Elefanten im Zoo Dresden | Foto: Kolossos, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Realverfilmung von Dumbo: Gefährliche Message gegen Artenschutz

Exklusiv für zoos.media – 01.04.2019. Autor: Philipp J. Kroiß

Die Realverfilmung der Zeichentrick-Fabel Dumbo geht gefährlich an der Realität vorbei und erweist Elefanten und deren Schutz einen wahren Bärendienst.

Realverfilmung von Dumbo: Gefährliche Message gegen Artenschutz

Dumbo ist eine harmlose Fabel. Es geht um eine positive Message an Wunder, aber vor allem an sich selbst zu glauben: aufgrund seiner großen Ohren gemobbt, werden genau diese Ohren zu seiner außergewöhnlichen Stärke, wenn der kleine Elefant daran glaubt. All das wird im Disney-Film von 1941 [Original-Trailer hier zu sehen] gezeigt – ein Film, der in die Zeit passt: Freundschaft und Nächstenliebe triumphieren über traurige Umstände. Es passt zu den damaligen USA, die gerade ein Japan auf Kriegskurs gegen sich sieht. Nur Tage zuvor war der vorherige Premierminister zurückgetreten und sein Nachfolger, der bisherige Heeresminister Tōjō Hideki, hielt eine militärische Konfrontation mit den Staaten für unausweichlich.

Auch für Dumbo waren es dunkle Zeiten, die er aber überwand – mit der Hilfe von Nächstenliebe und der Entdeckung des Glaubens an sich selbst. Der kleine Elefant konnte plötzlich fliegen und begeisterte die USA – auch medial. Von den Titelseiten verdrängt wurde der onipräsente, fliegende Zeichentrickelefant schließlich erst durch den Angriff der Japaner auf Pearl Harbor. Statt, wie geplant, Dumbo war dann Douglas MacArthur auf dem Time-Cover mit dem legendären Zitat: “By God, it was Destiny that brought me here.”

Die crew der Consolidated Liberator Mark II, AL511 ‘A’, vom No. 108 Squadron RAF vor ihrem Flugzeug mit Jumbo-Motiv in Äqypten | Foto: Beaton Cecil, Lizenz: public domain

Trotzdem wurde Dumbo gewürdigt, aber in anderen Worten:

In beleaguered Europe, in blood-stained Russia, on the tank-tracked Libyan desert, above & below the earth’s seas, Santa Claus was getting short shrift. Even in the U.S., his last, best hope on earth, Adolf Hitler and his hissing Japanese friends had tried to thwart him. But their attack came too late to destroy all the fruits of a U.S. Christmas. Now, more than ever, Americans were thankful for what they were about to receive. They were thankful, too, for Dumbo.
[Übersetzung: Im belagerten Europa, im blutbefleckten Russland, in der libyschen Wüste mit Panzern, oberhalb und unterhalb der Weltmeere, machte der Weihnachtsmann kurzen Prozess. Selbst in den USA, seiner letzten, besten Hoffnung auf Erden, hatten Adolf Hitler und seine zischenden japanischen Freunde versucht, ihm in die Quere zu kommen. Ihr Angriff kam jedoch zu spät, um alle Früchte eines US-Weihnachtsfestes zu zerstören. Die Amerikaner waren mehr denn je dankbar für das, was sie im Begriff waren zu empfangen. Sie waren auch dankbar für Dumbo.]

Das zeigt welche unbeschreibliche Kraft dieser Film in seiner Zeit hatte – etwas, das man heute kaum mehr nachvollziehen kann, weil die Zeit der Weltkriege zum Glück der Vergangenheit angehört. Welche Kraft diese Fabel ausstrahlte sah man auch daran, dass Soldaten der Royal Air Force den hoffnungsbringenden Elefanten auf ihr Flugzeug malten. Das Flugzeug vom Foto samt Crew kehrte allerdings von einem Einsatz in Italien im Jahre 1942 leider nie zurück. Das USAF 320th Air Refueling Squadron wählte sich Dumbo Jahre später sogar als Wappentier. 

Der “echte Dumbo”

Elefant Jumbo in einer Transportbox nach wochenlangem Training | Fotograf: unbekannt, Lizenz: public domain

Der echte Dumbo hieß Jumbo und trug im Londoner Zoo über eine Millionen Kinder auf seinem Rücken – darunter war auch Winston Churchill, der Großbritannien durch den zweiten Weltkrieg führte. Jumbo war der vierte Elefant, der seit dem Mittelalter in Europa schriftlich belegt war. Nach seiner Geschlechtsreife veränderte die Musth allerdings regelmäßig sein Wesen – sogar so schlimm, dass die Direktion ihn notfalls erschießen wollte, weil sie damit – aufgrund eines im Prinzip nicht vorhandenen Forschungsstandes – nicht umgehen konnte. Es war Phineas Taylor Barnum, dessen Leben Hollywood in dem Kino-Musical “The Greatest Showman” verarbeitete, der dem Londoner Zoo ein Angebot machte, was dieser nicht ablehnen konnte. Für 10.000$, was damals, im Jahre 1882, eine schier unvorstellbar hohe Summe war, wechselte der Elefant den Besitzer.

