Schwertwal | Foto: Caitriana Nicholson, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Russland: Sind die Orcas & Belugas wirklich in der Natur?

Exklusiv für zoos.media – 02.01.2020. Autor: Philipp J. Kroiß

Laut einem Blog liegen dem Autor Mails vor, die Zweifel daran aufkeimen lassen, dass die Orcas und Belugas aus dem “Whale Jail” wirklich in die Natur kamen.

Russland: Sind die Orcas & Belugas wirklich in der Natur?

Im vergangenen Jahr war der Aufschrei groß als das “Walgefängnis” bzw. das “Whale Jail” durch die Medien geisterte und dann die Freude fast auch so groß als sie “freigelassen” wurden – das bekamen die meisten Leute zumindest  davon mit. Dass es keine wirkliche Auswilderung war, darüber berichtete so gut wie keiner. Es fand keine kritische Auseinandersetzung auch nur ansatzweise statt, denn die Medien wollten wohl glauben, was die mehr oder weniger beteiligten NGOs so verlauten ließen. Selbst in eher Russland-kritischen Medien fand man nun genau das, was man wohl vom Kreml nach außen kommunizieren wollte: Tierschützer Putin sorgt persönlich für die Befreiung der Wale.

Die Welt etwa betitelte ein YouTube-Video mit den Worten: “PUTIN SEI DANK: Erste Tiere aus “Wal-Gefängnis” auf dem Weg in Freiheit“. Der BR beschriebt die Situation mit den Worten: “Nach Einsatz des russischen Präsidenten Wladimir Putin befinden sich die ersten der im Osten Russlands im sogenannten “Wal-Gefängnis” lebenden Orcas und Belugas auf dem Weg in die Freiheit.” Im ZDF wurde jubiliert: “Kremlchef Putin setzte sich für die Tiere ein. Jetzt sind alle Wale frei.” Kritischer Journalismus? Fehlanzeige. Die versammelte Journaille zeigte eindrucksvoll, dass man mit der Kommunikation von Narrativen über die “richtigen” NGOs anscheinend jede kritische Nachfrage in den deutschen Leitmedien einfach ausknipsen kann. Dass sich die ein oder andere Nachforschung vielleicht doch gelohnt hätte, zeigen jetzt Mails, die jemandem vorliegen, der genau das getan hat, was eigentlich der Job der sich im Jubel vergessenen deutschen Leitmedien gewesen wäre.

Korrespondenz lässt Zweifel aufkeimen

Dem Blog “Themed Reality” liegt  eine Korrespondenz zwischen Trainern und dem russischen Forschungsinstitut für Fischerei und Ozeanographie (VNIRO) vor. Die Rede ist bei der Unterhaltung der Trainer davon, die Tiere nach ein bisschen Medienzirkus rund um die Freilassung unbemerkt wieder einzufangen. Man wäre mit Netzen weiter nördlich und würde die Tiere einfach mit Fisch anlocken und an einer “Site B” werde ohnehin schon gearbeitet. Das kann man nun vielleicht als Witzelei abtun, aber es gibt wohl auch noch eine Mail an das VNIRO mit der Frage, ob man denn anhand von Fotos der Tiere im “Gefängnis” in der Natur solche finden könnte, die ähnlich aussehen. Diese sollten dann offensichtlich quasi als Beleg für die Auswilderung der “freigelassenen” Tiere dienen, obwohl sie es ja nicht waren. In einer Antwort wurde die Möglichkeit bejaht.

Das lässt Zweifel aufkommen. Belege, dass es tatsächlich so passiert ist, gibt es nicht – das stellt auch “Themed Reality” klar. Es lässt aber eben Zweifel aufkommen, die ja nicht abwegig sind, wenn man den Ablauf der Auswilderung genauer beobachtet. So wurden zwar die Fänger der rund 100 Tiere verurteilt dafür, dass sie die Tiere illegal gefangen hätten und mussten eine hohe Geldstrafe zahlen, aber diese Strafe deckt sich dann doch erstaunlich gut mit dem Geld, was VNIRO bezahlt, als sie diese Tiere den Besitzern abkaufte. Kirill Kolonchin, der Direktor der VNIRO hatte ja ohnehin auf einer Pressekonferenz deutlich gemacht, dass diese “Freilassung” mehr politisch als wissenschaftlich oder nützlich gewesen wäre.

