Fossa relaxt im Zoo Frankfurt | Foto: Littlenelle, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Tierknast oder Artenschutz? hr mit unglücklicher Balance

Exklusiv für zoos.media – 29.06.2021. Autor: Philipp J. Kroiß

Dem hr ist es in seinem Beitrag “Tierknast oder Artenschutz – gehört der Zoo verboten?” nicht gelungen komplett ausgewogen und balanciert zu berichten, aber es gab auch gelungene Momente.

Tierknast oder Artenschutz? hr mit unglücklicher Balance

Philippinen-Krokodil (Crocodylus mindorensis) im Kölner Zoo | Foto: zoos.media

Kann eine Doku, die mit einem grundsätzlichen Fehler anfängt, gut werden? Der hr-Beitrag in der Reihe “Engel fragt”, der mit “Tierknast oder Artenschutz – gehört der Zoo verboten?” überschrieben ist, begeht nämlich leider einen grundlegenden Fehler. Denn dieser Titel impliziert, dass Tierschützer sagen würden, Zoos wären nichts anderes als ein Tierknast. Dies ist aber ein falsches Bild, das vor allem von einer lautstarken Minderheit ideologisch verblendeter Vertreter von Tierrechtsorganisationen geprägt wird, die eben in der Realität gar keine wirklichen Tierschützer sind. Denn die Tierrechtsextremisten des Great Ape Project und von PETA haben mit wahrer Tierliebe und wirklichem Tierschutz, und auch mit engagiertem Natur- und Artenschutz, kaum etwas gemeinsam.

Die falsche Verortung dieses substanzlosen, weil die Zootiere vermenschlichenden, Vorwurfes im Bereich des Tierschutzes gibt dem Zuschauer dadurch gleich zu Beginn leider ein völlig falsches Bild. Das ist durchaus symptomatisch, denn besonders auch Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) in Deutschland kann man das seit Jahren beobachten: es findet leider keine Differenzierung zwischen Tierschützern und Tierrechtlern statt, obgleich sich beide Ausrichtungen grundlegend unterscheiden. Quasi wie ein Beleg dafür, wird dann Dr. Ivonne Würz von der radikalen Tierrechtsorganisation PETA, die selbst für sich in Anspruch nimmt gar keinen Tierschutz zu machen, eingeblendet, was nochmal das fundamentale Missverständnis zu Beginn des Beitrags zementiert. Denn die lautstarke Opposition gegen Zoos kommt in den allermeisten Fällen nicht von den seriösen Tierschützern, sondern vor allem von ideologisch motivierten, extremistischen und dadurch unseriösen Tierrechtsorganisationen. Und entsprechend geben die Aussagen der Tierrechtlerin, wie auswendig gelernt, die von PETA und ähnlichen Tierrechtsorganisationen gebetsmühlenartig immer wieder aufgesagten unsachlichen und ideologischen Parolen der Tierrechtsindustrie wieder.

Licht am Ende des Tunnels?

Glückliche Elefanten im Erlebnis-Zoo Hannover | Foto: zoos.media

Dann merkt Moderator Philipp Engel an, es gäbe aber Tierschützer, die das Gegenteil behaupten würden und leitet, nach einer praxisnahen Begegnung mit einem Zootierpfleger bei der gemeinsamen Fütterung der Pinguine, zum Interview mit dem Direktor des Opel-Zoo, Dr. Thomas Kauffels über, einem erfahrenen Tiergartenbiologen mit jahrzehntelanger Praxis und internationalem Ruf, der große Anerkennung weltweit genießt. Leider entsteht der Eindruck, als wäre dessen Experten-Aussage gleichwertig mit Aussagen der PETA-Angestellten Ivonne Würz, die zwar ebenfalls promovierte Zoologin ist, aber über keinerlei praktische Expertise im Umgang mit Wildtieren verfügt. Dies zeigt die falsche Balance, die für diese Doku leider stilprägend ist.

