Eisbären auf der Guillemot Insel (Ukkusiksalik National Park, Nunavut, Canada) | Foto: Ansgar Walk, Lizenz: CC BY-SA 2.5

Ist die Arktis bald komplett eisfrei?

Exklusiv für zoos.media – 25.04.2019. Autor: Philipp J. Kroiß

Wer hat es nicht schon gehört: bald ist die Arktis eisfrei! Das ist alarmierend, oder? Medien nutzen das, um Alarm zu schlagen, aber ganz so ist es gar nicht.

Ist die Arktis bald komplett eisfrei?

Dass die Arktis schmilzt, ist nicht zu bestreiten. Eine neue UN-Studie reißt aber manche dazu hin von einer eisfreien Arktis im Jahre 2030 zu schreiben. Das gibt die Studie, die jeder hier einsehen kann, aber gar nicht her. Trotzdem wird mit diesem Schreckgespenst gespielt und somit völlig sinnlos und unwissenschaftlich Panik verbreitet. Es passt in die Agenda einer Industrie, die von Klima-Alarmismus lebt und Milliarden-Gewinne aus der Angst vieler Leute vor einem nahenden Untergang generiert.

Was sagt die Studie wirklich?

“Climate models predict that at the current rate of rising atmospheric CO2 concentration, the Arctic will be ice-free in summer by as early as the 2030s (AMAP, 2017a), although there is considerable uncertainty between model estimates (Jahn et al., 2016).” – Schoolmeester, T., Gjerdi, H.L., Crump, J., Alfthan, B., Fabres, J., Johnsen, K., Puikkonen, L., Kurvits, T. and Baker, E., 2019. Global Linkages – A graphic look at the changing Arctic. UN Environment and GRIDArendal, Nairobi and Arendal. www.grida.no, Seite 14

Somit sieht die tatsächliche Aussage dann schon sehr anders aus. Also,

  1. die Antarktis wäre nur im Sommer eisfrei und nicht komplett und
  2. nicht 2030, sondern irgendwann in den 2030er Jahren.

Schaut man sich nun noch den Aufsatz von Jahn und Kollegen aus dem Jahr 2016 an, auf den verwiesen wird, kann man lesen, dass es bei solchen Voraussagen eine Ungenauigkeit von rund 20 Jahren besteht. Dazu kommt, dass eine eisfreie Arktis per Definition nicht bedeutet, dass sie wirklich eisfrei ist. Eine eisfreie Arktis, zu welcher Jahreszeit auch immer, ist eine Arktis mit weniger als 1 Millionen Quadratkilometer Seeeis-Abdeckung. Was die Studie also in Wirklichkeit sagt ist, dass es Klimamodelle gibt, die voraussagen, dass die Arktis in mehr als zehn bis dreißig Jahren weniger als 1.000.000 m² Seeeis haben könnte. Mehr nicht. Eine weitere Frage ist dann wie seriös diese Modelle sind, denn dass es Modelle gibt, heißt ja noch nicht automatisch, dass sie zutreffen – dazu später mehr.

Die Vorhersage stammt vom Arctic Monitoring and Assessment Programme (AMAP) und ist hier zu finden. Im Original steht da: “The Arctic Ocean could be largely free of sea ice in summer
as early as the late 2030s, only two decades from now.” Dazu fügt man später hinzu: “Natural variability and model limitations make precise predictions impossible.” Es ist also alles sehr unsicher, ob das wirklich so geschieht – soweit die Wissenschaft.

Das Meereeis der Arktis retten – aber wie?

Hungernder Eisbär in der Natur – moderne Zoos schützen die Art und ihren Lebensraum. | Foto: Andreas Weith, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Von November bis Juli wird es in der Arktis also auf absehbare Zeit Seeeis geben – das bezweifelt auch niemand ernsthaft. Im August, September und Oktober könnte es knapp werden – ob und wann es soweit kommt, weiß aber mit Sicherheit niemand aktuell. Der Süden der Arktis ist übrigens heute schon “eisfrei”, wenn man so will, denn dort ist im Sommer kein Meereis. Einzig im Norden sind der Arktische Ozean und die daran angrenzenden Meere im Sommer wie im Winter mit Eis bedeckt. Dieses Meereis ist ein wichtiger Lebensraum für viele verschiedene Tiere und es macht Sinn sich dafür einzusetzen, dass wir es erhalten können und nicht verlieren.

