Kammbuntbarsch Rupert im Aquazoo Löbbecke Museum Düsseldorf | Foto: zoos.media

Wenn der „Robin Hood der Meere“ mal voll danebenschießt

Exklusiv für zoos.media – 06.05.2021. Autor: Philipp J. Kroiß

In der Talkshow 3 nach 9 hat Robert Marc Lehmann völlig unhaltbare und spektakulär falsche Behauptungen über Zoos und Aquarien aufgestellt. Dieser Artikel überprüft, ob die Thesen einer Überprüfung, die es leider in der Sendung nicht gab, standhalten.

Wenn der „Robin Hood der Meere“ mal voll danebenschießt

Online kann sich jeder inszenieren wie er will und so kann man sich eben auch so zeigen wie Robert Marc Lehmann: stylische Webpage, die vor allem eines zu zeigen scheint, nämlich für was einen coolen Typen man sich hält. Das renommierte Fachmagazin Lübecker Nachrichten hat ihn “Robin Hood der Meere” genannt als er Kinder unterrichtet hat – das klingt halt epischer als, dass er einen Termin wahrgenommen hat, für den ihn jeder, laut seiner Webseite, einfach buchen kann.

Kundenstamm in der Tierrechtsindustrie

Schaut man sich Robert Marc Lehmanns Werdegang so an, sieht man vor allem, dass es im Aquarien-Bereich nicht so wirklich geklappt hat. So behauptet er als Abteilungsleiter von Ozeaneum Stralsund “[a]bertausende Fische und andere Meerestiere” gefangen zu haben. Dann habe er Zweifel bekommen und dort aufgehört. Wenn man so hört, was er in der Sendung 3nach9 vom Stapel lässt, kann man einen Eindruck bekommen, warum er heute nicht mehr in dem Bereich arbeitet. Seine Aussagen legen schlicht eine mangelhafte Qualifizierung nahe.

Es sei “wissenschaftlich belegt” und es gäbe Studien dazu, dass “Kinder dümmer aus einem Aquarium oder Zoo herausgehen, als sie vorher hineingegangen sind.” Danach nimmt er Haie als Beispiel. Für jemanden, der sich selbst als “Tierforscher” inszeniert, ist diese Aussage bemerkenswert falsch. Das Gegenteil ist wissenschaftlich belegt und zwar sowohl für Zoos als auch für Aquarien:

Zoo-Edukation funktioniert!

Edukation: Zoos können das Verhalten ihrer Besucher ändern

Auch in seinem Hai-Beispiel scheitert er einfach an der Wissenschaft:

Die Öffentlichkeit fürchtet sich vor Haien weniger, wenn sie ihr Verhalten verstehen

Männlicher Walhai in der Installation Ocean Voyager des Georgia Aquarium, Atlanta, GA | Foto: Zac Wolf, Lizenz: CC BY-SA 2.5

Aquarien leisten einen wissenschaftlich belegten, nachweisbaren Beitrag dafür, dass sich Kinder eben für diese Tiere interessieren. Vielleicht mag, was er den Kindern vorwirft, mehr über ihn aussagen als über diese Kinder. So etwas aber als wissenschaftlich belegt zu bezeichnen, ist abenteuerlich, aber gut: Robert Marc Lehmann ist ja auch ein waschechter Abenteurer, was er nicht müde wird zu betonen.

Allerdings auch der coolste und robinhoodigste Abenteurer auf diesem Planeten muss Geld verdienen und wenn man sich Lehmanns Kunden so anschaut, kann man diese These vertreten, dass dieser Auftritt vor allem eines ist: Kundenpflege. Auf der Liste seiner Medien-Referenzen liefern sich die Zoogegner ein Stelldichein. Die nicht seriös arbeitende Fondation Franz Weber oder die mit Lügen beständig vor Gericht scheiternde Free Morgan Foundation sind hier nur zwei sehr prägnante Beispiele.

Wer unter anderem von solchen Auftraggebern lebt, bei dem ist es nicht abwegig, dass man, um solche Kunden weiter zu bekommen, auch mal realitätsfremde Aussagen in Talkshows bringt. Wer so kolossal falsche Aussagen tätigt ohne rot zu werden, hat auch zweifelsohne ein Talent für eine Karriere in der Tierrechtsindustrie. Denn genau in dem Bereich ist nichts anderes eine Basisqualifikation für beruflichen Erfolg.