Um das mal zu illustrieren, was dieser Vergleich bedeutet: es ist ungefähr so, als würde man einen Kreisliga-Torwart mit Nationalkeeper Manuel Neuer gleichsetzen und so tun, als könnten sie gleich gut Fußballspielen. Es ist ein bisschen wie es mit dem Fußballbundestrainer zu Zeiten internationaler Wettbewerbe ist: dann hat Deutschland auch 83 Millionen Bundestrainer und dann kann man sich als hr-Redakteur auch fragen, ob man einen qualifizierten Trainer fragt, um Jogi Löws Entscheidungen zu diskutieren oder Willibald Dingenskirchen auch dem Vereinsheim, der am Stammtisch kommentiert, ohne je eine Profimannschaft betreut zu haben.

Wenn man nun das Positive aus den ersten Minuten dieses Beitrags ziehen will: Immerhin kommen echte Experten mal zu Wort. Dies ist deswegen so sehr hervorzuheben, weil der ÖRR ja in den letzten Jahren nur allzu oft einfach nur Pressemitteilungen der Tierrechtsindustrie reproduziert hat. Beispielsweise wurde so vor einigen Jahren ein angeblicher großer Skandal um die Elefantenhaltung im Erlebnis-Zoo Hannover produziert, als PETA dreist über die dortige Haltung gelogen hat und die ÖRR-Formate dies berichteten, als wäre es die nachgewiesene Realität. Gerichte haben später deutlich festgestellt, dass es das nicht war und bezeichnenderweise fehlt bis heute eine angemessene Richtigstellung der ÖRR-Formate, die es damals so vorbehaltlos falsch reproduzierten.

Fehlende und falsche Einordnung

In einer Interviewsequenz wird Dr. Ivonne Würz direkt am Anfang des Berichtes Raum gegeben. Erneut hört man das Märchen der angeblichen “Tierschutzorganisation PETA” und auch sonst, ist der Moderator Philipp Engel trotz salopper Kommentare bei der Vorstellung sehr wohlwollend und erscheint bei weitem nicht kritisch genug. So unterschlägt man die eigentlich weithin bekannte, und gewiss nicht unwichtige Info, dass PETA nicht mal 10% ihrer Ausgaben für den angeblichen Zweck der Organisation verwendet. Hingegen kann Frau Würz unwidersprochen zum Besten geben, dass “die Millionenbeträge, die in die Zoos investiert werden”, besser in Artenschutzmaßnahmen vor Ort fließen sollten. Dabei findet keinerlei Erwähnung, dass sich PETA, trotz lautstarker Parolen und Abermillionen schwerer Haushalte, im angewandten Natur- und Artenschutz gar nicht, und auch im Tierschutz nur mit schwindend kleinen Beträgen engagiert. Hingegen sind die modernen Zoos mit weltweit jährlich ca. 250 Millionen Dollar der drittgrößte Sponsor für Artenschutzprojekte in der Natur.  Eine gut recherchierte und ausgewogene Berichterstattung hätte das beinhaltet. Auch wird PETA und seine Angestellte falsch präsentiert, indem der Moderator anmerkt, sie würde sich für die Organisation “engagieren”. Das klingt wohl besser, aber warum verschweigt man das Angestelltenverhältnis und lässt es fast wie ehrenamtliches Engagement klingen? Das verdeutlicht, wie wenig der hr offensichtlich das System PETA versteht und durchblickt.

Portrait eines Berggorilla (Gorilla beringei beringei) aus der Titus Gruppe Ruanda | Foto: Charles J Sharp, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Auch lässt man die PETA-Mitarbeiterin dann auch – ohne jede Einordnung – Artenschutz kleinreden. Würde man es positiv ausdrücken, könnte man sagen, dass der hr sie sich an dieser Stelle selbst entlarven lässt, weil sie Artenschutzprojekte auf Auswilderungen reduziert, was nicht nur fachlich unendlicher Blödsinn ist, sondern einfach auch wesentliche Mechanismen der Tiergartenbiologie ignoriert. Denn der Grundsatz der modernen Tiergartenbiologie ist, dass Tiere im Zoo Botschafter ihrer Art und ihres Lebensraumes sind, was bedeutet, dass ein Schutz für eine Art eben auch den Schutz für viele andere Arten gleich mit inkludiert, weil man Arten eben nicht isoliert schützen kann.

