Exklusiv für zoos.media – 24.10.2019. Autor: Philipp J. Kroiß
Zwischen Köln und Hanoi gibt es eine wichtige Partnerschaft für Artenschutz und Forschung, die zeigt wie wichtig moderne, akkreditierte und zertifizierte Zoos und Aquarien sind, um das Aussterben von Tierarten zu verhindern.
Köln & Hanoi: Starke Partnerschaft für Artenschutz & Forschung
Über 100 neue Arten wurden entdeckt. Haben Sie nicht mitbekommen? Tatsächlich stimmt es aber: über 100 Wirbeltierarten wurden dank einer Partnerschaft zwischen dem Kölner Zoo und dem Institut für Ökologie und biologische Ressourcen (IEBR), Hanoi, in Vietnam und Laos in den vergangenen Jahren entdeckt. Wahrscheinlich würden wir sie bis heute noch nicht kennen und – noch schlimmer – auch nicht schützen können, wenn es diese Zusammenarbeit nicht geben würde.
Seit 1999 läuft die Partnerschaft und wird mit bis zu 60.000€ seitens des Kölner Zoos pro Jahr gefördert. Prof. Dr. Thomas Ziegler vom Kölner Zoo und der dortigen Universität und Privatdozent Dr. Truong Quang Nguyen vom IEBR und der Vietnamesischen Akademie für Wissenschaft und Technologie leiten dieses internationale Kooperationsprojekt, dank dem wir wissen, dass es Tiere wie den WAZA-Baumfrosch – benannt nach dem Welt-Zoo- und Aquarienverband – und den nur in der touristisch bestens bekannten Halong-Bucht in Nordvietnam vorkommenden Cat-Ba-Tigergecko überhaupt gibt. Aber diese beiden Arten sind auch nur die Spitze des sprichwörtlichen Eisbergs, der allerdings in der Hitze Vietnams wortwörtlich schnell zu schmelzen droht.
One Plan Approach in der Anwendung
Der sogenannte One Plan Approach verbindet Maßnahmen ex situ, also außerhalb des natürlichen Lebensraums einer Art, mit Maßnahmen in situ, also im natürlichen Lebensraum einer Art. Hand in Hand konnten so im Zusammenspiel der verschiedensten Experten weltweit schon viele Arten gerettet werden. Arten zu retten ist auch eine Herzensangelegenheit des Zoologen Thomas Ziegler, der für das Aquarium des Kölner Zoos die Verantwortung trägt.
1997 revidierte er in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Wolfgang Böhme die Systematik der Warane anhand der Genitalmorphologie. Seinen Doktortitel erlangte er durch Untersuchungen zur Herpetofauna eines Tieflandfeuchtwald-Schutzgebietes im südlichen Nordvietnam im Jahr 2000. Insgesamt hat er über 440 Fachartikel veröffentlicht, die sich mit der Biodiversität der Herpetofauna, insbesondere Amphibien, Warane, Geckos, Schlangen und Krokodile, beschäftigen.
Durch die Zusammenarbeit mit seinem Kollegen Truong Quang Nguyen konnte die Erforschung und der Schutz der Tierwelt Vietnams ganz wesentlich vorangetrieben werden. Dabei werden Maßnahmen ex situ im Kölner Zoo und weiteren unterstützenden zoologischen Einrichtungen direkt mit Maßnahmen vor Ort verknüpft. Durch diese Kooperation kann viel mehr für die Erfassung und Erhaltung der Biodiversität erreicht werden als auf irgendeine andere Art und Weise.
15 neue Arten in zwei Jahren
Zwei neue Frosch-Spezies (Rhacophorus hoabinhensis, Limnonectes kiziriani), drei neue Bogenfingergecko-Arten (Cyrtodactylus gialaiensis, Cyrtodactylus sonlaensis, Cyrtodactylus taybacensis), eine neue Weichschildkröten-Art (Pelodiscus variegatus), acht neue Schlangenspezies in Vietnam (Achalinus emilyae, Achalinus juliani, Achalinus timi, Calamaria dominici, Lycodon namdongensis, Opisthotropis haihaensis, Opisthotropis voquyi, Parafimbrios vietnamensis), und eine neue Schlangenart in Laos (Lycodon banksi) wurden alleine in den letzten beiden Jahren entdeckt.
