Vordere Außenansicht des Sitzes vom Deutschen Bundestages | Foto: zoos.media

Koalitionsvertrag der Ampel: Viel Wollen, aber wie viel Können?

Exklusiv für zoos.media – 26.11.2021. Autor: Philipp J. Kroiß

Dieser Artikel schaut sich den Koalitionsvertrag der Ampel-Partner (SPD, Grüne & FDP) an: Was steht drin? Was kann man erwarten? Was fehlt?

Koalitionsvertrag der Ampel: Viel Wollen, aber wie viel Können?

Olaf Scholz (SPD) | Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Es ist getan. Wochenlange, intransparente Hinterzimmer-Verhandlungen zwischen SPD, Grüne und FDP führten zu einem Koalitionsvertrag, der den ehemaligen Vizekanzler der Großen Koalition, Olaf Scholz, zum Kanzler der Ampel-Koalition machen soll. Ebenfalls an die SPD gehen, laut Berliner Zeitung, das Kanzleramt sowie die Ressorts Innen, Verteidigung, Bauen & Wohnen, Arbeit & Soziales, Gesundheit und Wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die Grünen übernehmen demnach Wirtschaft & Klima, Auswärtiges Amt, Familie, Landwirtschaft und Umwelt, die für Zoologische Gärten von besonderer Bedeutung sind. Die FDP deckt wohl die übrigen Ressorts Finanzen, Justiz, Verkehr sowie Bildung & Forschung ab. Den Bereichen Finanzen und Justiz könnten in Fragen des Gemeinnützigkeitsrechtes eine wichtige Bedeutung zukommen.

Besonders bedenklich war aber die Ankündigung von Sandra Detzer, der Landeschefin der Grünen in Baden-Württemberg, die auch Mitglied des Bundestages ist: “Wo wir Grünen an die Schalthebel der Macht kommen, werden wir nicht mehr verhandeln.” Dass die SPD & FDP ihnen nun Landwirtschaft und Umwelt überlassen haben, verwundert einerseits vor dem Hintergrund des Engagements in diesen Themen, aber ist strategisch für beide Parteien durchaus sinnvoll, damit die Grünen nicht wieder mit Vorfeldorganisationen bei Entscheidungen den Minister unter Druck setzen können, wie man das schon mit Verhandlern bei den Koalitionsgesprächen getan hat. Was für die beiden Parteien von Vorteil sein kann, muss aber nicht denen zum Vorteil gereichen, die nun fürchten müssen, eventuell verhandlungsunwilligen grünen Ministern überantwortet zu sein.

Was steht nun drin?

Der Spiegel hat den Vertrag im Wortlaut veröffentlicht. Zoologische Gärten werden in dem ganzen Vertragswerk nur einmal erwähnt: “Die Bildungsarbeit Zoologischer Gärten werden wir unterstützen.” Das war es. Ein Satz ist ein durchaus überschaubares Ergebnis von jahrelanger Arbeit in Berlin, die sich zum Beispiel die Mitglieder des Verbands der Zoologischen Gärten (VdZ) keine kleinen Summen kosten lassen. Das ist sicherlich mehr als gar nichts, aber auch eben nicht viel mehr, gemessen an dem Wert, den Zoologische Gärten eigentlich für die Ziele haben, die diese Koalition einsetzen will. Von einem Rettungsschirm oder Aufbaufonds, die speziell auf die Bedürfnisse Zoologischer Gärten ausgerichtet wären, liest man gar nichts.