So eine Selbstentlarvung fällt aber dem Laien nicht auf – und an den richtet sich doch eigentlich das Programm des hr. An dieser Stelle wäre es wichtig, dass der Journalist einordnet und grundlegendes Basiswissen der Tiergartenbiologie erläutert, damit der Zuschauer versteht, dass das, was die Angestellte der Tierrechtsorganisation PETA gerade sagt, in etwa das Niveau von „eins mal eins gleich null“ hat. Es widerspricht einfach – ohne jeden Beleg und sofort widerlegbar – jahrzehntelang durchgeführter Forschung und eben auch sehr augenscheinlich der Realität. Ebenso müsste man einordnen, das ihre lächerlichen Forderung, Tiere nur im Lebensraum zu schützen ebenfalls nicht nur der Realität widerspricht, sondern dies auch zum Beispiel dem One Plan Approach der Weltnaturschutzunion (IUCN) entgegenläuft. Zudem wäre zu fragen gewesen: Wenn PETA doch vom Schutz von Arten ausschließlich in ihren Lebensräumen so überzeugt ist, warum machen sie es dann nicht selbst? Genug Geld dafür hätten sie ja und sogar noch mehr, wenn sie nicht so viel für reine Öffentlichkeitsarbeit und Personalkosten verramschen würden.

Das sind nur beispielhafte Stellen, wo einfach keine Einordnung stattfindet und dabei geht es ja nicht darum, Frau Würz irgendwie schlecht zu machen, sondern eben simple Fehler der Tierrechtsideologie aufzuzeigen. Somit kommt auch gar nicht rüber, dass Ivonne Würz in diesem Interview einfach gegen den angesichts der gegenwärtigen sechsten globalen Aussterbewelle dringend erforderlichen umfassenden Artenschutz gemäß dem One Plan Approach der Naturschutzexperten der IUCN argumentiert, was sie aber tut. In letzter Konsequenz und ganz konkret fordert PETA mit solchen Äußerungen unter anderem bestimmte Nashornunterarten einfach aussterben zu lassen. Das ist einfach so und es ist sicherlich auch die Aufgabe eines Journalismus – und insbesondere des ÖRR – das entsprechend richtig einzuordnen.

Tiererlebnisse im Opel-Zoo

Die Afrika-Savanne im Opel-Zoo | Foto: Tragopan, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Immerhin macht sich der Moderator dann selbst ein eigenes Bild im Opel-Zoo. Dadurch kommen dann Experten zu Wort: Tierpfleger Marcel König. Hier wäre es gewiss auch sinnvoll gewesen, dem Zuschauer einen wichtigen Umstand zu erläutern: denn Marcel König ist als ausgebildeter und erfahrener Tierpfleger in einem wissenschaftlich geleiteten modernen Zoo gewiss ein Experte. Denn um sich in Deutschland als Zootierpfleger bezeichnen zu dürfen, ist eine dreijährige praxisnahe Ausbildung notwendig, um die Deutschland von sehr vielen Ländern beneidet wird, weil sie solche Strukturen gar nicht haben. Tierpfleger in Deutschland wird man nicht so einfach wie PETA-Angestellter.

