Iggy, drei Monate alt auf seinem Kuscheltier | Foto: Heike Weber

Tierpark Nordhorn: Faultier Iggy mit der Hand aufgezogen

Exklusiv für zoos.media – 04.08.2018. Autor: Philipp J. Kroiß

Die Experten des Tierparks Nordhorn haben dem kleinen Faultier das Leben gerettet. Im Artikel geht es und die Gründe und den Verlauf der Haufaufzucht von Iggy.

Tierpark Nordhorn: Faultier Iggy wird mit der Hand aufgezogen

Über sechs Monate alt ist der kleine Wonneproppen nun schon: Faultier-Baby Iggy. Der Tierpark Nordhorn veröffentlichte den Erfahrungsbericht seiner menschlichen Adoptivmama.

Schwerer Start ins Leben

Iggy gerade geboren auf Mutter Gypsy | Foto: Heike Weber

In der ersten Zeit nach der Geburt hatte Iggy ein Problem: zu wenig Milch. Die von Mama Gypsy produzierte Milch reichte nicht – auch wenn man mit Medikamenten versuchte, mehr Milchbildung anzuregen. Iggy schaute auch bei Papa Sid nach, aber der hatte gar keine Milch. Die Pfleger versuchten den kleinen schon zu füttern und dabei kaute er gierig auf Futterstücken herum, wie Dr. Heike Weber berichtete. Allerdings nahm der Kleine ab, was bei Jungtieren nie ein gutes Zeichen ist.

Nach einem Monat war klar: so wird der Kleine nicht groß. Man konnte Iggy auf der Mutter nicht so zufüttern wie er es brauchte und als er nur noch etwa ein halbes Kilo wog, konnte er nicht mehr bei der Mutter bleiben – er war nämlich kurz vor dem Geburtsgewicht. Das konnte man dem kleinen Zwei-Finger-Faultier nicht weiter zumuten.

Zweite Chance in Menschenhand

Iggy 1,5 Monate alt, schön sichtbar die zwei Krallen der „Hand“ | Foto: Heike Weber

Der Tierpark ist erfahren in der Handaufzucht von Faultieren und als klar war, dass ein Verbleib bei der Mutter ein Todesurteil wäre, fällte man die für den Kleinen lebensrettende Entscheidung für eine Aufzucht mit der Hand.

“Als „Mutterersatz“ bekam Iggy Kuscheltiere und die streichelnden Hände seiner „Ziehmütter“. Er wurde abwechselnd von verschiedenen Tierpflegerinnen und mir, der Zootierärztin, betreut. Zu Beginn bedeutete dies alle 2-3 Stunden füttern, mehrmals am Tag Körperkontakt (durch die Gegend tragen, streicheln) und baden, wenn der Bauch zu dick wurde. Ein dicker Bauch zeigt nämlich an, dass Kot- und Urinabsatz nötig sind. Faultiere haben eine unglaublich große Harnblase. Während Iggy oft alle 3-5 Tage „auf die Toilette“ musste, geschieht dies bei ausgewachsenen Tieren nur ca. einmal pro Woche. Die Faultiere klettern dazu auf den Boden. Jungtiere dagegen kann man mit einem Bad in warmem Wasser oder auch einer Massage zum Urinieren und Koten anregen. Das ist bei Handaufzuchten wichtig, denn sonst bekommen die Tiere leicht eine Verstopfung, die tödlich enden kann.” – Dr. Heike Weber

Faultier-Sorgenkind

Iggy, viereinhalb Monate alt | Foto: Franz Frieling

Mit viel Liebe und großem Respekt, sowie enormer Expertise, kümmerten sich die Verantwortlichen um den Kleinen, der zwar unglaublich süß ist, aber auch für einiges an Arbeit sorgt. Direkt zu Anfang gab es ein weiteres Problem: Ersatzmilch fand Iggy gar nicht lecker.  Also bekam er gleich gekochtes Gemüse, Reis, Obst, Salat, Ei und Laub gefüttert und wurde immer aktiver. Inzwischen ist er zu einem Kletterkünstler herangewachsen.

Alle Faultiere, auch Iggy, halten die Futterstücke und Äste übrigens ganz geschickt mit ihren Krallen fest. Das erfordert zu Beginn natürlich Übung und führt auch nicht selten zu totaler Matscherei oder Verlust des Futterstückes, aber irgendwann haben sie den Dreh raus.” – Dr. Heike Weber

Dadurch, dass er aber keine Milch mochte, gab es bestimmte Probleme ihm die Nährstoffe zu geben, die er brauchte. Er wusste auch schon früh mit seinen Eckzähnen sehr deutlich zu zeigen, wenn er etwas gar nicht mochte.

“Mal mochte er dies nicht, mal das nicht, hatte Probleme beim Kauen und musste zwischenzeitlich auch noch wegen einer Pilzinfektion im Maulbereich behandelt werden. Ein Faultier-Sorgenkind, das zwar sehr langsam, aber zum Glück doch immer stetig wuchs und an Gewicht zu nahm. Allerdings gab es Phasen, da war nicht sicher, ob er es schaffen würde.” – Dr. Heike Weber

Faultier-Baby Iggy heute

Iggys dicker Bauch, 5,5 Monate alt, Klettertraining | Foto: Heike Weber

Mit über sechs Monaten nabelt er sich nun mehr und mehr ab. Er ist aus dem Gröbsten raus und all die Arbeit der letzten Monate hat sich gelohnt: die Experten im Tierpark Nordhorn haben Iggy das Leben gerettet.

“Nun fehlt noch der letzte Schritt, nämlich die Gewöhnung von Iggy an das Faultiergehege, seine Artgenossen und die anderen Mitbewohner, also die Grünarassaris sowie die Landschildkröten. Deshalb wird er in den nächsten Wochen und Monaten täglich ein paar Stunden im Faultiergehege verbringen. Zunächst noch mit seinen Stofftieren und seinem gewohnten kleinen Transportkäfig als sichere Rückzugsmöglichkeit.” – Dr. Heike Weber

Das ist natürlich eine kritische Phase, aber mit Wutz, das zweite Zuchtweibchen und ebenso eine Handaufzucht, hat das auch schon gut geklappt. Bei ihr war der Grund allerdings sehr traurig, denn ihre Mutter starb. Der Mutter von Iggy aber geht es gut und ihrem Kleinen auch.

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