Die Frage ist nur, wie man das am Besten tut. Aktuell wird dem CO2 die Schuld an der Schmelze gegeben: weil die Menschen davon so viel ausstoßen, wird das Eis weniger. Die Annahme basiert auf einer zeitlichen Verbindung, die man zwischen CO2-Ausstoß und der Abnahme des Eises zieht. Sehr deutlich abzuklären ist noch, inwiefern es sich um eine stochastische (also zufällige) oder kausale (also ursächliche) Korrelation handelt. Skeptiker eines kausalen Zusammenhangs sprechen von einer zyklischen Entwicklung des Arktiseises, die nicht vom CO2 beeinflusst wäre, weil Rekonstruktionen der früheren Meereis-Abdeckung ebenfalls schon Pessima gezeigt hätten ohne einen massiven CO2-Ausstoß , der ihn hervorgerufen haben könnte.

Beide Thesen haben ein zentrales Problem: Wir haben sehr wenig Daten – teils sogar aus weniger Jahren als wir in die Zukunft voraussagen wollen. Das ist ein riesiges Problem, denn man kann sich trefflich über verschiedene Modelle streiten, die aufgrund geringer Datenbasis unterschiedliche Entwicklungen vorhersagen. Deshalb ist es wichtig, dass der Staat die Forschung nach Kausalzusammenhängen deutlich mehr fördert, denn eine Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse ist definitiv ein Hinweis, den man ernst nehmen sollte, aber es braucht weitere Forschung, um ihn genau zu verstehen und dann zielgerichtet und präzise zu handeln.

Wie schrecklich schief solche Voraussagen auf Basis von Korrelationen gehen können, haben wir in der Vergangenheit gesehen. Bernt Balchen zum Beispiel erklärte 1972 schon, dass die Arktis bis zur Jahrtausendwende ganzjährig eisfrei wäre, wenn es so weiter ginge. Jay Zwally von der NASA orakelte gegenüber National Geographic über einen am Nordpol eisfreien Sommer im Jahr 2012. Prof. P. Wadhams von der Cambridge University sprach 2011 von einer Eisfreiheit des Gebietes im Jahr 2015. Das alles ist nicht eingetreten. Solche falschen Voraussagen zeigen die Probleme auf, die Modelle mit einer geringen Datenmenge und ungeklärten Faktoren nun mal haben.

Zukunft ungewiss – oder?

Wie sinnvoll es ist, sich an dem Streit zwischen verschiedenen Vertretern von verschiedenen Modellen und Thesen zu beteiligen, ist fraglich. Fest steht nur, dass es Forschung an kausalen Zusammenhängen benötigt, um wirklich qualifiziert vorgehen zu können. Bis diese Ergebnisse da sind, braucht niemand aber andächtig die Hände in den Schoss zu legen und der Ergebnisse harren, die da hoffentlich kommen. Dafür gibt es zu viel zu tun und einiges kann man bereits tun, denn es gibt schon Erkenntnisse dank denen wir etwas bewegen können. Ganz konkret aus der Arktis haben die Zoos und Aquarien einen besonderen Botschafter: den Eisbären. Der braucht tatsächlich Hilfe und Hilfe bedeutet in diesem Fall vor allem Forschung. Hierbei hilft die Haltung der Tiere, aber auch die Überwachung wilder Tiere – das geht Hand in Hand.