Ivonne Würz hat in ihrer Doktorarbeit zum Abschluss ihres Studiums mit Zebrafinken gearbeitet gelegt und dann ein Einstellungsverfahren bei PETA bestanden. Marcel König hingegen musste in seiner Ausbildung, wie jeder andere Tierpfleger auch, sämtliche Aspekte eines Zoos in Theorie und Praxis durchlaufen – von den Pinguinen, die er im Video füttert, über die Aquaristik, die Terraristik, die Vogel-, Raubtier- und Affenhaltung bis hin zu Tiertraining, und ist dann staatlich geprüft worden, ob er das auch alles wirklich beherrscht. Das ist so ein unbeschreiblich größeres Maß an Kompetenz und praktischer Erfahrung, dass quasi bloßes Gegenüberstellen das gar nicht illustriert, aber es ist wichtig für den Zuschauer, das zu wissen.

Was soll das?

Schimpansenbaby im Loro Parque | Foto: zoos.media

Anschließend kommt Professor Manfred Niekisch zu Wort – ein Praktiker mit internationalem Ansehen.  Er wird direkt Dr. Colin Goldner gegenübergestellt, als seien dies gleichwertige Experten. Auch hier muss man mal illustrieren: Goldner ist Psychologe und ist für unsachlich provokante Sprüche ebenso wie für bemerkenswert falsche Aussagen über Zootiere bekannt. So behauptete er gegenüber der Zeitung Welt, in einer später völlig widerlegten Berichterstattung, dass Affen “nur unter Drogen ein Leben im Gehege führen könnten“. Damit ging er an die Medien und es war falsch. Tatsächlich und nachweislich brauchen Affen keine Drogen, um in Gehegen ein gutes Leben führen zu können, Botschafter für ihre Art und ihren Lebensraum zu sein sowie in ihrer Familie etwas für den Arterhalt zu tun.

Schauen wir nun auf Prof. Niekisch: Er ist Biologe und international anerkannter Experte für Naturschutz. Er hat für den WWF gearbeitet, war jahrelang Vorsitzender des Beirats Artenschutz beim Bundesamt für Naturschutz, hat den Frankfurter Zoo geleitet und an der Universität Greifswald internationalen Naturschutz gelehrt. Erneut tut der hr also so, als sei jahrzehntelange praktische Erfahrung ebenbürtig mit Aktivismus in der Tierrechtsindustrie und medialem Posing mit nachweislichen Märchengeschichten über Affen im Zoo.

Es geht hier ja keinem darum, Goldner hier schlecht zu machen, es geht einfach nur um die Einordnung nach Qualifikationen. Solche Aktivisten kann man ja auch in einem hr-Beitrag zitieren und sich äußern lassen, aber dann eben doch bitte mit Einordnung und nicht so, als seien sie Experten wie die anerkannten Praktiker. Natürlich spricht nichts dagegen, dass im ÖRR auch Meinungen einen Platz haben, die nicht mehrheitlich von der wissenschaftlichen Gemeinschaft oder auch der Gesellschaft geteilt werden, wie es im Falle Goldners der Fall ist, aber dann muss eben doch eine ordentliche Einordnung für den Zuschauer her. Wofür erarbeiten sich echte Experten denn Studium oder Ausbildung, Praxiserfahrung und Renommee, wenn sie dann doch mit irgendwelchen Aktivisten auf eine Stufe gestellt werden, nur weil diese, zumeist provokant und lautstark, eine gegenteilige Meinung vertreten? Das ist völlig unverständlich wie der hr hier so wenig umsichtig einordnen kann.

Seine Medikamentenphantasien kann er sogar erneut breittreten und zitiert – völlig aus dem Zusammenhang gerissen – eine übrigens in Fachkreisen angesehene Tierärztin. Statt sie dann aber zu Wort kommen zu lassen, übergeht der hr dies einfach und tut so, als wäre diese Aussage aus der betr. Publikation repräsentativ zitiert worden. Es sind solche Fehler bei denen man sich fragt, was das eigentlich soll? Völlig unvermitteltes Aufeinanderknallenlassen von Argumenten bringt ja keinen Zuschauer weiter. Die Zuschauer werden  vielmehr zum Voyeur gemacht, wie unqualifizierte Vorwürfe gegen Zoos von selbigen gekontert werden. Das bringt keine Diskussion weiter und verkennt das Wesen der Diskussion. Seriöse Zookritiker kommen nämlich leider gar nicht zu Wort.

