SeaWorld San Diego: Orca zeigt großes Vertrauen zu seiner Trainerin | Foto: svabo, Lizenz: CC BY-SA 3.0

SeaWorld: Licht und Schatten bei „neuer“ Show

Exklusiv für zoos.media – 17.01.2020. Autor: Philipp J. Kroiß

Die neue SeaWorld-Show “Orca Encounter”, die angeblich edukativer sein soll, erzeugt unterschiedliche Rezeption beim Publikum und in der Öffentlichkeit und zeigt: es ist nicht alles Gold, was glänzt.

SeaWorld: Licht und Schatten bei „neuer“ Show

SeaWorld hat ein „neues“ Showkonzept – das liest man zumindest häufig in den Medien. Tatsächlich ist es aber so, dass das Show-Konzept aus San Diego einfach in den anderen beiden Parks in Orlando und in San Antonio übernommen wird. Insgesamt, so das Ziel dieses Konzepts, soll die Show edukativer werden als die eher theatralischen Shows, die subtiler Edukation betrieben haben, zuvor.

Die Premiere war am 31.12.2019 – hier dazu ein Video aus Orlando:

Unterschiedliche Rezeption

Nalani und Trua in SeaWorld Orlando (2011) | Foto: Gordon2448, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Die neue Show prägt eines besonders: Frontalunterricht durch Trainer vor Ort und Trainer, die in Videos reden. In einer Sequenz werden Einzelpersonen aus dem Publikum integriert und weitergeredet. Alles in verständlichem amerikanischen Englisch und in Verbindung mit den Aktionen der Tiere – ausländische Gäste werden es allerdings wahrscheinlich nicht so leicht haben, viel von der Show mitzunehmen, was bei den älteren Shows mit vielen nonverbal verständlichen Teilen, sicher anders war.

Nicht geredet wird in einer Eröffnungssequenz, einer Sequenz, in der es hauptsächlich darum geht, das Publikum nass zu spritzen, und im Finale. Hier kann man in verschiedenen Videos dann auch sehen und hören, dass das Publikum engagierter ist. Die meiste Zeit wirkt es aber eher wie die Präsentation eines Gruppenreferats an einer High Scholl mit lebenden Tieren und Videos.

Ob das gut oder schlecht ist? Da sind Leute ganz unterschiedlicher Meinung. Die SeaWorld-Gegner zerreißen es natürlich wie sie alles zerreißen, Kommentatoren aus den Medien, die allerdings eher nicht Konsumenten der Angebote sein dürften, scheinen dieses Mehr an Edukation durchaus positiv zu bewerten, und unter den Fans beobachtet man von Menschen, die das ganz in Ordnung finden, bis zu anderen, die nicht so happy damit sind – darunter besonders solche, die eher in Freizeitparks gehen – ganz unterschiedliche Meinungsbilder.

Geschichte der Shows in SeaWorld

Das Freizeitpark-Unternehmen hat in seiner Showgeschichte schon viele unterschiedliche Stilisten erlebt. Das wirklich Neue am Konzept sind die zahlreichen, edukativen Video-Einspielungen. Solche edukativen Abschnitte, in denen Trainer vor Ort redeten, gab es schon in den 1980er Jahren, als Große Tümmler und Orcas in einer Show waren und der Trainer auf einem Orca stehend ins Publikum winkte, während gleichzeitig Wissen vermittelt wurde.

Gemeinsam mit dem Stammpublikum entwickelte man die Shows aber stetig weiter – Ästhetik und Mentalität änderten sich. SeaWorld schaffte es aber, sich mit seinem internationalen Publikum zusammen weiter zu entwickeln, was in der Entwicklung des Showprogramms „Believe“ gipfelte. Bis heute gilt dieses Programm unter vielen Fans als Zenit der Show-Konzepte.

