Gorilladame Fatou im Zoo Berlin (2019) | Foto: Iwon Blum, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Deutschland: Was die Pläne der Bundesregierung für Zoos und Aquarien bedeuten würden

Exklusiv für zoos.media – 10.04.2021. Autor: Philipp J. Kroiß

Die Bundesregierung plant eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes – was ist dabei für Zoos und Aquarien vorgesehen?

Was die Pläne der Regierung für Zoos und Aquarien bedeuten würden

Blick in den Plenarsaal des deutschen Bundestags (2010) | Foto: Times (wikimedi commons user), Lizenz: CC BY-SA 1.0

Übereinstimmenden Medienberichten (z.B. Welt & Tagesspiegel) zufolge, sollen Zoos und Aquarien ab einer Inzidenz von über 100 künftig generell schließen. Das seien die Pläne der Bundesregierung. Man könnte begründet die Meinung vertreten, dass Zoologische Einrichtungen in dieser Pandemie schon genug gelitten hätten, obwohl sie nie etwas zum Infektionsgeschehen beigetragen haben – auch nicht als sie offen waren. Die Regierung sieht das aber wohl anders. Während also etwa in den USA immer mehr Zoos und Aquarien zu 100% öffnen dürfen, sollen sie in Deutschland auf quasi 0 gefahren werden, sobald in dem Landkreis der Inzidenzwert über 100 steigt.

Dies soll dann gesetzlich durch den Bund geregelt werden, wodurch die Länder entmachtet würden. Eigentlich ist nämlich, laut Grundgesetz (§30), die “Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben” Ländersache, “soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt”. Die Neufassung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) soll diese Ausübungsrechte in Bezug auf Regelungen im Zusammenhang der Coronakrise in die Hände des Bundes legen, der über das Gesetz hinausgehende Verordnung jederzeit zudem fassen dürfte. Damit entglitte den Ländern und dem Parlament nahezu vollständig die Kontrolle über eine Verordnungspolitik seitens der Bundesregierung.

Das alles trifft nur dann zu, wenn dieses Gesetzvorhaben der Regierung so durchginge. Wenn sich CDU und SPD diesbezüglich einig sind, kann das in wenigen Tagen durchgeboxt werden. Die Zukunft der Zoos und Aquarien dann: ungewiss. Wie eine Öffnung unter der Inzidenz von 100 dann aussieht? Unbekannt. Wer für den entstehenden, massiven Schaden, der durch das Gesetz angerichtet wird, aufkommt? Auch darauf wird aktuell nicht eingegangen. Woher also das Geld kommen soll, mit dem man die entstehenden Löcher stopfen muss, ist nach einem Jahr Pandemie noch immer nicht geregelt.

Die Inzidenz – ein fragwürdiger Wert

Blick von oben in den Plenarssaal des Bundestags. | Foto: Tim Tregenza, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Nun meldet sich bereits Widerstand: Soll ein Wert über das Schicksal so vieler Menschen alleinentscheidend sein? Das wollen auch viele Politiker nicht. Schon vergangenen Monat hatte die Deutsche Tierparkgesellschaft (DTG) eine Öffnung der Zoologischen Einrichtungen losgelöst vom Inzidenzwert gefordert. Das war eine sinnvolle und richtige Forderung, auch weil es unlogisch ist, eine Inzidenzwertgrenze für Einrichtungen zu setzen, die an diesem Inzidenzwert gar nichts ändern können, weil nie ein Einfluss von Zoos und Aquarien auf den Inzidenzwert gemessen, geschweige denn nachgewiesen wurde.

Dazu muss man wissen, dass in Deutschland eigentlich kein definitionsgemäßer Inzidenzwert ermittelt wird, der eine Erkrankungshäufigkeit angeben würde, sondern nur ein Meldeinzidenzwert, der einzig und allein positive Testergebnisse widergibt. Dieser Meldeinzidenzwert wird maßgeblich von den Testzahlen beeinflusst. Das argumentiert ja auch aktuell die Politik: die Zahlen würden aktuell ja nur sinken, weil über Ostern weniger getestet worden sei. Das funktioniert aber eben auch andersherum: die Inzidenz steigt, wenn mehr getestet wird. So kann man mit hohen Testzahlen den Inzidenzwert dauerhaft über 100 halten, sofern man das will – auch wenn kaum Virus vorhanden ist.

