Delfin und Seelöwe im Tiergarten Nürnberg | Foto: Mammalwatcher, Lizenz: CC0 1.0

WDC: Dreiste Lügen in angeblichem „Hintergrundbericht“ über Delfinarien

Exklusiv für zoos.media – 27.01.2020. Autor: Philipp J. Kroiß

Die Anti-Delfinarien-Organisation WDC belügt die Rezipienten ihres angeblichen “Hintergrundberichtes” über die Delfinarien, indem wesentliche Forschungsarbeiten ignoriert werden.

WDC: Dreiste Lügen in angeblichem „Hintergrundbericht“ über Delfinarien

Dass der WDC jenseits moderner Forschung argumentiert und Fakten auch schon gern mal für die eigene Ideologie verbiegt, ist bekannt. Der neue Hintergrundbericht setzt dem Ganzen aber eine Krone auf. Dass in Bezug auf die Jungtiersterblichkeit etwa bei Zahlen aus der Natur die große Dunkelziffer ignoriert wird, um die Öffentlichkeit zu desinformieren, gehört beim WDC ja schon fast zum Standard. Was aber im jüngsten “Hintergrundbericht” passierte, ist beispiellos.

Tote Jungtiere einfach ausgedacht

Als es im Rahmen der Jungtiersterblichkeit um Einzelfälle geht, beschreibt der WDC sechs Jungtiere, die angeblich in Nürnberg zwischen 2004 und 2007 verstorben wären samt möglicher Todesursachen. Der Clou an der ganzen Sache: diese Jungtiere gab es nie, denn der Vater aller soll angeblich der Duisburg Delfin Ivo sein, der allerdings nie im Tiergarten Nürnberg lebte.

Es ist bemerkenswert wie sich der WDC das vorstellt: Delfinvermehrung durch Pollenflug etwa? Aber Spaß bei Seite: hier wird dreist gelogen. Jungtieren, die es nie gab, werden irgendwelche Todesursachen zugeordnet und damit versucht man die Öffentlichkeit und natürlich auch die Politik, die die genauen Daten wahrscheinlich eher nicht kennt, zu täuschen.

Verfälschung von Forschung

Große Tümmler im Dolphin Research Center | Foto: Reinhard Link, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Eine weitere Lüge tischt der WDC seinen Lesern in diesem Satz auf: “Jaakkola et al. kommen zu dem Ergebnis, dass sich das Durchschnittsalter zwischen den in Gefangenschaft lebenden Großen Tümmlern und der untersuchten freilebenden Population ähnelt (ca. 24 Jahre)” . Die Studie haben wir hier auf zoos.media ausführlich besprochen und unsere Leser wissen, dass diese Aussage schlicht nicht stimmt.

“Betrachtet man die mittlere Lebenserwartung [von Großen Tümmlern], so findet man mit 17,4 Jahren die höchste in der Natur bei der Population von Sarasota Bay. Bei Verwendung der gleichen Methode, die zur Analyse der Population von Sarasota Bay verwendet wurde, für Delfine in US-amerikanischen Delfinarien betrug die mittlere Lebenserwartung 24,0 Jahre. Diese überprüfbaren Zahlen widerlegen einen bekannten Mythos, dass Delfine in der Natur länger leben als im Delfinarium.” – Nachzulesen in unserer Pressemitteilung dazu.

Der WDC verdreht hier also völlig die Tatsachen. Das kann auch jeder in der Studie selbst nachlesen. Die fragwürdige Anti-Delfinarien-Organisation hofft wohl darauf, dass ihre Leser dies nicht tun, denn es ist so blitzschnell widerlegt. Wenn doch angeblich die Wahrheit auf der Seite des WDC ist, warum wird dann so dreist gelogen, mag sich der informierte Leser fragen. Nun, weil die Wahrheit und die aktuelle Forschung völlig im Gegensatz zu den Aussagen des WDC steht.

In modernen, akkreditierten und/oder zertifizierten Delfinarien geht es Großen Tümmlern gut, da in diesen renommierten Einrichtungen die Tiere gesünder (Fair et al., 2017) und weniger gestresst (Proie, 2013 & Monreal-Pawlowsky at al., 2017) sind als ihre wilden Artgenossen – sie werden also nicht nur älter, sondern zeigen auch andere Zeichen des Wohlbefindens. Die Tiere nehmen auch gerne an Trainingseinheiten teil und setzen dabei Glückshormone frei (Clegg et al., 2018; Ridgway et al., 2014). Über 80 der weltweit renommiertesten Wissenschaftler auf diesem Gebiet unterstützen die Haltung von Meeressäugern in modernen Zoos und Aquarien und unterstreichen die enorme Bedeutung dieser Haltung für wichtige Naturschutzprojekte und die Wissenschaft.