Wie der San Diego Zoo AI und Dronen nutzt, um Eisbären zu retten

Oft wird die Krise, vor der die Eisbären stehen, als etwas begriffen gegen das man, wegen der Entwicklung des Klimas, ja nichts machen könnte, aber das Gegenteil ist der Fall. Hier kann man aktiv eine Spezies schützen, was wir übrigens ohnehin tun müssen – egal wie sich das mit dem Eis entwickelt, denn es gibt nicht mehr viele von ihnen. Schutz braucht es also, aber nicht nur in kälteren Gefilden, sondern auch in wärmeren. Die Addax-Antilope zum Beispiel lebt alles andere als in der Kälte – auch hier helfen Zoos auf Basis seriöser Forschung und entsprechender Ergebnisse.

Ein Engagement im Artenschutz hilft auch dem Klima. Eine Paradebeispiel ist die Aktion “Quaken fürs Klima” des Aquazoo Löbbecke Museum. Die beschäftigt sich mit dem massiven Verlust an Amphibien. Hier spricht die Forschung auch eine klare Sprache und es gibt da nichts großartig zu diskutieren: die Bestandszahlen sind da und die Bedrohung auch. Amphibienschutz heißt aber immer auch der Schutz des Waldes als Lebensraum und das ist wiederum sehr gut für den gesamten Planeten und natürlich das Klima, denn der Wald ist die Lunge der Welt, kann man sagen.

Das Problem der Klimadiskussion, die meist mehr oder weniger offenkundig das Abreiben von Klima-Alarmisten und ihrem extremistischen Pendent, dem der Klimaleugner, bedeutet, ist, dass sie so omnipräsent ist, dass ganz oft aus den Augen verloren wird, dass man ja schon jetzt etwas Konkretes tun könnte, während man weiter in die Forschung investiert, um die großen Prozesse wirklich zu verstehen. Es braucht gar keine überstürzten Handlungen auf Basis von Klima-Alarmismus, die vielleicht dann tatsächlich sogar eher schaden als nützen, sondern es gibt bereits heute Fälle, die klar sind und die man angehen kann. Dass die dann natürlich auch wieder der gesamten Natur helfen, ist auch klar – man schützt ja keine Art umsonst. Es hat dem Planeten noch nie geschadet, dass eine Art nicht ausgestorben ist.

In den Medien erleben wir aber keine Berichte darüber, was man wirklich tun kann oder was schon erfolgreich getan worden ist, sondern stattdessen wird Fehlinterpretationen von irgendwelchen Berichten Raum gegeben, bei denen dann aber bei genauem Hinsehen sich niemand so wirklich einig ist, was denn jetzt wirklich geschieht. Das ist ein Problem vor dem wir stehen. Viele Arten brauchen unsere Hilfe, die Fakten liegen auf dem Tisch und keiner tut was, weil er sich wieder an der nächsten Vermutung abreiben muss, die in der Presse breitgetreten werden und bei denen es dann doch irgendwie letztendlich darauf hinausläuft, dass man nichts Genaues weiß – wie beim Beispiel oben.

Alarmismus schadet genauso wie das Leugnen der klimatischen Veränderungen, aber bei allem Klimaschutz, haben wir auch nichts davon leer gefegte Ökosysteme mit schönem Klima auszustatten. Die Amphibien sterben jetzt, gerade in diesem Moment und wir wissen auch wieso: der Chytridpilz lässt Frösche sterben wie die Fliegen und die Lebensräume werden massiv zerstört. Wir wissen auch wie wir helfen können: medizinische Forschung, Habitatschutz und Erhaltungszucht. Wenn man hieran konkret arbeitet – und das tun ja moderne Zoos und Aquarien bereits, aber sie brauchen weiter und mehr Unterstützung – hat man die Chance auf noch mehr echte Erfolge und muss sich nicht in ellenlange Diskussionen über theoretische Modelle vertiefen. Hier liegen die Kausalzusammenhänge klar vor der Nase und die müsste man nur nutzen. Wer eben zum Beispiel die Amphibien schützt und so Gutes tut, schützt dann übrigens auch das Klima ganz automatisch und unstrittig – egal wie der Streit um ein Vorhersagemodell in Zukunft ausgehen wird.

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