Gleichwohl hat der Koalitionsvertrag aber auch Passagen, die – auch ohne Erwähnung – für Zoos und Aquarien eine nicht kleine Bedeutung haben. Da wäre zum Beispiel das Thema: Umwelt- und Naturschutz. Zuallererst bezieht man sich dabei auf die SDGs, die in diesem Video erklärt werden:

Das ist nichts Neues und kein großer Wurf und eine wesentliche Änderung ergibt sich dadurch nicht automatisch, dass man diese als “Richtschnur” definiert. Seit Jahrzehnten orientiert sich die Politik, zumindest nach eigenen Angaben, an diesen Zielen für nachhaltige Entwicklung. Zwischendurch hat man sie in den SDGs zusammengefasst und somit kategorisiert – inhaltlich neu ist dabei gar nichts. Wenn es dann um Naturschutz und Biodiversität geht, verharrt die Ampel-Koalition in Plattitüden: “Der Erhalt der Artenvielfalt ist eine Menschheitsaufgabe und eine ethische Verpflichtung.” Danach bleibt es im Koalitionsvertrag vorwiegend bei Willensbekundungen – wollen kann man bekanntlich viel.

Zwischendurch stolpert man mal über eine Formulierung zur “Erinnerungskultur und begangenes SED-Unrecht” – was die Verbrechen der Unrechtspartei SED, die heute unter dem Namen “Die Linke” weiterbesteht, mit Naturschutz zu tun hat, bleibt dabei fraglich. Man will natürlich mehr Schutzgebiete schaffen und vorhandene stärken, aber auch hier: wollen kann man viel. Eine Zusage zum Handeln ist das nicht. Dann kommt aber eine kuriose Passage: “Bundeseigene Flächen im Außenbereich haben für den Klimaschutz sowohl als potenzielle Standorte für Windkraft- und PV-Anlagen, als auch für die Biodiversität – wie z. B. Biotopverbund, Nationales Naturerbe, Wildnisgebiete, Gewässer- und Artenschutz – eine erhebliche Bedeutung”. Windparks sind aber als Naturschutzgebiete ungeeignet, weil sie großen Schaden an den Wildpopulationen vor Ort anrichten. Ausbau der Windenergie und Naturschutzgebiete auf sehr begrenztem Raum gleichzeitig umzusetzen, wird schwierig, was bereits im Kommentar zum Sondierungspapier ausgeführt wurde. Im ganzen Vertragswerk zeichnet sich eine gefährliche Tendenz ab, die seit Jahren die Politik der Grünen bestimmt, die regelmäßig hohe Parteispenden aus der Branche bekommen, die nun stark bevorteilt werden soll:


Das ist kein guter Weg für den Natur- und Artenschutz. Andererseits ist es auch kein guter Weg für die Landwirtschaft, wenn man hier motivieren will, dass die Tiere mehr Platz haben sollen, weil das auch eine Umwandlung von Natur in Wirtschaft bedeutet. Diesen Wandel will die Ampel komplett den Grünen überlassen: “Die Ernte für Landwirte, die Gelb gewählt haben, fällt […] aus“, subsummiert Gitta Connemann (CDU) und kritisiert weiterhin, dass das Thema Ernährungssicherung komplett ausgeblendet wird.

Mangel an Klarheit

Durch eine Windkraftanlage getöteter Rotmilan. | Foto: Martin Lindner, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Die Ampel versichert: “Das europäische Naturschutzrecht setzen wir eins-zu-eins um.” Dazu will man den Vertragsnaturschutz stärken. Das bedeutet, dass man Grundbesitzer dafür entlohnt, eine Fläche zum Beispiel nicht landwirtschaftlich zu nutzen. Dazu will man “ein nationales Artenhilfsprogramm” auflegen und dabei besonders Arten in den Fokus nehmen, “bei denen es Konflikte mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien gibt”. Das klingt auf den ersten Blick gescheit, aber wird sehr fraglich, wenn man es mal genauer durchdenkt: der Schaden an der Insektenpopulation durch Windräder der aktuellen Generation, sowie in den Bereichen anderer fliegender Tiere, ist signifikant. Dieses Versprechen ist also ein Fass ohne Boden, weil es so unglaublich viele Arten betrifft, die etwa von Insekten leben. Tragfähige Konzepte zur Lösung des Problems fehlen.