Woran liegt das? Bei niedriger Prävalenz werden Schnell- und PCR-Tests ungenau. Darauf hat die WHO, in Bezug auf die PCR-Tests, bereits im Januar 2021 hingewiesen: “Mit abnehmender Prävalenz steigt das Risiko falsch positiver Ergebnisse.” Prävalenz bedeutet dabei die Rate der zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem bestimmten Zeitabschnitt an einer bestimmten Krankheit Erkrankten. Die aktuelle Teststrategie konzentriert sich sehr auf asymptomatische Personen, die eben nicht erkrankt sind. Das bedeutet, jeder, der ohne Symptome getestet wird, senkt die Prävalenz und erhöht so das Risiko falsch positiver Ergebnisse in der Gruppe der Getesteten. Wer also nur genug testet, hat die Wahrscheinlichkeitsrechnung auf seiner Seite und kann so die Meldeinzidenz bestimmen, weil es selbst ohne Virus ein “positives Grundrauschen” der Tests gibt.

Zoos und Aquarien kann man sicher öffnen

An dieser Stelle ist sehr wichtig festzustellen: Zoos und Aquarien haben in geöffnetem Zustand nie einen messbaren Beitrag zum Infektionsgeschehen geleistet und genau so wenig hat es ihre Schließung getan. Auf der ganzen Welt hat sich hinlänglich gezeigt, dass man die Zoologischen Gärten sicher öffnen kann.

Trichoglossus haematodus im San Antonio Zoo, Texas, USA (2011) | Foto: Stuart Seeger, Lizenz: CC BY 2.0

Das hat man in Deutschland gesehen und im internationalen Vergleich. Texas übrigens hatte mit 2,8 Millionen Fällen bisher ähnlich viele Fälle wie Deutschland. Hier wurde vor wenigen Wochen der Lockdown aufgehoben, das Tragen von Masken in die Eigenverantwortung übergeben und es herrscht weder eine Testpflicht, noch eine Impfpflicht, wobei Corona-Impfpässe sogar bereits verboten wurden. Das Sinken der Fallzahlen und der Todeszahlen wurde durch die Öffnung nicht aufgehalten. Texas hat jetzt so wenige aktive Fälle wie seit Juli letzten Jahres nicht mehr. In Florida hat man bereits vor Beginn der “zweiten Welle” den Lockdown und die Maskenpflicht beendet und dann eine für die USA unterdurchschnittliche “zweite Welle” erlebt, was Fall-, Todes- und Hospitalisationszahlen anbelangt, und ist damit besser durch die zweite Welle gekommen als etwa Lockdown-Staaten wie Kalifornien, weshalb andere US-Staaten, wie zum Beispiel Texas, nun auf diese Strategie umgeschwenkt sind und weitestgehend auf Eigenverantwortung setzen.

Eine Zoo-Öffnung ist nichts weiter als das Eröffnen einer Option – keiner wird gezwungen in ein Zoo oder Aquarium zu gehen und wem es zu unsicher ist, der kann weiterhin nicht hingehen. An dem Infektionsgeschehen ändert es aber, nach allen Daten, die aktuell zur Verfügung stehen, nachweislich nichts, also gibt es auch keine gesamtgesellschaftlichen Folgen, die durch solche Öffnungen entstünden. Nun liegt es also vor allem an den Zooverbänden gegenüber der Politik klar zu machen, wie die Faktenlage ist. Das wird das Schicksal der Zoos und Aquarien in den nächsten Monaten, wenn nicht sogar Jahren entscheiden. Es kommen also anscheinend sehr entscheidende und weichenstellende Tage auf die Zoowelt zu.

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