Junges Westliches Zwergseidenäffchen (Cebuella pygmaea) im Tiergarten Schönbrunn | Foto: zoos.media

Warum Menschenrechte für Affen falsch sind

Exklusiv für zoos.media – 24.01.2021. Autor: Philipp J. Kroiß

Menschenrechte für Affen stehen immer wieder in der Diskussion: Was ist von der zu halten? Wer steckt dahinter? Wäre das sinnvoll? Dieser Artikel sucht nach Antworten.

Warum Menschenrechte für Affen falsch sind

Was häufig als fortschrittliche Ideologie verkauft wird, ist eine zutiefst rückwärtsgewandte Diskussion: der Aufhänger nahezu jeder Diskussion, die Menschenrechte für Primaten* diskutiert ist die genetische Ähnlichkeit. Es ist ganz so, als wären Jahrzehnte der Wissenschaft völlig obsolet. 2012 ergab ein Vergleich der Genomsequenzen von Mensch, Schimpanse und Bonobo, dass sich der Mensch vom Bonobo als auch vom Schimpansen um etwa 1,3% des genetischen Codes unterscheidet. Die beiden Menschenaffenarten untereinander trennen dagegen nur 0,4%. Schauen wir uns an, was Bonobos und Schimpansen unterscheidet, sind schon diese 0,4% bereits Welten – da muss man gar nicht bei der Optik verharren, sondern man sieht es auch im Sozialleben.

Esoterische Genetik

Silberrücken Kidogo im GorillaGarten des Zoo Krefeld | Foto: zoos.media

Unterschiedliche Studien finden dazu noch unterschiedlichere Prozentzahlen: andere fanden beispielsweise, dass Bonobos dem Menschen genetisch näher sind als Schimpansen und wie nah ist dann auch noch unterschiedlich. All diese Prozentzahlen aber eint eines: sie beschreiben ganze Welten des Auseinanderliegens, wenn man auf die Tierwelt doch mal mehr als oberflächlich blickt. Was sich für Laien wenig anhört, weil es ja angeblich kleine Zahlen sind, sind für Experten massive Unterschiede. Eigentlich sehen wir es doch schon bei Menschen: genetisch nahezu gleiche Voraussetzungen von mehr als sieben Milliarden Menschen, führen nicht nur zu unterschiedlichen Individuen, sondern auch Überzeugungen, Kulturen, Talenten und ähnlichem.

Diese laikale Auffassung von Genetik, die sich in angeblich kleine Unterschiede verrennt, kennt man aus dunkleren Zeiten dieser Welt, in der die angeblich so hohe Ähnlichkeit stärker pigmentierter Menschen mit eben jenen Affen betont wurde und diese dann Grund für übelste Diskriminierung war, die teils bis zum Tod führte. Solch esoterische, falsch verstandene Genetik war noch nie hilfreich. Gerade mit populistischer Genetik kann man sehr viel falsch machen und daher ist so ein “Argument” ein mehr als schlechter Aufhänger für die Diskussion um Menschenrechte für (Menschen-)Affen. Wir sollten nicht so tun, als wären Jahrzehnte seriöser Wissenschaft überflüssig gewesen und solcherlei Argumente ablegen.

Wie sind Menschenrechte entstanden?

Letztendlich ist die Genetik sowieso irrelevant, weil Menschenrechte nicht im Erbgut verankert sind. Es gibt kein “Menschenrechtsgen”, auf dem die abgespeichert sind und dann vererbt werden. Es gibt auch kein genetisches Erbe diesbezüglich, sondern die Menschenrechte sind Folgen historischer Ereignisse, die diese Rechte schließlich – nach und nach – für jede Gruppe der Menschen erschlossen. Die große Gemeinsamkeit dieser Ereignisse war immer, dass es sich in jedem Fall um einen Kampf für sich selbst beziehungsweise die eigene Gruppe handelte. So gelangte die Menschheit zu dieser wichtigen Errungenschaft, dass dank vielen Helden der Geschichte, jeder Mensch unumstößliche Rechte besitzt, einfach dadurch, dass die betreffende Person zu dieser genau definierten Gruppe “Menschheit” gehört, die dafür gestritten hat. Aus diesen Rechten erwachsen natürlich auch Pflichten.

Diese Menschenrechte haben aber noch eine wichtige andere Funktion: sie sind auch Abwehrrechte gegen den Staat. Die Idee dieser so genannten Freiheitsrechte sind – auf die Geschichte der menschlichen Spezies hin gesehen, sehr jung und entstanden in der Zeit der Aufklärung. Sie sind die erst ideologische, dann juristische Antwort auf staatliche Willkür. Eine Willkür, die wesentliche politische Änderungen, die die Ideen der Aufklärung nach sich zogen, möglich machte. Historisch sind die Menschenrechte und deren juristische Etablierung somit eben ein Ergebnis von intraspezifischen Sozialgefügen.