Den Londoner gefiel das gar nicht, dass ihr “Liebling der Nation” nun in die Staaten ging und strengten sogar einen Prozess an, der aber erfolglos blieb: der Zirkuspionier nahm den Elefanten mit nach Amerika. Eine Blaskapelle empfing beide und geleiteten Jumbo den Broadway hinauf zum Madison Square Garden. Kunststücke konnte der echte Dumbo nicht – Fliegen schon gar nicht. Die Transportkosten waren riesig – und das für ein Tier, das man letztendlich nur zeigen konnte und das manchmal Kinder als Reiter zuließ. Trotzdem erwirtschaftete Barnum einen Gewinn von einer halben Millionen Dollar innerhalb von drei Jahren.

Ein Weichenfehler bei einem Transport kostete dem Elefanten und dem Unfall-Lokomotivführer schließlich das Leben. Jumbos Skelett ging an das American Museum of Natural History, wo der “Lord of Beasts” ausgestellt wurde. Der Elefant ging in die Geschichte ein als “giant pet of two nations” und gilt als der Elefant schlechthin. Sein Name steht bis heute für außerordentliche Größe gepaart mit großer Sympathie. Der Schriftsteller Walter Höllerer befand 1979, die USA hätten mit Jumbo “endlich ein Lebewesen groß genug für dieses Land” gefunden. Die Disney-Fabel, die 1941 in die Kinos kam, bezieht sich allerdings nur auf das Tier ohne seine Geschichte zu erzählen.

Tim Burton versteht Dumbo nicht …

Dumbo bei einer Parade im Hong Kong Disneyland (2011) | Foto: T1NH0, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Vor dem geschichtlichen Hintergrund eine Neuverfilmung zu machen ist im besten Falle ungeschickt und im schlechtesten Falle zeugt es von Unverständnis der Fabel und warum sie so wichtig war für die USA in der damaligen Zeit. Auch Burton erzählt in seiner Inszenierung nicht die Geschichte des echten Dumbos und verfremdet die Fabel des fliegenden Zirkuselefanten zu einer Art billigem CGI-“Free Willy”. PETA hatte das vorher gefordert und Burton setzte das auch um. Der Regisseur selbst bestand auch darauf, dass die Wildtiere im Zirkus per CGI in den Film kämen, aber mit echten trainierten Pferden und Hunden hatte er kein Problem. Er ließ allerdings deren Behandlung am Set nicht von American Humane überprüfen, die das Zertifikat “No Animals Were Harmed” vergeben – zumindest erscheint der Film aktuell nicht auf der Liste.

PETA ist das egal – man zeigt sich erfreut. Das Ende des Films badet in Kitsch, aber es ist natürlich völlig realitätsfremd, wenn der junge Elefant in eine intakte Natur zurückkehrt, die es bereits damals nicht mehr gab. Die Moral von dieser Geschichte ist nun nicht mehr, dass man an sich selbst glauben soll und Nächstenliebe zusammen mit Freundschaft einen jede Krise überstehen lässt. Kinder sollen nun lernen, so sieht es zumindest Hauptdarsteller Colin Farrell, der anscheinend kein Problem damit hatte für “Alexander” mit über 20 Elefanten am Set zu arbeiten, dass man Dinge, die man liebt, gehen lassen können müsse, wenn es etwas Gutem diene. Das Ende, bei dem Dumbo und seine Mutter an einem idyllischen Wasserloch ankommen, ist eine gefährliche Verdrehung der Tatsachen.

Der Burton-Dumbo kommt in einer Zeit zurück nach Afrika, wo der Kontinent von Idylle – aus der Sicht wilder Elefanten – bereits ganz weit entfernt ist. Ein Elefanten Massensterben hätte den kleinen erwartet. Seit dem 14. Jahrhundert wird Elfenbein bereits exportiert. Elfenbeinhändler hatten vor rund tausend Jahren die Elefantenpopulation in Nordafrika ausgerottet. Die meisten Tiere in Südafrika waren auch im 19. Jahrhundert verschwunden und im 20. Jahrhundert folgte dann das Massentöten im Westen. Was Dumbo also erwarten hätte, wäre kein idyllisches Wasserloch, sondern der Tod. PETA ist auch das egal – Burton soll nun sogar einen Preis bekommen, einen Preis für diesen Bärendienst am Artenschutz.