Erst in diesem Jahr wurde etwa Dominics Zwergnatter (Calamaria dominici) im Ta Dung Naturschutzgebiet im zentralen Hochland Vietnams entdeckt. Die gelbgefleckte, kleine Zwergnatter gehört zu den vielen außergewöhnlichen Entdeckungen des Teams, die, wie noch nie zuvor, einen Einblick in die vietnamesische Fauna ermöglichen.
Aber warum sind 15 neue Arten so wichtig? Im Zoo sieht man Flaggschiffarten von Ökosystemen, die man schützen muss. Ein Ökosystem ist ein hochkomplexes Uhrwerk, das auf viele Arten und Weisen ineinander greift. Je mehr man ein Ökosystem versteht, desto besser kann man es schützen. Dazu muss man natürlich sämtliche Mitglieder der Systeme kennen und wissen wie deren Zusammenspiel ist.
Vietnams Fauna und Flora entschlüsseln
Mit dem Entdecken einer Art aber ist es nicht getan. Es wird erforscht, wie weit die einzelnen Arten verbreitet sind und wie das Habitat gestaltet sein muss, damit die jeweilige Art auch überdauern kann. Dazu kommt die Frage, inwiefern Arten, die vor Jahrhunderten beschrieben wurden, heutigen Wissenschaftsstandards standhalten.
Ein Beispiel dafür ist die Chinesische Weichschildkröte (Pelodiscus sinensis), die ehemals als weit verbreitete, einzelne Art galt und die auch regelmäßig in der chinesischen Küche als Delikatesse anzutreffen ist. Eine aktuelle Studie im Rahmen des Projektes gemeinsam mit internationalen Schildkrötenexperten offenbarte in diesem Jahr, dass die Populationen aus Zentral- und Nordvietnam sowie aus Hainan offenbar eine eigene Art darstellen: Pelodiscus variegatus – die gefleckte Weichschildkröte. Diese muss wahrscheinlich direkt in der höchsten Bedrohungsstufe auf die Rote Liste gesetzt werden, denn keiner weiß derzeit, ob es überhaupt noch natürliche Vorkommen gibt. Auch hieran forscht aktuell das deutsch-vietnamesische Team.
Auf die Rote Liste der IUCN kommt eine Art nur nach intensiver Forschung zur Populationsgröße, zum Verbreitungsgebiet, zur Populationsentwicklung, zur Bedeutung für den Tierhandel und vieler anderer Parameter. Schutzstatus gibt es nur nach valider Forschung – ob nun im Dschungel oder durch Tierhandelsanalysen – auch dafür sorgt diese Kooperation zwischen dem Kölner Zoo und Vietnamesischen Wissenschaftlern. Denn nach der Diversitätsforschung kommt gleich die Erfassung der Habitatspezialisierung und Vorkommensdichte: denn Habitatspezialisten mit kleiner Populationsgröße und nur kleinräumiger Verbreitung haben das größte Aussterberisiko und demnach die besten Chancen auf verbesserte oder sogar erstmalige Unterschutzstellung.
Um all das abschätzen zu können, muss man die Fauna und Flora systematisch entschlüsseln. Dazu arbeitet man interdisziplinär und international zusammen. So konnte das deutsch-vietnamesische Team schon diverse Echsen- und Salamanderarten erstmals sowohl auf die Rote Liste der IUCN als auch auf das Washingtoner Artenschutzübereinkommen bringen. Und die Entdeckung einer Siamkrokodilpopulation durch das deutsch-vietnamesische Team in einer Provinz in Laos, wo diese Art schon als ausgerottet galt, hat sogar erst zur Schaffung eines Schutzgebietes geführt. Nur die wenigsten wissen, dass solche grundlegende Artenschutzarbeit auch von Zoos geleistet wird.