Entlarvende Verwendung von Video-Material

Eisbär im Arctic National Wildlife Refuge | Foto: Susanne Miller/USFWS, Lizenz: CC BY 2.0

Interessant bei dem Beitrag ist, dass zum “Nachweis” von angeblichen Verhaltensstörungen immer Film-Material von PETA genutzt wird. Das Material vom hr selbst gab so einen „Nachweis“ anscheinend gar nicht her. Hier fragt man sich, warum man da als hr-Journalist nicht selbst skeptisch wird. Offenbar hat der hr viel Material gesammelt und dennoch quasi keine Verhaltensstörung dokumentieren können. Kommt man da nichts ins Grübeln?

Die Zoogegner sprechen über die angeblich so frequenten Leidenszeichen dieser Tiere und man selbst ist nicht in der Lage, sowas, trotz zahlreicher Stunden im Zoo, zu dokumentieren? Dazu fällt aber kein Wort, sondern der hr hält sogar das Argument der Zoogegner noch hoch, indem man die gleichen Aufnahmen von PETA immer wieder zeigt. Hier hätte man auch einordnen können: keiner leugnet, dass in modernen Zoos und Aquarien Verhaltensstörungen vorkommen können, und zwar bei den Tieren, denen sich die Zoos erst später angenommen haben, nachdem diese Tiere mit ihrer Hilfe zum Beispiel aus schlechter Haltung befreit worden sind.

Der hr hätte zudem die Chance gehabt, hier einmal richtig Bildungsarbeit zu leisten und darüber zu sprechen, dass man häufig anticipatory pleasure behavior mit Stereotypen verwechselt, worüber zoos.media auch schon berichtet hat. So lösen sich die meisten angeblichen „Störungen“ nämlich in Luft auf. Zum Beispiel bei Eisbären hätte man darüber reden können, dass sie in der Natur auf festen Pfaden jagen und diese auch in den Gehegen quasi selbst installieren und dann im Rahmen von anticipatory pleasure vor einer Fütterung genau diese Pfade benutzen. Dann hätte man auf die Fortschritte der Zootierhaltung zu sprechen kommen können und wie man wirkliche Stereotypien verhindern kann.

Erhellender Moment

Tequila-Kärpflinge im Aquazoo Löbbecke Museum | Foto: zoos.media

Zur Mitte des Berichtes weht dann endlich ein Hauch der Einordnung durch den Beitrag, wenn Dr. Thomas Kauffels nämlich genau das darlegt, was wir oben beschrieben haben: Die Experten in Zoologischen Gärten sind die Praktiker und diese Praxis haben die bisher im Beitrag befragten Zoogegner eben nicht. Es ist symptomatisch für die Fehler des Beitrags, dass diese journalistische Grundlage von einem Interviewpartner erfüllt werden muss und man sich nicht darauf verlassen kann, dass es im ÖRR eben üblich ist, das selbst zu tun. Auch das könnte dem hr mal zu denken geben.

Thomas Kauffels ordnet dann auch endlich die Psychopharmaka-Märchen ein und erklärt, woran dies damals lag und wie man im Zoo daraus lernt. Allerdings haben vorher die Zoogegner unwidersprochen das Märchen vom Psychopharmaka-Missbrauch zementieren können. Generell liefert Dr. Kauffels in diesem Moment immer wieder starke Statements und hier könnte man dem Beitrag etwas Positives abgewinnen: denn leider wurden im ÖRR solche Momente oftmals eben auch nicht gesendet oder in der Berichterstattung sonst wie berücksichtigt. Gerade bei dieser Psychopharmaka-Frage mussten sich viele Experten in der Vergangenheit fragen, warum Stunden um Stunden Aufklärungsarbeit mit Journalisten eben nicht in der Berichterstattung berücksichtigt wurden.