Zahlreiche Beispiel der Desinformation

Wild dolphin with deep scars and skin lesions in Cromarty Firth (Scotland) | Photo: Rene, license: public domain

„In freier Wildbahn legen Delfine pro Tag bis zu 30 km Strecke zurück!“, behauptet der WDC in seinem Bericht und illustriert das mit der Strecke zwischen Bochum und Duisburg, wobei die beiden Städte auf einem Schaubild durch eine stilisierte Straße verbunden werden. Auf der Straße ist die Entfernung aber fast 40 Kilometer lang und die Luftlinie beträgt etwas weniger als 32 Kilometer. In der Natur sind die Großen Tümmler auch nicht frei – wie kein Tier in der Wildbahn frei ist.

Aber in dieser einen Kombination von Bild und Wort steckt noch mehr Desinformation. In Duisburg und Nürnberg hält man Große Tümmler residenten Ökotyps. Die reisen nicht, sondern bleiben größtenteils an einem Ort. Gemäß Connor et al. (2000) halten sich die Großen Tümmler im Ursprungsgebiet der Tiere aus Duisburg und Nürnberg in kleinen Gebieten von 1-2 Quadratkilometern Größe auf – allein Duisburg ist rund 233 Quadratkilometer groß. Vor dem Hintergrund ist das Schaubild also auch falsch.

Dazu wird der Aktionsraum der Großen Tümmler in der Natur nur dadurch vergrößert, dass sie Nahrung suchen müssen. Wenn Delfine an einem Ort Nahrung finden, bleiben sie dort. Bekanntestes Beispiel dafür ist Monkey Mia in Australien, wo Touristen wilde Delfine mit toten Fischen füttern. Inzwischen wird darauf geachtet, dass die gefütterte Fischmenge nicht den Tagesbedarf dieser Tiere deckt, denn dann blieben sie nur in der Bucht und würden sich nicht mehr rausbewegen. In der Natur legen die Delfine also nicht aus Spaß große Strecken zurück, sondern aus Zwang, weil sie an einer Stelle nicht genügend Futter bekommen. Im Delfinarium ist dieser Zwang nicht vorhanden.

WDC zitiert aus dem Jahrbuch von 2004 der EAZA zur Zuchtpopulation von Großen Tümmlern, wobei die Jungtiersterblichkeit angesprochen wird und behauptet daraufhin: “Demnach kommt die EAZA zu dem Schluss, dass die hohe Neugeborenen-Sterblichkeit der Großen Tümmler in Gefangenschaft so hoch ist, dass sie sich nicht durch die ex-situ Zucht erhalten kann.” Das ist falsch und gar nicht der aktuelle Stand. Seit 2004 ist ja ein bisschen Zeit vergangen und inzwischen hat die Zuchtbuchführung mehrfach erklärt, dass die Population selbsterhaltend ist – unter anderem bei einer Anhörung vor dem Bundestag bei der das WDC dabei war.

So gibt es noch zahlreiche weitere Beispiele und es wäre müssig nun jedes zu besprechen, weil wir viele Behauptungen auch schon unzählige Male bereits widerlegt haben. Es sind ja letztendlich meist die gleichen Lügen, Fehlinformationen und Desinformationen mit denen die Tierrechtsindustrie versucht, die Uninformiertheit ihrer Rezipienten auszunutzen.

Der angebliche Ausweg

Im “Hintergrundbericht” wird auch eine angebliche Lösung präsentiert: Meeresrefugien. Aber der WDC wäre wohl nicht der WDC, wenn auch da nicht wieder etwas verschwiegen würde, um es sich zu zurecht zu lügen, dass es der eigenen Ideologie entspricht, um den ganzen, eigentlich tragischen Umstand mal flapsig zu formulieren. Dass WDC bereits daran gescheitert ist, ein solches “Refugium” für Große Tümmler aufzubauen, wird gar nicht erwähnt, stattdessen setzt man Links zu Luftschlossprojekten, wie etwa diesem hier, und stark umstrittenen, wie diesem hier.

Als Musterbeispiel wird das Beluga-Refugium in Island hervorgezeigt. Ein Projekt mit massivem Startschwierigkeiten: ein Tier ist bereits gestorben, die Haltung der Belugas, wenn sie dann überhaupt mal ins Refugium kommen, ist zudem auch mit Tierschutz nicht vereinbar und wird nur möglich dank der schwachen Gesetzgebung zum Schutz von Walen in der Walfangnation Island möglich. Wir haben darüber ausführlich berichtet. Mehr Infos gibt es dazu in diesem Video:

Der Ausweg ist also eine Sackgasse: ein tierschutzwidriges Endlager für Wale. Die Großen Tümmler in Deutschland sind nicht auswilderungsfähig. Sie sollen in unnatürlichen Gruppen, die sich aufgrund mangelnder Zucht bilden werden, in Netzkäfigen auf den Tod warten, wenn es nach dem WDC geht. Dass die sozialen Gruppen in zum Beispiel dem Duisburger Zoo allerdings völlig natürlich sind, hat eine vergleichende Studie sehr klar gezeigt und das wird auch so bleiben, wenn man weiter diese Tiere weiter züchtet. Dass der WDC diese Studie auch ignoriert ist vermutlich inzwischen wenig überraschend.

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