Insekten möchte man anscheinend lieber dadurch schützen, dass weniger Pestizide eingesetzt werden. Das bedeutet, dass die Bauern mehr Land für gleichen Ertrag brauchen, was wiederum im Umkehrschluss bedeutet, dass mehr Naturflächen in Nutzflächen umgewandelt werden müssen oder die Bauern unterm Strich weniger mit ihrem Land verdienen, was auch zu einem direkten Wertverlust von Ackerland führt. Wirklich geholfen hätte allerdings ein Effizienzsteigerungspaket für Ackerlandes, weil so der Landbedarf der Landwirtschaft sinken würde, was eine Rückgewinnung an Platz für die Natur bedeutet und auch wiederum Anreize für den Vertragsnaturschutz gesetzt hätte. Stattdessen sollen die Bauern jetzt auf “die Entwicklung von natur- und umweltverträglichen Alternativen” warten müssen.

Beim Thema Wolf bleibt man enttäuschend ungenau. Es soll ein Dialog angestoßen werden und es werden ein paar Plattitüden gedroschen von wegen der Befriedung von Mensch-Tier-Konflikten. Lösungsorientierung sieht anders aus, denn die Fronten sind aktuell in dieser Diskussion so verhärtet, dass die Kompromissfindung wohl schwerlich nur in einer Legislaturperiode zu leisten wäre. Es ist bekannt, dass sich die Ampel in der Frage uneins ist und diese Passage wirkt so, als wolle man eine Klärung weiter aufschieben, statt Lösungsansätze zur offenen Diskussion zu stellen. So muss kein beteiligter Politiker das Gesicht verlieren, aber weiter bringt das in der Frage auch niemanden.

Das Importverbot kommt

“Den Kampf gegen die Wilderei wollen wir intensivieren und den illegalen Handel mit geschützten Arten auch im Online-Handel unterbinden sowie den Vollzug durch eine Task-Force stärken. Wir setzen uns für ein Importverbot von Wildfängen für den Heimtiermarkt ein.” – Auszug aus dem Koalitionsvertrag

Die Idee, illegalen Tierhandelswegen durch Verbote Herr zu werden, scheitert seit Jahrzehnten und ist deshalb unwirksam, weil bereits der geringe Anteil illegaler Jagd bei den dezimierten Populationen bestandsbedrohend wirkt. Wer denkt, durch Verbot von Symptomen die Krankheit zu besiegen, irrt. Hier lässt die Ampel den Willen vermissen, an die Wurzel von nicht-nachhaltiger Nutzung tierischer Populationen zu gehen. Ein Importverbot von Wildfängen bewirkt nur eines: man verlagert das Problem ins Ausland. Dorthin wird man Wildfänge weiterhin importieren können und die nachgezüchtete Generation wird dann nach Deutschland verkauft. Dieser Maßnahme eine Wirkung in den Ursprungländern der Wildfänge beizumessen, ist Augenwischerei.

Sinnvoll wäre es gewesen, Zuchtprogramme für Heimtiere aufzulegen. Das bedeutet, nachhaltige Wildfänge weiter zu erlauben, aber die Zucht der Tiere in Deutschland zu unterstützen. Zucht ist nämlich der beste Schutz gegen nicht nachhaltige Wildfänge. Wenn man es schafft, für den Heimtiermarkt, nachhaltige Zuchtpopulationen aufzubauen und zu erhalten, wäre das ein großer Gewinn gewesen und man hätte die Kontrolle darüber gehabt. Das hätte es auch ermöglicht, deutschen Züchtern massiv zu helfen und ihnen nicht das Leben durch ein sinnbefreites Wildfangverbot schwerer zu machen. Verbote geben die Kontrolle nun an andere Länder ab.

“Synergien zwischen Natur- und Klimaschutz schaffen und stärken”

Wolf im Freigehege des Nationalparks Bayerischer Wald | Foto: W. Bulach, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Das Kapitel über natürlichen Klimaschutz startet so geschwollen wie inhaltsleer. Man muss hier keine Synergien schaffen und stärken, weil das die Politik nicht kann: diese Synergien bestehen bereits und es ist bekannt, dass der beste Klimaschutz der möglichst umfassende Erhalt natürlicher Habitate bedeutet. Das kann die Politik also nicht schaffen, weil das schon Realität ist, und auch nicht stärken, weil sie die Naturgesetze nicht verändern kann. Interessant ist, dass der so zu erfolgende Naturschutz aus “Energie- und Klimafonds” finanziert werden soll und die Ampel nun noch ein “Bundesnaturschutzfonds” einrichten will. Unterm Strich ist das alles Naturschutz – warum soll man drei verschiedene Fonds dafür unterhalten? Das sorgt nur für sinnlose Bürokratie.