Zuchterfolge in Köln
Der erst 2005 im Rahmen des Programms entdeckte Vietnamesische Krokodilmolch (Tylototriton vietnamensis) wird aber nicht nur vor Ort erforscht und geschützt, sondern auch im Kölner Zoo erfolgreich vermehrt – dort gelang 2018 nämlich die Welterstzucht dieser bedrohten Art. So kann man durch den Auf- und Ausbau von ex situ Haltungen wichtige Reservepopulationen von in freier Wildbahn bedrohten Arten schaffen. Und nicht nur diese eine bedrohte Art pflanzt sich im Kölner Aquarium erfolgreich fort.
Im Kölner Zoo wird auch der Nordvietnamesische Warzenmolch (Paramesotriton deloustali), der viel putziger als sein Name vermuten lässt, vermehrt genauso wie die bedrohte Knochenkopfkröte (Ingerophrynus galeatus). Ebenso die erst 2016 zum ersten Mal vom Projekt beschriebene Vietnamesische Krokodilschwanzechse (Shinisaurus crocodilurus vietnamensis), deren wenige natürliche Vorkommen derzeit akut durch Habitatzerstörung, Kohleabbau und Absammeln für die Traditionelle Chinesische Medizin und den Tierhandel bedroht sind.
Nachdem die Vermehrung dieser Arten nun in Köln funktioniert, werden auch Tiere in andere zoologische Einrichtungen und die Knochenkopfkröte und den Vietnamesischen Krokodilmolch betreffend im Rahmen der Initiative Citizen Conservation von Frogs & Friends zu spezialisierten, privaten Züchter gegeben, die dann eine möglichst große und stabile Population ex situ aufbauen, von der aus anschließend ausgewählte Tiere wieder nach Vietnam zurückgeführt werden können. So zum Beispiel um vor Ort Erhaltungszuchtprogramme aufbauen zu können oder um die Wildpopulationen zu unterstützen, damit die Arten nicht aussterben.
Kooperation belegt die Wichtigkeit moderner Zoos
Zoos wie der in Köln belegen durch solche Projekte, warum sie so dringend gebraucht werden. Ohne die Kooperation würde man viele Arten nicht kennen und könnte sie vor allem nicht schützen. Sie hätten unbemerkt für immer verschwinden können, aber dank ihrer Entdeckung versteht man sie und ihre Ökosysteme besser und kann sie viel fundierter schützen. Zwar agiert das deutsch-vietnamesische Team hauptsächlich in Vietnam, aber man stelle sich einmal vor, wenn viele Zoos mit solchen regionalen Projekten zusammenkommen – dann könnte weltweit flächendeckend viel bewegt werden.
Heute sprechen viele über Klimaschutz und Wissenschaftler bestätigen, dass der beste Klimaschutz der ist, der Ökosysteme schützt und, wo immer es geht, wieder aufbaut. Arten kann man nicht isoliert schützen, sondern man schützt immer Habitate mit vielen Tier- und Pflanzenarten gleich mit. Was der Kölner Zoo durch diese Kooperation hinsichtlich Biodiversitätsforschung sowie Erforschung der Ökologie von Arten und Artengemeinschaften schon seit zwei Jahrzehnten macht, ist gelebter Klima- und Naturschutz und das Tag für Tag vierundzwanzig Stunden lang.
Das Projekt in Vietnam ist ja aber auch „nur“ eines von vielen im Kölner Aquarium. Unter der Leitung von Prof. Ziegler etwa gelang auch die europäischer Erstzucht des Philippinen-Krokodils (Crocodylus mindorensis), dessen Europäisches Erhaltungszuchtprogramm von Köln aus koordiniert wird. Diese Art gehört zu den am stärksten bedrohten Krokodilarten der Welt. Aber das ist eine andere Geschichte.
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Quellen
- ZIEGLER, T. & T. Q. NGUYEN (2019): Herpetological research and conservation in Vietnam and Laos in compliance with the one plan approach. – Proceedings of the 4th National Scientific Conference on Amphibians and Reptiles in Vietnam, Thanh Hoa, 30.8.2019, 17-26.
- Führung durch das Kölner Aquarium, 18.10.2019