Im Zoo von Detroit können die Besucher Eisbären durch einen Tunnel beobachten. | Foto: Detroitzoo, Lizenz: CC BY-SA 4.0

WDR 5: Peinliche Zitate-Kachel desinformiert über Zoos

Exklusiv für zoos.media – 06.09.2020. Autor: Philipp J. Kroiß

Bleiben Zoobesucher nur maximal 40 Sekunden vor einem Tiergehege und wenn ja, was sagt das aus? Dieser Artikel liefert Analysen zu einer Aussage auf WDR 5.

WDR 5: Peinliche Zitate-Kachel desinformiert über Zoos

Nach einer seriösen Berichterstattung bei Quarks im TV, zeigen nun die Radiokollegen von WDR 5 wie es eben nicht geht: einseitige Berichterstattung, fragwürdige Experten-Auswahl, Argumentation fernab der Forschung. Diese Zitate-Kachel bringt das Scheitern auf den Punkt:

Der Fehler des Durchschnitts

Die Zitierte ist seit fast 10 Jahren Universitätsassistentin am Messerli Forschungsinstitut und studierte mal Germanistik, Philosophie und Ethik an der Universität Tübingen und schloss ihr Staatsexamen mit einer linguistischen Zulassungsarbeit zu mentalen Ausdrücken in der Kindersprache und der daran ablesbaren Entwicklung einer Theory of Mind bei Kindern ab – weitere biografische Details hier. Dass es Judith Benz-Schwarzburg an Praxis bezüglich der Tiergartenbiologie zu mangeln scheint, merkt man in diesem Zitat sehr gut, denn diese Einschätzung scheitert an wesentlichen Grundlagen. Warum? Nicht jeder Besucher mag jedes Tier und das ist auch gar nicht der Anspruch eines Zoos.

So wird ein Durchschnittswert trügerisch, denn man darf auch nicht vergessen, dass nicht jeder bei jedem Zoobesuch sich alles anschaut. Der eine liebt zum Beispiel Elefanten und findet Fische langweilig. Der steht dann 10 Minuten vor den Elefanten, beobachtet die Tiere und liest sich die Aushänge durch. Wenn man sich nun aber anschaut, wie diese Person im Zoo verweilt und sie geht an 10 Fischbecken einfach nur vorbei und man zählt das mit einer Sekunde, dann gäbe es bei dieser Betrachtung eine insgesamte Verweildauer von 10:10 min (610 Sekunden) – im Durchschnitt steht der Besucher also 55,5 Sekunden vor jedem Gehege. Was sagt das über seinen tatsächlichen Besuch aus? Nichts.

An diesem vereinfachten Beispiel sieht man, wie trügerisch solche Durchschnittszahlen sind. Ein Zoo hat ja gar nicht das Anliegen, dass jedes einzelne Gehege jeden Besucher fesselt, sondern man bietet einen bunten Blumenstrauß an Tierarten an und jeder Besucher schaut sich die Tiere an, die dann entsprechend gefallen. Daher ist die durchschnittliche Verweildauer vor Gehegen auf den ganzen Zoo gesehen kein seriöser Messwert und Experten wissen das auch. Wie Experten dann Gehege evaluieren, sieht man sehr gut anhand dieser Studie – ebenfalls über ein Elefantengehege wie bei unserem Modellbeispiel. Das wurde im Durchschnitt 8,48 Minuten angeschaut, aber viel wichtiger: es wurde nicht nur angeschaut, sondern auch gelernt. Der viel bedeutendere Wert ist nämlich der Anteil an Besuchern, der sich tatsächlich die Informationsangebote durchgelesen hat, und der lag bei 72%.

Artenschutz im Zoo kommt bei den Besuchern an

Judith Benz-Schwarzburg ignoriert aber auch einfach Publikationen, die sich genau mit der Frage, die sie mit einem desinformativen Wert zu beantworten sucht, beschäftigen, über die wir schon häufig berichtet haben.

Wertvolle Bildungsarbeit in Zoos

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Das ist nur eine Auswahl von den Veröffentlichungen, die zeigen wie gut Bildungsarbeit im im Zoo funktioniert. Ebenfalls interessant ist ja auch, dass die Besucher selbst bezeugen, dass Ihnen auf dieser Ebene ein Zoobesuch viel bringt, denn: “Über zwei Drittel der Zoobesucher haben viel oder sogar sehr viel über Tiere erfahren.” Das ergab eine Forsa-Umfrage und widerlegt auch nochmal hervorragend mit sehr aktuellen Zahlen die Ausführungen von Judith Benz-Schwarzburg.

Besucher werden nicht nur vor den Gehegen informiert

Asiatische Elefanten baden im Zoo Leipzig | Foto: Fiver, der Hellseher, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Mangelnde Praxis in Zoos merkt man beim Zitat auch daran, dass man wie selbstverständlich davon ausgeht, die Bildungsarbeit beschränke sich nur auf die Präsentation von Tieren in Gehegen. Das ist aber nur die winzig kleine Spitze des riesigen Eisbergs. Es gibt ja auch noch zahlreiche Führungen, Thementage, moderierte Schaufütterungen, Tierpflegergespräche, Infomaterial zum Mitnehmen, Treffen von verschiedenen Tieren hautnah und die Zooschule – all das passiert in modernen Zoo verknüpft mit der Bildung der Besucher. Das zu ignorieren, ist ein sehr starkes Stück für jemanden, der ja auch selbst zugestimmt haben muss, als Experte in diesen Fragen befragt zu werden.

Das ist als würde man ein Museum auch nur darauf beschränken wie lange die Besucher im Durchschnitt vor Exponaten verweilen, was auch relatitätsfremd wäre, denn auch Museen haben nicht den Anspruch, dass jedem alles gleich gefällt, sondern auch sie bieten einen Blumenstrauß an Exponaten an wie es viele Kulturangebote tun. Man misst ja auch nicht eine Bibliothek an Durchschnittswerten wie viel Zeit jeder Besucher mit jedem Buch verbracht hat. So etwas ist allein schon von der Logik her abstrus.

Bemerkenswert ist aber, dass WDR 5 solche offensichtlichen Fehler gar nicht auffallen. Der WDR berichtet ja durchaus über Zoos und es ist schon spannend, dass den Radiokollegen wohl nicht mal eingefallen ist, mit ihren TV-Kollegen darüber zu sprechen, ob diese Ausführungen und im Besonderen diese Zitat-Kachel denn überhaupt der Richtigkeit entsprechen. Es fand offenbar keinerlei kritische Überprüfung des Inhalts statt, noch eine Einordnung. Es wäre ja möglich gewesen, darauf hinzuweisen, dass dies eine persönliche Meinung dieser Person darstellt, sich aber nicht mit seriöser Forschung in Einklang bringen lässt. Das wäre wichtig für die Rezipienten gewesen, die ja eigentlich davon ausgehen dürften, dass beim WDR als öffentlich-rechtlicher Sender so eine Überprüfung auch selbstverständlich stattfindet.

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