Besonders im Fokus des Naturschutzes sollen Moore, Meere und Wälder stehen, wenn es nach der Ampel geht. Besonders letztere beiden wirken etwas heuchlerisch. Der Ausbau von etwa Windrädern wird auf Kosten der Meere und Wälder gehen. Hier stellt man allerdings keine Lösungen vor, sondern nur allgemeine Schutzkonzepte ganz so als gäbe es die Lebensraumbedrohung dadurch nicht. Egal wie man zu Windrädern steht, können weder Befürworter noch Gegner verhehlen, dass dadurch Lebensräume für die Natur unbenutzbar gemacht werden. Kann man in Wäldern dies vielleicht durch Neupflanzung von Bäumen irgendwo ausgleichen, kann man das Meer nicht mal eben so vergrößern, um den verlorenen Lebensraum wieder zurück zu geben.

Thema: Tierschutz

Nachdem man das Thema Landwirtschaft und Ernährung in einem plattitüdenreichen Satz abgekanzelt hat, geht es um den Tierschutz. Ab 2022 soll es “eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung” sowie eine “Herkunftskennzeichnung” geben. Dazu will man auch den Landwirten in Deutschland dabei helfen “Nutztierhaltung in Deutschland artgerecht umzubauen”. Das ist begrifflich schon hakelig: In der Landwirtschaft spricht man von Nutztierrassen und nicht von Arten. Zudem ist “artgerecht” kein sinnvoller Begriff, sondern treffender und auch wichtiger wäre die tiergerechte Haltung. Hier fragt man sich, wie jemand der so laikal formuliert, denn fähig sein will, einen sinnvollen Beitrag zu leisten. Finanziert werden soll das alles durch ein “durch Marktteilnehmer getragenes finanzielles System” – bedeutet im Umkehrschluss: es wird alles teurer.

Weißer Tiger im Circus | Foto: Astrid Reuber (Lacey Fund e. V.)

Nach weiteren Punkten geht es dann um die Zirkusse, denn man möchte eine “Positivliste für Wildtiere, die nach einer Übergangsfrist noch in Zirkussen gehalten werden können”. Die Idee ist auf Basis mehrere Faken schon Blödsinn. Im Zirkus gibt es keine klassischen Wildtiere in sinnvoller Definition: die als Wildtiere bezeichneten Tiere sind oft sein Generationen bereits in Menschenobhut und somit genetisch isoliert, aber haben auch vom Verhalten mit ihren wilden Verwandten noch wenig gemein, weil sie in der Natur gar nicht mehr überleben könnten. Wenn man etwa die Wildkatzen betrachtet, so sind das Zirkustiere, die sich in guten Zirkussen wohlfühlen.

Ein Haltungsverbot für bestimmte Arten zu beschließen – und nichts anderes bewirkt eine Positivliste – ist daher realitätsfremd. Sinnvoller wäre gewesen, die Tiergerechtheit von Zirkussen einzeln besser zu kontrollieren. Wie sind die Tiere jeweils gehalten? Geht es ihnen dort gut? Sind sie gut versorgt? Das ist keine Frage von Arten – entgegen der populistischen Aussagen von Tierrechtlern übrigens – sondern eine Frage der individuellen Haltung. Dass SPD und Grüne sich diesem Populismus hingeben, war absehbar, dass die FDP bei dieser Frage aber einknickt, ist überraschend. Wenn schon die Tierschutz-Passage so schlecht gemacht ist, lässt das wenig Hoffnung darauf zurück, dass es bei der Positivliste anders werden wird.