Klassischer Populismus

Interesse ungebrochen – die Delfinlagune im Loro Parque | Foto: zoos.media

Allerdings: wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Die Tierrechtsindustrie verfolgt daher die Logik, dass man immer weiter lügen muss und dann würde es schon mit der Glaubwürdigkeit klappen. So empfiehlt sich Lehmann für solcherlei Kunden weiter. Jetzt kommt nämlich ein klassischer rhetorischer Winkelzug: die Übertreibung der Gegenthese, um deren Nichteintreffen dann als Beleg für die eigene zu nehmen.

Lehmann erwartet, dass Kinder oder auch Erwachsene aus einer Zoologischen Institution herausgehen und explizit sagen, dass sie sich ab dann sofort für den Naturschutz einsetzen würden. Das ist ungefähr so, als würde man erwarten, dass jeder den Musikunterricht verlassen und laut in die Welt schallen müsste: “Ich werde jetzt Musiker!” Passiert das? Nein. In Lehmanns Argumentationskonzept müssten Schüler das aber, um Musikunterricht langfristig zu legitimieren. Nicht jeder geht aus dem Sportunterricht und wird Sportler: Skandal! Beendet das!

Was Lehmann dabei geschickt und wahrscheinlich nicht unbewusst verschweigt ist: schon durch den Besuch tun die Leute etwas für den Natur- und Artenschutz, weil unter anderem der Eintritt die Zoos und Aquarien in die Lage versetzt, wichtige Projekte umzusetzen, die dem Natur- und Artenschutz zugutekommen. Viele Besucher zahlen in immer mehr modernen Zoos einen Artenschutz-Euro, nutzen die Spendenmöglichkeiten im Zoo oder werden Fördermitglieder, und von all dem fließt dann auch Geld in den Schutz der Tiere in der Natur. Es muss also keiner dort die ultimative Erleuchtung erleben, es ist gewiss schon viel erreicht, wenn die Leute motiviert werden, Artenschutz in ihren Alltag zu integrieren.

Zoos und Aquarien seien für Lehmann auch nur “Ausstellungsszenarien” – was er dabei ignoriert, sind über 50 Arten, die bereits durch Zoos vor dem Aussterben gerettet werden konnten und von deren Schutz auch ungezählte weitere Arten indirekt profitieren, sowie unzählige Arten, um deren Überleben Zoos und Aquarien aktuell jeden Tag kämpfen. Beispielhaft grast er dann noch die klassischen Beispiele ab: Eisbären und Menschenaffen. Seine Beschäftigung mit diesen Tieren im Zoo ist so oberflächlich, dass es schon bemerkenswert ist.

Polar Bears International, echte Eisbärenschützer, die jetzt nicht in Talkshows posen, rumknipsen oder sich von Medien großartig beweihräuchern lassen, sondern etwas für Eisbären bewegen, arbeiten explizit und gerne mit modernen Zoos und Aquarien zusammen, weil sie genau wissen, was diese Einrichtungen bewegen können. Hier ein Beispiel von vielen:

Erlebnis-Zoo Hannover: Polar Bears International in Yukon Bay

Schauen wir auf die Menschenaffen: ein sehr klassisches Beispiel sind die Gorilla Doctors, die enorm von der Haltung der Tiere in Zoos profitieren, weil die Erfahrungen aus den Zoos ihnen helfen, wilde Gorillas in der Natur zu retten. Ohne Zoos, wäre so ein Projekt nicht in dieser Form möglich. Andere Gorillaschützer danken öffentlich dem Dallas Zoo:

Gorilla-Schützer danken dem Dallas Zoo

Der Chester Zoo hat eine wichtige Lösung für verinselte Orang-Utan-Populationen entwickeln können:

Chester Zoo hilft den wilden Orang-Utans mit Seilen

Das sind ja nur wenige Beispiele, in denen Zoos und Aquarien einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der Tiere leisten konnten – und zwar nicht nur ex situ, sondern eben auch in situ in Kooperation mit seriösen Artenschützern, die auch genau diese Form der Hilfe zu schätzen wissen. Die Meinungen dieser echten Natur- und Artenschützer interessieren Lehmann aber einfach nicht – es würde sich ja auch nicht so gut machen, der Expertise dieser Menschen einen Raum zu geben, wenn man in Zukunft noch Aufträge aus der Tierrechtsindustrie bekommen will.