Mit dem Börsengang von SeaWorld veränderte sich vieles. Plötzlich wurde Glück und Unglück des Unternehmens an der Börse und nicht mehr so sehr am Ticketstand gehandelt. Das ließ SeaWorld angreifbarer werden für Einflüsse von außen und plötzlich waren auch diese Einflüsse wichtig – Einflüsse von Menschen, die nicht unbedingt wirkliche Kunden von SeaWorld waren, und die dem Unternehmen nicht mal notwendigerweise Gutes wollten. Das veränderte vieles – auch die Shows.

Das aktuelle Showkonzept zeigt das sehr deutlich: SeaWorld will es einer Öffentlichkeit recht machen, von denen die eigentlichen Besucher nur ein Teil sind. Die Zielgruppe der Show ist nicht mehr unbedingt der klassische Besucher, also – kaufmännisch gesprochen – der eigentliche Kunde.  Diese Show kommuniziert vielmehr, dass man es einer möglichst breiten Öffentlichkeit im Sinne von deren postulierter Meinung recht machen will. Das muss nicht notwendigerweise schlecht sein, denn wichtig ist, was am Ende unterm Strich steht – das ist die Maxime bei börsenorientierten Unternehmen.

Was SeaWorld verschweigt

Wasserarbeit der Trainer mit den Orcas in SeaWorld Orlando (2009) | Foto: David R. Tribble (Loadmaster), Lizenz: CC BY-SA 3.0

Bei allen Versuchen zur Edukation ignoriert SeaWorld leider konsequent ein für das Tierwohl besonders elementares Thema: die Fortpflanzung, die für Orcas als sehr soziale Tiere zu den Grundbedürfnissen gehört, da sie nur so ihr Sozialverhalten komplett ausleben können. Bekanntlich gibt es kein tiergerechtes Prozedere um einen Zuchtstopp, wie SeaWorld ihn leider im Kniefall vor der Tierrechtsindustrie praktiziert langfristig zu implementieren.

Um wirklich zu 100% die Empfängnis zu verhüten, müsste man die Tiere geschlechtsspezifisch ihr Leben lang trennen. Das wird in SeaWorld augenscheinlich nicht gemacht. Stattdessen arbeitet man wohl mit Medikation oder mit dem Monitoring der Gebärmutteraktivität und daraufhin kurzzeitiger Separation der fruchtbaren Tiere. Ersteres wird langfristig zu einer tierquälerischen Haltung führen, da es keine Langzeitkontrazeptiva für Cetaceen auf dem Markt gibt – alle verfügbaren Medikamente zur Verhütung sind nur für kurzzeitige Applikation getestet und ausgelegt. Das Monitoring der Gebärmutteraktivität ist sehr unsicher und wird die Empfängnis nicht sicher verhüten können. Beide Verfahren führen überdies langfristig zu völlig unnatürlichen Gruppenkonstellationen, deren Folgen nicht ansatzweise abzusehen sind. Es gibt in der Natur nämlich keine vergleichbaren Gruppen. Nachwuchs stabilisiert eben auch eine durch eine Mutterlinie geprägte Gruppe. Wenn der nicht mehr da ist, kann es vermehrt zu Problemen kommen. Mit tiergerechter Haltung hat dies nichts mehr zu tun.

Zu Recht wird SeaWorld für die Unterbindung der Fortpflanzung der Orcas von Fachleuten kritisiert. Denn die Zucht ist letztendlich im Sinne des Erkenntnisgewinns und der umweltpädagogischen Arbeit wichtig für den Fortbestand der Orcas auch in der Natur. Und ausgerechnet in einer Präsentation, die den Anspruch erhebt, pädagogisch anspruchsvoll zu sein, wird dieses Thema ausgespart. Zwar spricht man bei SeaWorld gerne über Artenschutz, verschweigt aber leider, dass der Orcaschutz langfristig nicht mehr umfassend möglich sein wird, weil einem die Tiere in menschlicher Obhut schlicht mit den Jahren wegsterben werden. Ohne Forschung und Edukation in Menschenobhut sieht es jedoch für die Zukunftsaussichten auch der wildlebenden Orca-Populationen langfristig eher düster aus.

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