Abschließend kommt dann der bereits oben erwähnte – und somit auch deplatzierte – Satz über die Zoologischen Gärten, weil eine Unterstützung von Bildungsarbeit nicht in das Ressort Tierschutz fällt, aber dann aufhorchen lässt dieser Satz: “Wir setzen uns für ein EU-weites Verbot der Haltung und Zucht von Pelztieren ein.” Wer sich an das Thema Invasivarten erinnert, weiß, dass so etwas gerade im Hinblick auf Haltung und Zucht in Zoos schon mal richtig schief gegangen ist, weil es keine Ausnahmeregelungen gab. Gerade die Haltung und Zucht von Europäischen Nerzen aber wäre sehr wichtig zum Beispiel. Hier steht also zu hoffen, dass es wenigstens dabei dann entsprechende Ausnahmen gibt.

Gemeinnützigkeit

Von PETA getötete Hunde wurden in einem Mülleimer in Plastiktüten gefunden. Dieser Hund ist eines von zehntausenden Opfer von PETA. | Foto von http://whypetakills.com (Nathan J. Winograd)

Besonders die FDP hat sich damit hervorgetan, das Gemeinnützigkeitsrecht reformieren zu wollen und das in einer Form, die es zum Beispiel PETA unmöglich machen soll, die ihnen ohnehin widersinnig zugesprochene Gemeinnützigkeit zu behalten. Davon sieht man im Koalitionsvertrag nichts. Vielmehr will man gemeinnützige NGOs weiter ermächtigen. Jetzt will man sogar noch mehr Gemeinnützigkeitszwecke ergänzen, “um der entstandenen Unsicherheit nach der Gemeinnützigkeitsrechtsprechung des Bundesfinanzhofes entgegenzuwirken und konkretisieren”. Damit meint man wohl die Urteile zu Campact und Attac.

In dem Zusammenhang will man sicher stellen, “dass sich eine gemeinnützige Organisation innerhalb ihrer steuerbegünstigten Zwecke politisch betätigen kann sowie auch gelegentlich darüber hinaus zu tagespolitischen Themen Stellung nehmen kann, ohne ihre Gemeinnützigkeit zu gefährden”. Das bedeutet im Klartext, dass man die NGOs an der politischen Willensbildung mitwirken lassen möchte, wodurch das so genannte Parteienprivileg aufgeweicht werden soll. Das ist deshalb problematisch, weil es die Einflussnahme nicht gewählter Körperschaften auf die Politik erhöht. Gleichzeitig fördert es eine Politisierung von NGOs und das System der “Vorfeldorganisationen”, das aktuell besonders von den Grünen stark benutzt wird.

Nur das führt natürlich auch die Gemeinnützigkeit insgesamt ad absurdum: eine politisch nicht zu Neutralität verpflichtete Organisation nutzt nicht mehr der Allgemeinheit, sondern nur ihrem politischen Spektrum. Gemeinnützige Organisationen werden aber ja gerade deshalb auch mit Spenden bedacht, weil sie nicht politisch sind. Wer für eine bestimmte Politik spenden will, kann das über Parteispenden tun. Diese Grenzen zwischen Partei und NGO verschwimmen ja bereits jetzt zu stark und statt sie wieder zu schärfen, will die Ampel sie noch mehr verwässern. Das ist ein gefährlicher Weg, der bei SPD und Grünen nicht weiter überrascht, bei der FDP allerdings schon sehr deutlich.

Sehr pointiert nimmt das dieser Tweet auf:

Und was ist mit Transparenz? “Wir schaffen handhabbare, standardisierte Transparenzpflichten und Regeln zur Offenlegung der Spendenstruktur und Finanzierung.” Der Knackpunkt ist hier das Adjektiv “handhabbar” – warum? Weil es unsinnig ist. Es braucht komplette Transparenz bei den gemeinnützigen NGOs und das völlig unabhängig davon, ob die handhabbar ist oder nicht, weil die Organisationen wollen eine Leistung von der Gemeinschaft in Form von Steuerbegünstigungen, also schuldet sie dieser auch völlige Transparenz. Es gibt keinen Sinn, hier so explizit auf Handhabbarkeit zu achten.