Gefährliche Message

Afrikanische Elefanten in der Installation Kilimanjaro Safaris – eine Attraktion von Disney’s Animal Kingdom | Foto: Theme Park Tourist, Lizenz: CC BY 2.0

Burton gaukelt den Zuschauern des Film also eine Idylle für Elefanten vor, die es schlicht nicht gab. Das wird gewürzt mit einer Message gegen die Haltung der Tiere in Menschenobhut. Man verkennt offenbar bei Disney aktuell völlig die Situation der Elefanten. Das komplett Unverständliche daran: Disney selbst hält ja Elefanten. Im Disney’s Animal Kingdom Park kann man Afrikanische Elefanten bewundern und man nutzt die Tiere als Botschafter für ihre Art. Das ist gut und das ist richtig, denn man macht sich stark für den Schutz dieser Tiere. In einem Film nun so eine realitätsfremde Idylle vorzugaukeln und so letztendlich zu behaupten, dass die Natur der beste Ort für Elefanten wäre, ist ein Messerstich in den Rücken der Artenschützer, die wissenschaftlich fundierte Zahlen liefern, dass für die Tiere das Leben in der angeblich so freien Natur der brutale Kampf ums Überleben bedeutet, den sie gerade im Begriff sind zu verlieren.

Wenn es so weiter geht, werden wir bald keine Elefanten mehr haben. In Afrika haben die Tiere ohnehin nur noch in eingezäunten und geschützten Gebieten eine Überlebenschance. Dort vermehren sie sich auch gut – sogar manchmal zu gut. Die Finanzierung solcher Gebiete ist nur aufgrund der Präsenz der Elefanten in Europa und den USA möglich, denn daher kommt das Geld von Menschen, die die Botschafter dieser Art live kennen gelernt haben. Jumbo, also der echte Dumbo, war einer der ersten Botschafter. Natürlich geschah dessen Haltung nicht nach heutigen Standards, weil man es damals einfach nicht besser wusste, aber dieses “giant pet of two nations” hat dem Schutz der Elefanten in der westlichen Welt und vielen Maßnahmen ex situ, sowie in situ, den Weg geebnet.

Der Ringling Bros. and Barnum & Bailey Circus unterhielt jahrzehntelang das Center for Elephant Conservation (CEC). Heute ist es für die Öffentlichkeit geschlossen – dank Menschen, die aus den Tieren Geld machen wollten: Tierrechtler hatten zur Selbstprofilierung und zur Spendebettelei, den Zirkus, der das Artenschutz-Zentrum finanziert, über jahrelange Schmierenkampagnen in den Ruin getrieben. Das Thema des Missbrauchs von Elefanten aus Geldgier wird auch im Film aufgegriffen und das repräsentiert es das Böse. Der Regisseur Burton aber ließ sich anscheinend von Tierrechtlern das Ende seines Films diktieren. So wurde aus einer grandiosen Disney-Fabel mit einer mutmachenden Lehre ein billiges Live-Action-Machwerk, das nach einem schwachen Start nun auf eine Bruchlandung auf dem harten Boden der Realität an den Kinokassen zusteuert. Schon jetzt war es der schlechteste Start eine Live-Action-Remakes aus dem Hause Disney.

Auf vielen Ebenen geht die Realverfilmung des Stoffes an der Realität vorbei und das auch, weil wohl weder die aktuellen Chefs von Disney, noch Regisseur Burton die Thematik um diese geniale Zeichentrick-Fabel wirklich verstanden haben oder nicht verstehen wollten. Es bleibt nur zu hoffen, dass man daraus lernt und versteht, warum der Film am letzten Wochenende hinter den Erwartungen zurückblieb – auf Social Media zeigten sich viele enttäuscht über die toxische Aussage des Films:

Sowohl in Bezug auf die Umsetzung und Verständnis des ursprünglichen Stoffes ist die Burton-Realverfilmung ein überflüssiger Reinfall für den man sein Geld an der Kinokasse sparen kann, als auch aufgrund seiner komplett falschen Aussagen zur Situation von Elefanten, kann man sich den Besuch der Neuinterpretation sparen. Disney, oder besser gesagt die Artenschutz-Abteilung des Konzerns, ist zu wünschen, dass die Burton-Vision ihnen nicht zu sehr schadet und die Zoologen gemeinsam mit den Artenschützern ihre gute und wichtige Arbeit fortsetzen können. Die Millionen, die dieser überflüssige CGI-Streifen verschwendet hat, hätte der Konzern besser in den Schutz der Tiere investiert als für so wertloses Pseudo-Moralin aus Hollywood.

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