Ausflug in die Geschichte

Giraffe im Tiergarten Schönbrunn in Wien | Foto: zoos.media

Wenn man über moderne Zoos und ihr Verbot heute diskutieren will, wie viel Sinn macht dann ein Blick in die Vergangenheit, der negative, aber längst nicht mehr existente, Episoden in der Geschichte der menschlichen Gesellschaft und damit auch der Zoos in den Hauptfokus nimmt? Nichts. Man kann sich heute sehr leicht über etwa Völkerschauen aufregen, Infantilisierungen von Menschenaffen in ein schlechtes Licht rücken und veraltetes Zoodesign kritisieren. Das ist deshalb so leicht, weil Zoos und Aquarien es heute nicht nur besser wissen, sondern auch besser machen.

Zoos und Aquarien existierten bereits als Biologie und besonders die Tiergartenbiologie noch in ihren Kinderschuhen waren: Wissenschaft und Lernprozess basieren auf Versuch und Irrtum. Somit ist es klar, dass es in der Vergangenheit jeder Kultureinrichtung Episoden gab, die durch einen Irrtum geprägt waren. Wohl jeder kennt noch Erzählungen von körperlichen Bestrafungen in Schulen – fragen wir uns deshalb heute, in einer Zeit das eben nicht mehr an der Tagesordnung ist, deshalb, ob wir Schulen schließen sollen? Nein und das völlig richtiger Weise.

Vielmehr wirkt dieser Ausflug wie ein Versuch des hr, die Zoos nochmal richtig in den Dreck zu ziehen. Unerwähnt bleibt, dass sich moderne Zoologischen Gärten längst auch dieser Geschichte stellen. Sie nehmen ihre Besucher sogar mit in ihre Geschichte, zeigen wie sie aus der Vergangenheit gelernt haben. Dazu kommt dann aber von Zoo-Seite quasi niemand zu Wort, sondern man kapriziert sich einseitig auf eine Historikerin, die sich dazu äußert. Dafür, ob man Zoos heute verbieten müsste, was ja die Grundfrage des Beitrags eigentlich ist, ist das völlig irrelevant, weil Zustände kritisiert werden, die heute in der Form bei weitem nicht mehr existent sind.

Fragwürdiges Unbehagen

Orang-Utan Surya im Zoo Rostock | Foto: Joachim Kloock, Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE

In der Abmoderation des Geschichtsteils wird es dann persönlich, wenn der Moderator von seinem Unbehagen spricht. Gerade bei Affen in Gehege-Installationen, fühle er sich unwohl – man fragt sich als Zuschauer, wie oft er es denn noch erklärt bekommen muss, dass diese vermenschlichende Sichtweise eben den Tieren und ihren wirklichen biologischen Ansprüchen gar nicht gerecht wird. Wenn selbst der Moderator quasi keinen Erkenntnisgewinn daraus zieht, sollte sich der hr vielleicht fragen, warum er dann solche Berichte macht – so wirkt diese, natürlich offensichtlich inszenierte Abmoderation, unfreiwillig komisch.

Es sollte bei objektiver Betrachtungsweise eigentlich nicht so schwer sein zu verstehen, dass moderne Zootierhaltung mit “Einsperren” nichts zu tun hat und es auch wirklich nicht ums “Anstarren” geht. Der Moderator hat doch nun schon von mehren Experten das moderne Zookonzept, das auf Bildung und Forschung sowie Natur- und Artenschutz basiert, erklärt bekommen. So erlangt man den Eindruck, dass es vielleicht gar nicht um Erkenntnisgewinn geht, sondern nur um den Spaß am Voyeurismus verschiedenster Meinungen. Dies mündet dann in der Anmoderation eines neuen Gesprächspartners. Das man mit dem Theologen nun besonders in die philosophische Schiene geht, folgt einer absehbaren Strategie.