Und Corona?

Der Coronavirus (2019-nCoV, gelb) | Foto: NIAID, Lizenz: CC BY 2.0

Als im Sommer der damalig amtierende Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) Einschränkungen für Nicht-Geimpfte zur Sprache brachte, lehnte die FDP dies noch ab, trägt es nun in der Ampel aber mit. Vom vor der Wahl versprochenen Freedom Day hört man nach der Wahl nun auch nichts mehr. Wann enden also die Maßnahmen? Im Koalitionsvertrag steht dazu genau so wenig wie man im Koalitionspapier großartige Visionen zur Ausgestaltung liest. Man spricht viel von Wiederaufbau und Aufbruch, aber, wann der beginnen kann, ist weiterhin fraglich – so lassen sich Versprechungen einfach geben.

Die Ampel scheint das defizitäre Management der Großen Koalition fortzuführen, das auf nicht-funktionierenden Entzug von Grund- und Freiheitsrechten setzte. Das Wort “Intensivstationen” kommt im Koalitionsvertrag gar nicht erst vor, obgleich der politisch ermöglichte und geförderte Abbau der Betten eines der zentralen Probleme ist. Aktuell sorgt die “Verordnung zur Verwaltung des Strukturfonds im Krankenhausbereich (Krankenhausstrukturfonds-Verordnung – KHSFV)” dafür, dass der Abbau von Intensivbetten massiv gefördert wird. So ist unter § 11 (Förderungsfähige Vorhaben) zu lesen, dass aktuell eine Förderung dafür besteht, wenn “ein Krankenhaus oder Teile von akutstationären Versorgungseinrichtungen eines Krankenhauses dauerhaft geschlossen werden” oder in “eine nicht akutstationäre Einrichtung umgewandelt” werden. Aus § 12 ergibt sich dann, dass, je nach Ausmaß des Bettenabbaus, zwischen 4.500€ und 12.000€ Subvention je abgebautem Bett möglich sind.

Wenn man Bettenabbau so lukrativ macht, ist es kein Wunder, wenn sie fehlen. Hier wäre es auch etwa Aufgabe eines Koalitionsvertrags gewesen, solche Fehler der Großen Koalition zu korrigieren und langfristig besonders die Intensivstationen zu stärken. An dieser Stelle wären ja Konzepte zu einer Erweiterung des intensivmedizinischen Angebots von der Ampel gefragt gewesen. Es kann ja nicht sein, dass die Politik für einen Abbau der Intensivkapazität sorgt und dann mit der so künstlich verknappten Intensivkapazität weiter Einschränkungen legitimiert, die zum Beispiel Zoos und Aquarien massiv in ihrer Existenz bedrohen. Schließlich ist die Bettenknappheit in den Intensivstationen ja gerade für 3G- und 2G-Regelungen in Zoos und Aquarien verantwortlich, die diesen große finanzielle Probleme bringt.

Was bleibt?

Blick von oben in den Plenarssaal des Bundestags. | Foto: Tim Tregenza, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Der Koalitionsvertrag bleibt an vielen Stellen unkonkret und auf ein Wollen beschränkt und da, wo er konkret wird, was dieser Artikel ohne Anspruch auf Vollständigkeit anhand einzelner relevanter Beispiele deutlich gemacht, gibt es zig ungelöste Fragen der Umsetzung. Dazu fragt man sich nicht selten, wie die Aussagen zum jeweiligen Thema plötzlich Position der FDP sein können. Es fehlen tragfähige Konzepte und dies auch, weil nach wie vor über allem die Frage nach der Finanzierung schwebt. “Laut dem Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, ist die Finanzierung ungeklärt”, berichtet der Spiegel. Das war auch bereits ein Problem des Sondierungspapiers, das nun im Koalitionsvertrag nicht gelöst wurde.