Portrait eines Berggorilla (Gorilla beringei beringei) aus der Titus Gruppe Ruanda | Foto: Charles J Sharp, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Aus diesem Grund ist die Ausweitung dieser Rechte auf andere Spezies auch so sinnlos. Schimpansen etwa haben keine intraspezifischen Staaten gegen deren Willkür sie sich durch diese Freiheitrechte (Recht auf Leben, Folter- und Sklavereiverbot) schützen müssten – es gibt keinerlei solche Bestrebungen in zahlreichen Beobachtungen dieser Tiere. Also die Freiheitsrechte machen schlicht keinen Sinn, weil sie nicht eingefordert werden und das übrigens in keiner Spezies außer der der Menschen. Es ist bei den Menschen auch nur ein intraspezifischer, singulärer Vorgang in der Natur, dass solche Rechte entstanden.

Neben den Freiheitsrechten gelten auch noch die klassischen staatsbürgerlichen und politischen Rechte (z.B.: Habeas-Corpus-Verbürgungen, Meinungs-, Religions-, Versammlungsfreiheit) als so genannte Menschenrechte der ersten Generation. Wenn wir bei den Schimpansen bleiben, wir können es aber auch auf alle anderen Affen ausweiten, existiert eben nicht nur kein Staat, sondern auch kein Staatsbürgertum, keine Diversität der Religionen oder ähnliches. Schimpansen versammeln sich wie sie wollen und äußern sich wie sie wollen – unabhängig irgendwelcher Rechte. Es gibt keinerlei intraspezifische Bestrebung solche auch irgendwie festzuschreiben.

Dazu ist es auch ein Wesen solcher intraspezifischen Prozesse beim Menschen, dass um diese Menschenrechte auch nach wie vor gerungen wird – nicht zuletzt in der Coronakrise. An diesen Diskussionen und auch an verschiedenen Kämpfen um diese Rechte können alle Menschen teilnehmen, weil es ja auch sie entsprechend betrifft. Wenn man nun diese Rechte auf Spezies außerhalb dieser Gemeinschaft ausweitet, müsste man auch für alle Betreffenden entsprechende Teilhabe an der Diskussion schaffen. Wie will man – ganz pointiert und plakativ gefasst – mit einem Zwergseidenäffchen eine juristische Diskussion führen? Bei aller genetischen Ähnlichkeiten wird das schwer. Wer will kann das beim nächsten Zoobesuch mal testen.

Fehlende Anwendbarkeit

Javaneraffe im Zoo Basel | Foto: Jamin, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Dieses Bild führt uns direkt auf das wichtige Thema der Anwendbarkeit: jeder Mensch, der für Menschenrechte eintritt, hat diese Möglichkeit sie selbstbestimmt wahrzunehmen. Das ist ein wesentlicher Faktor, warum das System auch so gut funktioniert. Ein Affe aber könnte das nicht. Wie sollten Gerichtsverhandlungen mit Schimpansen aussehen, wenn eine Gruppe mal wieder ihren Chef um die Ecke gebracht hat? Die kann es nicht geben, aber die Menschenrechte basieren darauf, dass jeder Rechteinhaber vor dem Gesetz gleich ist: wenn also die Schimpansen für den “Mord” nicht juristisch belangt werden, wie rechtfertigen wir dann, dass dies bei anderen Rechteinhabern sehr wohl geschieht und geschehen muss? Es funktioniert nicht ohne massive Ungerechtigkeit innerhalb dieser Gemeinschaft, die darauf basiert, dass es sich eigentlich um juristisch Gleiche unter Gleichen handelt.

Daran sieht man schon wie viel diese klein geredeten Prozente ausmachen: Pavian-Männchen sichern sich Sex mit Gewalt – solches Verhalten unter Menschen ist völlig zu recht strafbar, weil man sich intraspezifisch dazu entschieden hat, aber für Paviane ist das völlig normal. Wer unter Bonobos das sagen hat, basiert auf Alter und Geschlecht – nicht auf demokratischer Wahl. Wenn dann ein Männchen aufmuckt, verbünden sich die Weibchen und sorgen dafür, dass das Männchen nachdrücklich in seine Schranken verwiesen wird. Wie setzt man dann sein Recht auf politische Teilhabe durch? Das ist nicht möglich. Schimpansen betreiben brutale Leichenschändung – das wird ihnen kein Recht abgewöhnen können.

Das Prinzip “Recht” mit allen juristischen Implikationen existiert im Tierreich nicht. Es ist eine alleine Errungenschaft des Menschen – ob uns das zur Krone der Schöpfung macht, ist eine andere Diskussion, deren Existenz aber nichts daran ändert, dass wird dieses System nicht auf Tiere ausweiten können. Man kann es auch nicht antrainieren beziehungsweise sollte man es nicht, weil es unter Umständen für sie sogar gefährdend wäre, wenn man jetzt anfinge wilde Schimpansen irgendwas über Rechtsphilosophie beizubringen. Schon wer sich das vorstellt oder mal wirklich durchspielt, merkt schnell die Lächerlichkeit dieser Idee.

