellen zu züchten die sich, durch künstliche Befruchtung, in lebende Organismen entwickeln können. Durch den Einsatz von Stammzellenforschung könnte so das genetische Material das für künstliche Befruchtung und das Heranzüchten von Nördlichen Breitmaulnashornembryos zur Verfügung steht stark erweitert werden.” – Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW)

Wir brauchen also Stammzellenforschung. Es führt kein Weg daran vorbei, um dieses Projekt, das nur mit dieser zweigliedrigen Vorgehensweise möglich ist, durchzuführen. Es gibt in der Bevölkerung leider eine völlig irrationale und sinnlose Angst vor dieser Technologie, die Leben retten könnte. Gegner der Stammzellenforschung bemühen meist die allbekannten SKIP-Argumente, deren Legitimation jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrt.

Sie konnten sich zum Glück auch in Deutschland nicht durchsetzen und so konnte man Ende letzten Jahres 15 Jahre Stammzellenforschung in Deutschland feiern. Das Problem bleibt allerdings in Deutschland, dass nicht nur zur Stammzellenforschung, sondern auch zur Forschung mit und an Tieren ein Berg von Papierkram erledigt werden muss, der in keinem sinnvollen Umfang zu händeln ist. Viele Forscher forschen deshalb schon lieber im Ausland, um wichtige Forschung, die meist ohnehin einen gewissen Zeitdruck hat, in einem guten Zeitrahmen bewerkstelligen können.

Forschung ist die Grundlage von seriösem Artenschutz und wie die deutsche Bürokratie den Wissenschaftlern die Arbeit sinnlos erschwert, ist mehr als fragwürdig und müsste schleunigst geändert werden. Artenschutz ist nämlich in den meisten Fällen auch ein Kampf gegen die Uhr und wenn es für eine Art oder Population fünf vor zwölf steht, ist eine Menge an Papierkram zu bewältigen ein enormer Zeitfresser. Hier ist auch die Politik gefragt, den Forschern, die Leben und ganze Arten retten, den Weg etwas zu ebnen.

Trotzdem gibt es aber schon jetzt in ihrer Seriosität fragwürdige überschriften, die von “Klonen” sprechen, was nicht nur faktisch falsch ist, sondern auch zeigt, dass die Autoren der Artikel das Verfahren nicht verstanden haben. Es geht ja gerade nicht um eine künstlich herbeigeführte ungeschlechtliche Vermehrung, um genetisch identische Kopien von Lebewesen herzustellen, sondern darum die Keimzellen zweier Nördlicher Breitmaulnashörner zusammen zu führen, um der Natur etwas auf die Sprünge zu helfen.

Moderne Zoos spielen wichtige Rolle

Ohne moderne Zoos wäre dieses Projekt niemals möglich geworden. Nicht nur hätte man das Genmaterial nicht gehabt, sondern man hätte das Verfahren nie entwickeln können, es würde keine möglichen Leihmütter geben, keine Orte wo die Nördlichen Breimaulnashörner geschützt leben können, keine Erfahrungen zur Auswilderung gegeben und viele andere Projektbausteine wären zu keinem Zeitpunkt überhaupt nur denkbar gewesen.

Mit Hilfe moderner Zoos und Aquarien konnten bereits viele Arten gerettet werden:

Was haben Zoos bisher schon erreicht?

Nun sind wir dem Ziel einen Schritt näher gekommen, dass auch das Nördliche Breitmaulnashorn bald dazugehören wird.

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