Schimpansenbaby im Loro Parque | Foto: zoos.media

“Sozis für Tiere” – SPD auf dem Weg Richtung Tierrechte?

Exklusiv für zoos.media – 99.12.2017. Autor: Philipp J. Kroiß

Aufgrund des SPD-Parteitags bekam die Gruppe “Sozis für Tiere” eine gewisse Aufmerksamkeit. Die Gruppe, vornehmlich aus Jusos ist strikt gegen alle Zoos.

“Sozis für Tiere” – SPD auf dem Weg Richtung Tierrechte?

Ein Auftritt auf dem Parteitag der SPD sorgte für große Besorgnis in den Reihen der Tierhalter. Der Bauernverband Schleswig-Holstein postete dieses Foto auf Facebook:

Nachdem sich die SPD-Bundestagsfraktion populistisch gegen Delfinarien geäußert hatte und auch auch weitere Haltungen mehr oder weniger offen in Frage stellte, sehen potentielle Wähler nun weitere Schritte auf die radikale Tierrechtsbewegung zu. Sie scheint damit der AfD, den Linken und den Grünen auf einem, vor allem für die Parteien, gefährlichen Trampelpfad populistischer Tierrechtler zu folgen, denn “Sozis für Tiere” positionieren sich ganz klar gegen Zoos. Aber: Es handelt sich nicht um eine amtliche Organisation der SPD. Genauso wenig um einen Arbeistkreis oder keine Arbeistgemeinschaft der SPD. Allerdings sind hier mehrheitlich SPD-Mitglieder aktiv.

Die Liste der “Unterstützer” umfasst: Leonie Pätzold, Jonas Kramer, Benjamin Raschke, Nis Thiemeier, Aneska Bongartz, Ramona Kopec, Lara Kannappel, Nicole Fuchs, Lena Tresse, Stefan Sander, Sabine Wurst, Till Strecker, Lisa Dönges, Hans-Dieter Müller, Julian Steiner, Hans H. Bass, Martin Sand, Jan Ingensiep, Mareike Will, Janwillem van de Loo, Stephanie Wirth, René Petzold, Sophie Schmidt, Steffen Haake und Samuel Diekmann. Schwerpunktmäßig stammen diese Personen von den Jusos und haben eher regionalpolitische Bedeutung – allerdings auch in Städten, in denen es Zoos gibt. Dies muss bei Wahlentscheidungen zweifelsohne berücksichtigt werden.

Vegane Sozis gegen Zoos

Besucher und Eisbär Tierpark Hellabrunn (2013) | Foto: Christiane Reiss, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Neben dem Protegieren einer veganen Ernährungsweise, weil der “Konsum von Tieren” ja “keine Privatsache” sei, findet man Anti-Zoo-Propaganda auf der Seite der “Sozis für Tiere”. Der Absatz beginnt gleich mit einer Lüge: “In Zoos sind Gehege oft nicht artgerecht gestaltet – das heißt sie sind zu klein, bieten zu wenig Rückzugsmöglichkeiten oder entsprechen nicht den klimatischen Bedingungen, unter denen sich die Tiere wohlfühlen.” Für die Zoos im VdZ ist das nachweislich falsch. Was die “Sozis für Tiere” hier tun, ist zudem nichts weniger als eine üble Nachrede dem zuständigen Ämtern gegenüber. Wäre diese heillose und realitätsferne Unterstellung wahr, hätten diese Verstöße übersehen.

Dann werden die Besucher als “Stressfaktor” identifiziert. Man könnte das verstehen, dass die Zoobesucher zum Stressfaktor für die SPD werden, weil die Partei aktuell alles vieles dafür tut, sie als Wähler nachhaltig zu verlieren. Für die Tiere hingegen, wie sie vermuten, trifft das nicht zu. All jene, die sich von Besuchern gestört fühlen würden, können sich ja zurückziehen – das passiert aber äußerst selten.

Dann leugnet man auch noch aktuelle Wissenschaft, indem man eine “verkürzte Lebenserwartung” von Zootieren vermutet – tatsächlich hat wissenschaftliche Forschung zu Tage gebracht, dass das Gegenteil der Fall ist, denn Tiere im Zoo leben länger als ihre wilden Artgenossen. Für angebliche “diverse Verhaltensauffälligkeiten (Hospitalismus)” im Zoo tragen moderne Zoos auch keine Verantwortung, da die Tiere in artgemäßen Anlagen gehalten werden. Moderne Zoos nehmen sich aber eben auch Tieren aus ehemals schlechter Haltung an und zeigen diese dann auch, weil sie das Wohlbefinden der Tiere in den Vordergrund stellen und eben nicht den vermeintlich “Schauwert” von Tieren, die immerzu perfekt ausschauen und sich perfekt verhalten.

Delfine springen bei der edukativen Vorstellung im Zoo Duisburg vor vollen Rängen. | Foto: zoos.media

Schließlich sehen sie noch Krankheiten als “starke Indizien dafür, dass eine artgerechte Tierhaltung im Zoo nicht möglich ist”. Nun sind die Großen Tümmler in Menschenobhut, deren Haltung aus SPD-Kreisen ja neuerdings stark kritisiert wird, gesünder als ihre wilden Artgenossen, wie neuste Forschung belegte. Nach der Logik, die die “Sozis für Tiere” an den Tag legen, müsste man jetzt alle Delfine aus offensichtlich nicht artgerechten Haltung in der Natur schnellstmöglich in Menschenobhut bringen – das zeigt wie absurd ihre Argumentation ist.
Die Haltung von Delfinen ist heutzutage von enormer Wichtigkeit, um nicht nur gehaltenen Arten, sondern auch verwandte Arten und ihr ganzes Ökosystem zu schützen, damit es den Tieren in der Wildbahn mindestens so gut geht wie den Tieren in Menschenobhut.