Orcas fangen in Russland

Ganz unabhängig davon, was nun mit den Tieren tatsächlich passiert ist, sieht man, dass es offenbar ein Netzwerk gibt, dass viel Kreativität dazu aufbringt, Orcas zu fangen. Aber warum? Könnte man in Russland für den Fang vielleicht sogar gute Gründe haben? Ob die Gründe gut sind, mag jeder selbst beurteilen, aber es gibt hier tatsächlich Gründe. Orcas sind nicht bedroht, weder werden sie in Russland in ihrer Gesamtheit als bedroht gelistet, noch von der IUCN. Baikalrobben eigentlich auch, aber nach dem Massensterben 2017, dessen Auswirkungen noch nicht evaluiert wurden, ist die Art massiv geschwächt worden. Ebenso gibt es dort einen Konflikt mit den Fischern. Das russische Recht erlaubt dann einen Abschuss der Tiere.

Die Population also durch Fang zu limitieren, für den es dann auch noch Geld gibt, da die Tiere verkauft werden, ist ein Grund für solche Fänge und auch die Verhinderung einer Wiederauswilderung der Tiere. Man erspart den Tieren einen Abschuss. Tierrechtler sagen ja zu allen Tieren, dass sie tot besser wären als in Menschenobhut, aber ist das auch im Sinne der Tiere? Das wird man nie wissen und kann man nur erahnen. Es gibt ja auch Menschen, die zu Helden werden, weil die Tiere vor dem sicheren Tod bewahren. Es ist ähnlich der Frage um Elefanten in Afrika: Populationskontrolle durch Transport überzähliger Tiere aus Nationalparks in Zoo, Zirkus oder sonstige Tierhaltungen oder Abschüsse?

In der Natur ist alles auf Überleben ausgerichtet, es gibt keinen belegten Selbstmord von Tieren “für eine höhere Sache”. Tierrechtler interpretieren das gerne in Aktionen von Tieren herein, aber außer Anekdoten ist noch nie etwas Greifbares dabei herum gekommen. Es ist deshalb nicht wirklich davon auszugehen, dass Tiere den Tod einem neuen, tiergerechten Zuhause vorziehen. Tierrechtler allerdings haben in der Öffentlichkeit jeden Fang tabuisiert und die Natur glorifiziert – eine völlige Realitätsentrückung. Ökosysteme halten nun mal keine unbegrenzte Anzahl an Spitzenprädatoren aus und wenn man Arten nicht verlieren will, kann es sinnvoll werden, Tierbestände zu regulieren.

Wildfänge zum Aufbau von Populationen könnten verhindert werden

Russland kann sich bei seinen Fängen auf eine Nachfrage von China verlassen. Da es kein internationales Zuchtprogramm für Orcas gibt, China diese Art aber halten will, müssen sie Orcas wild fangen. Hier nun erst russische Bestände zu nutzen, bevor man selbst raus fährt, ist strategisch sinnvoll. Leider ist China, auch in der Zoowelt, von bestimmten Diffamierungen betroffen, da oft schlechte Zoos dort gezeigt werden, um die Haltung dadurch dort kollektiv zu diskreditiert. Dass dieses Bild grundsätzlich falsch ist und auch die Zoos in China differenziert betrachtet werden müssten, zeigen viele gute Beispiele dort. Auch in China gibt es Zoos, die sich am modernen Zookonzept orientieren, aber Kooperationen selbst mit diesen Anlagen werden oft zu Unrecht tabuisiert.

Wildfänge könnte man aber für China durch ein internationales Zuchtprogramm völlig überflüssig machen. Wenn man die genetische Diversität der Orcahaltung zusammenbringen würde, könnte man schnell unabhängig von Wildfängen werden. Tierrechtler aber verhindern das – sie wollen in den USA und Europa die Zucht sogar vollends verhindern. In China aber werden sie das nie schaffen und eine Schließung der Orcahaltungen in den so bezeichneten “Westlichen Ländern” würde keinen Wildfang verhindern, sogar langfristig noch welche notwendig werden lassen. Dass China allerdings Zucht bevorzugen würde, zumindest also die seriösen zoologischen Anlagen dort, ist aber bekannt – schon jetzt wird ein Zuchtzentrum aufgebaut.

In Japan konnte man Vergleichbares bewirken – durch einen Know-How-Transfer zur Zucht von Großen Tümmler setzen nun die Einrichtungen auf Zucht, statt auf Wildfänge in Taiji. Das war der härteste Schlag gegen die Walfänger in Taiji bisher und wurde durch den Weltzooverband möglich. Internationale Zusammenarbeit kann Wildfänge also nachgewiesenermaßen verhindern, allerdings setzt die Tierrechtsindustrie dem aktuell immer mehr Grenzen und versucht, solche Arbeit zu verhindern – in der Öffentlichkeit geschieht das meistens durch Diffamieren asiatischer Haltungen. Selbst in der Zoowelt fallen Leute auf solchen Populismus herein. Zucht ist aber das einzige realistische Mittel, um Wal-Wildfänge für genetische Diversität im asiatischen Raum wirklich zu verhindern.

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