Wisent mit Sender-Halsband in der Döberitzer Heide | Foto: Uhu56, Lizenz: CC BY-SA 4.0

VdZ: Anzahl der Auswilderungen deutlich gestiegen

Exklusiv für zoos.media – 29.12.2020. Autor: Philipp J. Kroiß

Die VdZZoos haben in den vergangenen Jahren deutlich mehr Tiere ausgewildert als zuvor. Der Artikel wirft einen Blick auf und hinter diese gute Zahl.

VdZ: Anzahl der Auswilderungen deutlich gestiegen

Laut dem Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) e.V. konnten dessen Mitglieder die Anzahl der Auswilderungen deutlich erhöhen: “So wurden in den Jahren 2018 und 2019 insgesamt 3.072 Individuen aus VdZ-Einrichtungen in die Wildnis verbracht. Die Tiere gehörten zu 46 verschiedenen Arten. Zuletzt hatte der Verband der Zoologischen Gärten 2016 einige hundert Auswilderungen pro Jahr registriert.” Das ist dann doch eine deutliche Steigerung, die allerdings noch vor der Pandemie erzielt wurde.

“Ich bin sehr stolz darauf, dass wir als Verband unseren Einfluss auf den international vernetzten Artenschutz derart deutlich steigern konnten[.] Man darf nicht vergessen, dass die Auswilderungen so etwas wie die Königsdisziplin im Artenschutz darstellen. Das sind in der Regel hochkomplexe, langwierige und teure Prozesse. Umso mehr können wir als Zoogemeinschaft stolz darauf sein, dass wir Teil der Lösung auf das Problem des globalen Artensterbens sind.” – Prof. Dr. Jörg Junhold, Präsident des VdZ und Direktor des Zoo Leipzig

Kooperationen mit weiteren Tier-, Natur- und Artenschützern

Mit der Stiftung Artenschutz arbeitet der VdZ eng bei in-situ-Projekten zusammen. Sie ergänzen sinnvoll die ex-situ-Projekte im Bereich Artenschutz, Bildung und Forschung in den Mitgliedszoos. Nur wenn Projekte in situ und ex situ, also sowohl innerhalb als auch außerhalb des Lebensraumes der Tiere, stattfinden, lässt sich eine Art umfassend schützen.

“Wir haben zusammen gerade zehn neue Projekte für hochbedrohte Arten aufgelegt, unter anderem für das Java-Pustelschwein und den Attenborough-Langschnabeligel[.] Für uns bedeutet diese neue Form der Kooperation unter anderem, dass wir auch leben, was wir als Botschaft immer nach außen tragen – einen ganzheitlichen Ansatz beim Artenschutz, hier in Deutschland und global in der Wildnis, ein ‘One-Plan-Approach’ wie es international heißt.” – Volker Homes, Geschäftsführer des VdZ

Die Stiftung Artenschutz ist eine von vielen Kooperationspartnern von modernen Zoos und Aquarien in Deutschland, mit denen man eben die ex-situ-Maßnahmen in den Zoologischen Institutionen mit in-situ-Projekten sinnvoll verschalten kann. Manche Zoos aber bauen auch selbst Projekte in situ auf. Diese Verschaltung ermöglicht dann auch Auswilderungen, die nicht selten das Ergebnis jahrzehntelanger Arbeit sind.

Lemur-Laubfrosch (Agalychnis lemur) in Costa Rica | Foto: Frogmana, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Der Verein Frogs & Friends, die Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde und der Verband der Zoologischen Gärten kooperieren seit zwei Jahren im Projekt Citizen Conservation. Hierbei koordiniert man Privathalter und Zoos sowie Aquarien, die sich um den Schutz bedrohter Amphibienarten kümmern.

“Mittlerweile ist das Programm auf zehn Arten angewachsen[.] Zusammen mit den kundigen Privatleuten bemühen wir uns unter anderem um den vom Aussterben bedrohten Lemur-Laubfrosch und den Vietnam-Krokodilmolch. Gemeinsam können wir einfach mehr für den Erhalt der Natur erreichen.” – Volker Homes, Geschäftsführer des VdZ

Die Reihen mit den Privathaltern so effizient zu schließen ist sehr wichtig, denn dort besteht auch ein großer Wille, Artenschutz zu betreiben sowie eine beeindruckende Menge an Sachkenntnis. Privathalter können sich etwa sehr konzentriert auf eine Art spezialisieren, während ein Zoo mit einer Art kaum Besucher anlocken kann. Gleichzeitig ist aber bei beiden der Platz begrenzt. Wenn man natürlich nun die Tiere, die Kompetenzen und den Platz in einem Zuchtprojekt zusammenbringt, ist das ein großer Gewinn einmal für die Beteiligten, aber im besonderen auch für die Art, die geschützt wird, denn es braucht mehr kompetente Artenschützer in der Zeit der großen Aussterbewelle der Arten und eben nicht weniger. Wenn man kooperiert lässt sich enorm viel erreichen.