Wir finden also eine völlig realitätsfremde Haltung bei den “Sozis für Tiere” und einen enorm großen Willen, diese Desinformationen auch noch an die Frau oder an den Mann zu bringen – für eine Volkspartei, die die SPD ja sein will, ist es mehr als gefährlich, wenn sich Mitglieder so als Populisten outen, wo doch Glaubwürdigkeit und die Konsistenz der vertretenen Werte im besonderen Augenmerk der Politik stehen sollte. Man darf nicht den Fehler machen solch einen Populismus, solche Lügen und Desinformationen als Meinung misszuverstehen, die man in einer Partei akzeptieren müsste. Jeder kann seine Meinung vertreten und das muss man zweifelsohne tolerieren, aber die Lügen, auf der die Meinung fußt, als Fakten zu verkaufen, ist genau das, was Menschen parteiverdrossen macht.
Zudem torpedieren solche radikalen Tierrechtler, die wichtige Arbeit der SPD-Mitglieder, die sich nicht nur Zoos unterstützen, sondern auch andere wichtige politische Themen zum Wohl der Allgemeinheit voranbringen wollen.

Sozis gegen den Artenschutz

Die “Argumentation, dass Zoos einen Beitrag zum Fortbestehen von vom Aussterben bedrohten Tierarten leisten, kann das nicht entkräften. Denn die Fortpflanzung von Tieren im Zoo – und damit in Gefangenschaft – dient nicht einer Wiederansiedlung in der freien Wildbahn, sondern lediglich dem Erhalt von Zoos.”

Guamralle im Cincinnati Zoo
Guamralle im Cincinnati Zoo | Foto: Greg Hume, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Man würde Lachen, wenn aus dieser Passage nicht ein solcher Mangel an Bildung und eine Gefährdung für umfassenden Artenschutz sprechen würde. Es ist einfach nicht wahr und es ist schlichtweg realitätsfremd so etwas zu behaupten. Es werden andauernd Tiere, die von Zoos gerettet wurden oder von Zoos gezüchtet worden zur Wiederansiedlung in die Natur gebracht. Erst diese Woche haben wir darüber berichtet, dass 1.700 Larven des Quino checkerspot (Euphydryas editha quino) unter anderem vom Zoo von San Diego in die Wildbahn gebracht wurden. Ebenfalls in dieser Woche haben wir über zwei Guamrallen-Kücken berichtet, die gute Chancen auf Wiederauswilderung haben – die Art ist in der Natur laut der IUCN ausgestorben. Auch in dieser Woche wurde über die größte Massenauswilderung von Geiern in Afrika hier auf zoos.media berichtet. Alles Erfolge, die ohne Zootierhaltung niemals möglich gewesen wären.

Das Problem ist, dass diese völlig lächerliche Aussage, die sich durch kurze Internetrecherche blitzschnell wiederlegen lässt, von Leuten unterstützt wird, die die Zukunft der SPD gestalten wollen – einer Volkspartei, die die Mehrheit der Deutschen vertreten soll. Welche für die Partei giftigen Früchte solche Aktivisten und Populisten für die Partei tragen, sieht man an der Entscheidung der Bundestagsfraktion.

Selbstdemontage der Partei?

Tigeriltis im Zoo Magdeburg – die Art ist durch Umwandlung ihres Lebensraums in landwirtschaftlich genutzte Gebiete bedroht. | Foto: Volker Röhl, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Entscheidungen gegen Zoos, ob nun die von der Bundestagsfraktion oder diese Pseudo-Arbeitsgruppe von ein paar Jusos, die offenbar unter völligem Realitätsverlust zu leiden scheinen und Fakten leugnen, sowie Populismus verbreiten, gefährden nicht nur die Partei, sondern auch die SPD als Volkspartei.

Es gehen mehr Leute in den Zoo als zu Bundesligaspielen. Allein die VdZ-Zoos werden von mehr als 30.000.000 Menschen pro Jahr besucht. Insgesamt kommt man in Deutschland auf über 60.000.000 Besucher zoologischer Einrichtungen – bei einer Einwohnerzahl von über 80.000.000 Menschen ist das schon eine beachtliche Anzahl. Will die SPD all diese gegen sich aufbringen, indem nun Mitglieder von Haltungsverboten oder sogar dem kompletten Verbot der Zoos sprichen?

Moderne Zoos sind Orte des Tier-, Natur- und Artenschutzes und völlig unverzichtbar – nicht nur als kulturelle Einrichtungen, sondern auch als Bildungs- und Forschungseinrichtungen. Schon oft konnten moderne Zoos Tierarten vor dem Aussterben in der Natur bewahren. Bestimmte Forschungs- und Bildungsarbeit ist nur dank moderner Zoos überhaupt möglich. Das zu leugnen und diese Lüge dann als Basis für eine Argumentation gegen Zoos zu verwenden, ist realitätsfremd und disqualifiziert Personen, Parteien und Organisationen.

Es geht auch beim Verbreiten von solchen Lügen nicht nur um die Lüge selbst, sondern, bei Politikern und ihren Parteien im Besonderen, auch um die gesamte Glaubwürdigkeit. Wer zuvor richtigerweise davon redet wie gut Delfinarien doch sind, sie unterstützt und sich für sie stark macht und dann die Partei eine 180°-Wende macht – wer garantiert denn, dass dies nicht bei anderen wichtigen Themen genauso passiert?

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