Was steckt dahinter?

“Cui bono?”, ist ein Zitat das seine Wurzel in einer Mordverhandlung vor vielen Jahrhunderten hat und inzwischen zum geflügelten Wort wurde, obwohl es zweifellos aus zwei lateinischen Wörtern besteht, die nach dem Vorteilhabenden fragen. Wem nützt es denn, dass Affen solche Rechte bekommen, die sie selbst nicht wahrnehmen können? Natürlich denen, die sie für sie wahrnehmen wollen. Die Tierrechtsindustrie macht sich seit Jahrzehnten zu einer Art Anwalt für rechtliche Belange von Tieren. Solcherlei Lächerlichkeit versucht man nun mit der Initiative, die Grundrechte für Affen fordert, in juristische Form zu gießen. Der Fall Sandra hat gezeigt, wie das dann ausgeht:

Orang-Utan-Weibchen Sandra: Der Hohn mit den Tierrechten

Hinter dieser ganzen Fassade aus Gen-Esoterik und Pseudo-Empathie geht es also schlicht darum, Macht über diese Tiere zu bekommen. Man versucht sich hier einer Vormundschaft zu ermächtigen, um letztendlich die Tiere legal missbrauchen zu können, denn natürlich kann ein Vormund von einem Orang-Utan alles behaupten, was das Tier angeblich will. Selbst wenn der Orang-Utan das verstehen könnte, wäre es ihm ja nicht mal möglich gegen so eine Fehlvertretung zu klagen. Affen also Rechte zu geben ist letztendlich nur ein Blankoscheck zum Missbrauch der Tiere – also etwas, wovor der Tierschutz, sie ja gerade schützen will. Somit ist es auch gefährlich falsch zu behaupten, dass das Fordern solcher Rechte etwas mit Tierschutz zu tun habe. Dieser Forderung ist das absolute Gegenteil von Tierschutz.

Die ganze von der Tierrechtsindustrie angeregte Diskussion ist ein Musterbeispiel für Populismus: eine schwach belegte Forderung mit Applaus-Potential bei Talkshows wird als ultima ratio präsentiert, obwohl sie das genaue Gegenteil ist. Das erleben wir besonders aktuell häufig im Bereich des Natur- und Artenschutzes, sowie darüber hinaus. Wer aber für solchen Populismus klatscht, ist im Begriff sich nicht lange Zeit später genau dafür zu schämen, weil er betrogen wurde. Diese Betrugsmasche mit Menschenrechten für Affen ist aber zum Glück bereits heute sehr gut absehbar.

Was wäre wirklich gut & wichtig für Affen?

Wie kann man nun aber Affen wirklich etwas Gutes tun? Die Antwort ist einfach: ein One Plan Approach, der übrigens durch die Zusprechung von Rechten für diese Tiere unmöglich gemacht würde. Er beinhaltet die Kombination von Schutzmaßnahmen ex situ (wie zum Beispiel Erhaltungszucht) und in situ (wie zum Beispiel Lebensraumschutz). Das erklärt der Artenschutz-Experte Wolfgang Rades in diesem Video sehr gut:

Die Krise der Menschenaffen sowie die der übrigen Affen lässt sich nicht damit lösen, dass man ihnen Rechte gibt, sondern es geht darum ihre Art mitsamt den Lebensraum zu schützen, was Zoos und Aquarien viel erfolgreicher tun als jede Tierrechtsorganisation, die Interesse an diesen Tieren heuchelt. Hier muss man stärken und das tut ja auch bereits eine Vielzahl von Menschen, indem sie Zoologische Gärten durch Eintrittsgelder oder sogar durch Mitgliedschaften in Fördervereinen unterstützt. Das ist der Weg für eine Zukunft für Affen.

 

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* Oft wird die Bezeichnung Primaten mit Affen synonym verwendet, was besonders in dieser Diskussion eigentlich falsch ist. Warum? Zu den Primaten gehört auch der Mensch. Der hat ja aber schon Menschenrechte. Deshalb ist die Formulierung “Menschenrechte für Primaten” etwas schief, weil man kann ja nicht Menschenrechte für solche fordern, die bereits solche haben. Somit wäre die Primateninitiative in Basel eigentlich eine Affeninitiative, weil nur für diese Gruppe ja eine rechtliche Änderung angestrebt wird. Daher sprechen wir auch in diesem Artikel von Affen, was ja auch vor dem Hintergrund den meisten Sinn macht, weil die Menschen ja nicht vom Aussterben bedroht sind und keinen One Plan Approach brauchen.

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