Artenschutz erschöpft sich nicht in Auswilderungen

Der Schwarzfußiltis (Mustela nigripes) wurde auch durch die Arbeit von Zoos vor dem Aussterben gerettet. | Foto: Kimberly Fraser / USFWS Mountain-Prairie, Lizenz: CC BY 2.0

Dass die Zahl der Auswilderungen der Zoos und Aquarien steigt, ist erfreulich, aber eben auch ein Ergebnis langjähriger Vorarbeit, die ohne Auswilderungen geschah. Gerade Zoogegner neigen gerne dazu, die Artenschutz-Relevanz von Zoologischen Gärten an der Zahl der Auswilderungen zu messen, aber das führt in die Irre. Bei manchen Arten sind Auswilderungen gar nicht möglich, weil aktuell gar kein Platz für die Tiere wäre. Trotzdem sind solche Haltungsprojekte wichtig und richtig, weil man sie braucht, um daran zu arbeiten, diesen Platz durch Erweiterung von Schutzgebieten zu schaffen. Die wenig geschützten Ökosysteme darf man nämlich erst recht nicht überfordern, da sie sonst unbrauchbar für alle Arten werden.

Ebenso braucht es Zeit, von Wildentnahmen etwa erstmal ein Zuchtprojekt aufzubauen. Je nach Komplexität der Art, Dauer der Generationen und der genetischen Diversität kann das lange dauern. So sehr sich dann alle über Auswilderungen am Ende freuen, so unpopulär sind noch die Anfänge solcher Projekte, was auch zeigt wie wichtig es ist, dass Zoos und die sie vertretenden Verbände auch die große Perspektive zeigen. Damit die Zahlen der Auswilderungen weiter ansteigen, muss man auch jetzt den Mut haben, sich genauso für die gezielte und natur- sowie tierverträgliche Entnahme wilder Tiere stark zu machen.

Bereits im vergangenen Jahr merkte der Artenschutz-Experte und Zoologe Dr. Dag Encke, der den Tiergarten in Nürnberg leitet, in einer Diskussion an, dass eben auch Wagemut im Artenschutz nötig wäre. Dabei kritisierte er eine Angst vor Tierverlusten bei Artenschutzprojekten – etwa bei der Erprobung der Haltung. Es wäre im Interesse des Artenschutzes nicht ausreichend, nur Tiere zu halten, bei denen man schon jahrelange gute Erfahrung haben würde, sondern man müsste auch Erfahrung mit anderen, noch wenig gepflegten Tierarten sammeln – wie etwa aktuell mit den Schuppentieren. Diese würden leider kaum gehalten, weil sie eben noch als schwer zu halten gelten würden, sind aber durch menschliche Nachstellungen in der Natur hochgradig gefährdet, sodass es notwendig wäre, Reservepopulationen in menschlicher Obhut zu haben. Erst in junger Vergangenheit habe das Vaquita-Projekt zur Rettung der letzten Kalifornischen Schweinswale gezeigt, dass man nicht zu lange zögern dürfe.

Welterstzucht der Vietnamesischen Krokodilmolches im Kölner Zoo | Foto: T. Ziegler

Solch ein Wagemut wird aber auch belohnt – etwa mit der Erstzucht und dann sogar schon eine bald darauf folgende Sendung der ersten Tiere nach Vietnam im Falle der dort beheimateten Krokodilmolche. Das ist ein Erfolg des Kölner Zoos und macht es nun möglich, dass diese Art auch in das Projekt Citizen Conservation Einzug erhält. Solcher Mut wird also belohnt und zumeist läuft es ja auch sehr gut, aber, wenn den Verantwortlichen, wie etwa beim Vaquita-Projekt, auf halber Strecke der Mut verlässt und man die Fangaktion stoppt, weil man auch extremen Gegenwind der Tierrechtsindustrie fürchtet, ist dem Artenschutz am Ende eben auch nicht Genüge getan, weshalb es gerade mit dem Hinblick auf den großen Erfolg des Anstieges der Zahl der Auswilderungen, so wichtig ist, auch auf den Mut derer hinzuweisen, die dafür die ersten Schritte getätigt haben.

Viele Arten hätte man ohne – auch teils weitreichende – Wildentnahmen nie wieder auswildern können, geschweige denn retten können. Dank solchem Wagemut haben aber aber von kleinen Amphibien bis zu großen Säugetieren und mächtigen Vögeln viele Arten überlebt. Das vor dem Hintergrund dieses Erfolges zu betonen, ist wichtig, besonders in einer Zeit, in der Tierrechtler und anderen Zoogegner versuchen, die Covid-19-Pandemie als dreistes Feigenblatt zu nutzen, um gegen solche Projekte vorzugehen, indem sie Wildentnahmen und deren Transport unmöglich machen wollen und Zoos wie Privathaltern Steine in den Weg legen.

Auch hier muss der Artenschutz also kämpfen und kann auch hervorragende Erfolge erzielen, die am Ende eben auch in erfolgreiche Auswilderungen münden. Das gehört zum Arbeitsalltag der Experten in modernen Zoos und Aquarien, die im Artenschutz sehr weit vorankommen, weil die Zeit jahrzehntelange Arbeit nun auch in solchen publikumswirksamen Auswilderungen mündet. Langfristig muss es aber auch so sein, dass andere Projektteile auch mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden wie etwa die Grundlagenforschung ohne die weder eine Auswilderung, noch überhaupt ein Zuchtprojekt, noch die Haltung generell je möglich wären.

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