Bei dem “Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen” ist der Return on investment (ROI) völlig unklar. Man vertraut darauf, dass das Geld schon zurückfließen wird, wenn man den eigenen Moralvorstellungen, was denn “das Richtige” sei, folgt. Geklappt hat diese Form des Geldausgebens aber noch nie zuverlässig. Der Koalitionsvertrag strotzt nur so vor Etatismus und somit dem Glauben, dass der Staat alles regeln könnte und regeln müsste. Diese Auffassung hat mit einer freiheitlichen Demokratie durchaus Reibungspunkte, weil dem Bürger immer mehr Eigenverantwortung entzogen wird. Das überrascht vor allem deshalb, weil mit der FDP eigentlich eine freiheitliche Partei ein Teil dieser Ampel ist.

Warum soll die Zirkusfrage zum Beispiel nicht das Publikum entscheiden? Der Staat sorgt für den Rahmen einer tiergerechten Haltung der Tiere auf wissenschaftlicher Basis und welche Tiere gehalten werden, entscheidet schlicht das Publikum durch seinen Besuch. Hier besteht gar keine Notwendigkeit einer staatlichen Regelung. Das gilt aber nicht nur beim Zirkus, sondern generell in der Tierhaltung. Die Koalition scheint sich gar nicht mehr die Systemfrage gestellt zu haben, ob der Staat an dieser Stelle überhaupt eingreifen muss, sondern scheint alles und jeden regulieren zu wollen, der nicht bei Drei auf den Bäumen war und ist, aber nicht ohne nochmal vorher kräftig die Bäume zu schütteln.

Das Gebäude des Bundesrats in Berlin | Foto: JohannesDiek, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Aufgabe des Staates ist es einen Rahmen zum Zusammenleben bereit zu stellen und eben nicht bis in den letzten Aspekt des Lebens hinein zu regieren, besonders, wenn er bereits an dem Schaffen ordentlicher Rahmenbedingungen scheitert. Zur Obdachlosigkeit, die immer ein Indikator staatlichen Versagens ist, finden sich im Koalitionsvertrag zwei Sätze mit Willensbekundungen ohne ein konkretes Konzept auch nur zu skizzieren. Gleichzeitig aber vergleichsweise riesige Abhandlungen über den Schutz von Mooren zu verfassen, ist bemerkenswert und zeigt wie hier fragwürdige Prioritäten staatlichen Handelns gesetzt werden, die staatliche Grundaufgaben vernachlässigen zugunsten eines Regulierungs- und Regelungsfwillens in bestimmten Bereichen.

Klar muss man Moore schützen, aber die Bürger müssen den Schutz ausgestalten und nicht die Politik alles vorbeten – denn Naturschutz geht nie über die Köpfe der lokalen Bevölkerung hinweg. Wenn der Staat so gut in Schutzkonzepten für die Natur wäre, wie in diesem Koalitionsvertrag indirekt behauptet wird, dann wären wir doch niemals so weit gekommen, dass wir diese Lebensräume nun so dringend schützen müssen. Natur- und Artenschutz bedeutet immer, dass man gemeinsam nach Lösungen suchen muss und nicht von oben herab alles schematisch regeln sollte, weil es teils individuelle Konzepte braucht, die man nicht am grünen Tisch in tausenden Kilometern Entfernung zur ideologischen Verhandlungsmasse erklären darf.

Die FDP ist mit “Steuern runter, weniger Staat” in den Wahlkampf gezogen. Die Ampel bedeutet im Ergebnis aber mehr Staat und nicht weniger Steuern. Im liberalen Lager bringt dieser Vertrag die höchsten Verluste, während die politisch linken Sozialdemokraten und Grünen mit ihrem Etatismus ganz gut durchgekommen sind. Das Problem eines solchen Etatismus war und ist immer die Finanzierung eines solchen Behördenapparates, den es nun mal braucht, um als Staat so regulativ sein zu können – wobei wir wieder bei der alten Frage werden: Wer soll das bezahlen? Die Antwort ist aber klar: mittelbar und unmittelbar bleibt die Finanzierung beim Steuerzahler. Das wird auch Auswirkungen für Zoos und Aquarien haben.

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