Tritt ins Gesicht für Artenschützer

Sentani-Regenbogenfisch im Aquarium des Kölner Zoos | Foto: zoos.media

Robert Marc Lehmann hat also einen Auftritt, der sich für ihn vermutlich rechnen wird, weil der Applaus aus der für ihn lukrativen Richtung sicher kommt, aber es hat eben mit der Realität nichts zu tun: nichts mit der Realität der Tiere im Zoo, nichts mit der Realität der Tiere außerhalb der Zoos, nichts mit der Realität von echten Artenschützern. Wenn er also da in einem wohlklimatisierten Studio sitzt, professionell gestylt und in einem gemütlichen Sessel, sind überheblich wirkende Behauptungen wie, das sei ja alles “nicht mehr zeitgemäß”, ein Tritt ins Gesicht für Artenschützer, die in der Natur gerade ums nackte Überleben ihrer Schützlinge kämpfen.

Was er hier zeigt ist im Sinne des Erhalts der Biodiversität verantwortungslos und zudem eine Form der massiven Respektlosigkeit gegenüber Menschen, die Arten retten und nicht nur knipsen. Er kann ja der Meinung sein, dass Zoos und Aquarien nicht in seine Welt passen, aber, wer dann behauptet, dass die Rettung von Arten, denen ohne Hilfe nur noch wenig Zeit auf der Erde bleibt, nicht mehr zeitgemäß wäre, muss sich auch vorwerfen lassen, den Bezug zur Realität im Natur- und Artenschutz vollends verloren zu haben. So wie er hier tut, ist es nämlich einfach nicht.

Viele Arten brauchen einen One Plan Approach, um noch zu retten zu sein. Der inkludiert aber eben Schutzmaßnahmen im Lebensraum und außerhalb dessen. Gerade im Bereich der Haie gab es wesentliche Fortschritte im Bereich des Schutzes – dank der Aquarienhaltung! Immer mehr Haiarten, auch die pelagischen, lassen sich in Menschenobhut züchten. Ein aktuelles Beispiel ist die gefleckte Meersau – eine bedrohte Haiart mit einem nicht schmeichelhaften Namen, aber man hat sie jahrelang nicht halten können und jetzt geht es.

Nun wird man sehen, ob man sie gut züchten kann und sie dadurch, auch durch Schaffung stabiler Reservepopulationen in menschlicher Obhut, die überdies eine wichtige Botschafterfunktion für ihre in der Natur lebenden Artgenossen haben, natürlich nochmal viel besser schützt. Ein weiteres Beispiel sind der Atlantische Braunhai, der unter anderem im Loro Parque schon mehrfach erfolgreich zur Fortpflanzung schritt, oder die gefleckte Weichschildkröte: ohne Zoos wüsste man weder, dass es sie gibt, noch könnte man jetzt aktiv mit einem One Plan Approach gegen ihr Aussterben kämpfen:

Die Weichschildkröten und das Aussterben

Was Lehmann hier so betreibt, ist eine Leugnung von maßgeblichen Erfolgen, die ohne ihn, aber eben nicht ohne Zoos und Aquarien möglich geworden sind. Wer sich also schon als Tierforscher inszeniert, sollte nicht offensichtliche Fakten leugnen, nur weil er Zoologische Institutionen anscheinend so hasst, dass ihm dann auch die Realität egal zu sein scheint. So war sein Auftritt zwar für sein Business vielleicht gut, aber wohl eher nicht für seine Kredibilität und schon gar nicht für die Tiere als dessen Schützer er sich so gerne inszeniert.

Kollegen wählen anderen Ansatz

Lehmann rühmt sich gerne mit seiner Auszeichnung “Fotograf des Jahres” durch National Geographic. Die National Geographic Photo Ark, die Tierarten dokumentiert, wäre nicht möglich ohne Zoos und Aquarien. Der renommierte Fotograf Joel Sartore reist um die Welt, um Tiere vor die Linse zu bekommen und dabei auch in Zoologische Institutionen, weil bestimmte Arten eben auch nur dort so dokumentiert werden können, wie er es sehr erfolgreich tut. Auch er kooperiert mit den Top-Zoos und weiß sehr gut, wovon er spricht:

Joel Sartore über gute Zoos

Der Naturfotograf Norbert Rosing sieht es – besonders in Bezug auf Eisbären – sehr anders als Lehmann:

“Die Zootiere machen einen richtig guten Job”

Man sieht also, es gibt viele seriöse Naturfotografen, die sehr wohl anerkennen, was Lehmann ignoriert: die unbestreitbare Bedeutung moderner Zoos und Aquarien für Bildung und Forschung sowie Natur- und Artenschutz.

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