Philosophische Keule schwingen

Große Panorama-Scheibe im Aquarium Poema del Mar auf Gran Canaria | Foto: zoos.media

Dr. Rainer Hagencord von Institut für theologische Zoologie in Münster ist per Skype im Zoo. So viel Respekt man für eine solche Disziplin ja haben kann, so irrelevant ist sie, weil es bei einem Verbot ja letztendlich um die Sachlage geht. Philosophisch kann jeder erörtern, ob er einen Zoo besuchen will oder nicht, aber ein Verbot nimmt ja jedem Menschen diese Möglichkeit. Somit ist für ein Verbot die philosophische Frage nicht, ob es “richtig” ist Zoos zu betreiben, sondern, ob ein Verbot geboten ist.

Ein Zooverbot wäre dann geboten, wenn man nachweisen könnte, dass das System Zoo generell tierquälerisch wäre. Das Gegenteil ist aber hinreichend belegt. Die Diskussion ist also eigentlich vorbei, bevor sie angefangen hat, aber das wird noch mit typisch philosophischen Fragen getarnt, deren Beantwortung einfach in die Religion abrutschen. Jeder soll doch das glauben was er will – ob an Gott, das Spaghetti-Monster oder ob Tiere eine Seele haben oder nicht. Man wird es nicht nachweisen können und das muss man auch nicht, weil solche Glaubenssätze eben seit der Aufklärung eigentlich nicht mehr als Grundlage gesetzlicher Normen, wie Verbote es sind, gelten sollten.

Somit hat auch diese Passage überhaupt keine Relevanz zur eigentlichen Frage. Eine Viertelstunde zuvor hatte Dr. Kauffels die Sachlage viel deutlicher erörtert: Zoos und Aquarien können etwas, das niemand anderes kann, nämlich Arten retten. Das haben sie auch schon getan und sie sind unersetzbarer Teil des One Plan Approach der IUCN. Wie man das philosophisch oder glaubenstechnisch bewertet, ist irrelevant, weil es nichts an der Sachlage ändert: Man rettet die Arten, übrigens im Sinne der Verantwortungsphilosophie, entweder mit umfassendem Artenschutz, zu denen Zoologische Gärten nun mal gehören, oder halt nicht. Es ist ja keine echte Wahl, die man hat, weil es keinen Ersatz für Zoos und Aquarien gibt.

Geteiltes Fazit

Feuersalamander im Aquazoo Löbbecke Museum | Foto: zoos.media

Nichtsdestotrotz fällt es dem Moderator Philipp Engel schwer eine Antwort auf die Frage zu finden, ob man nun Zoos verbieten sollte oder nicht. Er findet aber immerhin persönlich, dass “wir” Zoos in Zeiten bräuchten, in denen man alle paar Minuten eine Tier- oder Pflanzenart verlöre. Insofern hätte man sich die letzte Viertelstunde sparen können, aber immerhin: er zeigt, dass er doch verstanden hat, was ihm die seriösen Experten versucht haben, näher zu bringen.

Versöhnlich ist es aber trotzdem nicht, weil eine positive persönliche Einschätzung am Ende eben auch nicht darüber hinwegtäuschen kann, was die halbe Stunde vorher für Fehler gemacht worden sind. Wie viel schwerer würde so ein Fazit doch wiegen, wenn zum Beispiel wirkliche Tierschützer zu Wort gekommen wären, auf die man sich in der Einleitung bezogen hat – renommierte, weltweit agierende Organisationen wie American Humane, die längst nicht alle Zoos positiv sehen, aber eben auch nicht alle negativ sehen, sondern ein differenziertes Bild liefern und sich so klar abgrenzen zu ideologisch eng abgesteckten Position wie PETA sie – übrigens nicht zuletzt im Interesse des eigenen kommerziellen Geschäftsmodells – vertritt.

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