Elefantenherde in Kenia | Foto: Maryam Laura Moazedi, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Wenn Zoogegner versuchen, Tiere auszuwildern

Exklusiv für zoos.media – 09.07.2021. Autor: Philipp J. Kroiß

Aktuell macht ein mehr als fragwürdiges Auswilderungsvorhaben von Afrikanischen Elefanten Schlagzeilen – dieser Artikel schaut auf die Hintergründe.

Wenn Zoogegner versuchen, Tiere auszuwildern

Die Aspinall Foundation war noch nie sehr erfolgreich, was Gorilla-Auswilderungen betrifft und versucht sich nun an Elefanten. Das Projekt selbst ist mehr als unseriös – keine Überraschung bei dieser Stiftung, aber es ist begrüßenswert, dass die echten Artenschützer vor Ort eine klare Kante zeigen.


Dies blieb auch von den Medien nicht unbeachtet: von Guardian bis Spiegel wurde international darüber berichtet – allerdings meist mit einem Spin, der auf Boris Johnsons Ehefrau Carrie abzielte und nicht auf die Machenschaften der Zoogegner-Organisation. Das ist deshalb ein Problem, weil es den Konflikt auf Personen herunterbricht, obgleich es ein systematisches Problem ist, an dem auch die Medien selbst nicht unschuldig sind. Ihr unkritischer Umgang mit Organisationen, die sich nach eigenen Angaben dem Tier-, Natur-, Klima- oder wahlweise dem Artenschutz verschrieben haben, ist wesentlich Schuld daran, dass unseriöse Vertreter wie die Aspinall Foundation, die Fondation Franz Weber oder auch PETA so groß werden konnten, während seriöse Vertreter vermehrt unbeachtet bleiben.

Aspinalls scheitern bei Gorillas

Schreckliche Story, die Aktivisten vertuschen wollen

Gegen Expertenrat wurden von dieser Stiftung Gorillas “ausgewildert” und man scheiterte am laufenden Band. Das forderte das Leben von nicht wenigen Gorillas, was bei der sehr stark bedrohten Art, die betroffen war, eben allein schon problematisch war. Die Ironie der Geschichte, die selbige zu einem Happy End brachte, war die, dass es ausgerechnet ein Zoo war, der sich der Auswilderungsoperation als Partner anschloss und so das zahlreiche Sterben beendete sowie sogar ermöglichte, dass zumindest ein ausgewilderter Gorilla nun auch Leben schenkte.

Gorillas aus Menschenobhut in Natur Eltern geworden

So musste ein Zoo mal wieder Feuerwehr bei einem Projekt spielen, dass Aktivisten mit beständiger Penetranz mehrfach gegen die Wand gefahren hatten. Statt daraus zu lernen, so etwas in Zukunft vielleicht echten Experten und Artenschützern zu überlassen, will die selbe Stiftung aber weiter machen. Ihre nächsten Opfer sind Elefanten.

Experte zerlegt das Elefanten-Projekt

Elefantenkuh mit Kalb in der Grassteppe vom Masai Mara | Foto: PatriBerg; Lizenz: CC BY-SA 4.0

Professor Keith Somerville vom Durrell Institute of Conservation and Ecology (DICE) der School of Anthropology and Conservation der Universität von Kent in Großbritannien kommentiert, dass dies “ein teures, stressiges und potenziell riskantes Vorhaben” sei, “das viel Medienaufmerksamkeit erregt, aber nichts Wertvolles für den Elefantenschutz leistet”. Der Grund dafür ist recht einfach erklärt: “Kenia braucht keine Elefanten mehr.” Seit den 1990er Jahren hat sich die Elefanten-Population in Kenia mehr als verdoppelt. Was gut klingt, sorgt aber auch für Probleme, denn dadurch gibt es dort nun mehr Mensch-Tier-Konflikte, da Elefanten in der Trockenzeit wandern müssen und dabei die Ernte der Bauern vor Ort verwüsten, auch leider Menschen töten und Wasserpumpen sowie Viehzäune zerstören. Jetzt in diese Situation noch mehr Elefanten einzuführen, wäre schlicht kontraproduktiv.

Als Beispiel wie sowas auch schief gehen kann, nennt er die Auswilderung von Nashörnern aus dem Lake Nakuru National Park im Tsavo National Park – die Tiere starben sehr schnell. Laut dem Experten berichtete Save the Rhino damals, dass die Nashörner “an einem multiplen Stresssyndrom starben, das durch Salzvergiftung, Dehydration, Hunger und Magenprobleme verstärkt wurde”. Eine unabhängige Untersuchung, die vom kenianischen Ministerium für Tourismus und Wildtiere initiiert wurde, habe dann aber festgestellt, dass “bei der Auswilderung eine klare berufliche Fahrlässigkeit vorlag und eine schlechte Kommunikation zwischen den Teams dazu führte, dass Probleme nicht erkannt wurden”. Der Experte erklärt in Bezug auf die Elefanten nun:

“Dies waren wilde Nashörner, die von einem Nationalpark in einen anderen umgesiedelt wurden und sich nicht an die Wasserqualität und die Vegetation anpassen konnten, was zu schweren Magenproblemen und Hunger führte. Aspinalls Elefanten wurden in Menschenobhut gezüchtet, sind an britische Wetterbedingungen gewöhnt und wurden ihr ganzes Leben lang gefüttert und getränkt. Sie mussten sich in der Trockenzeit nicht um Trinkwasser kümmern, wissen müssen, welche Blätter und Gräser essbar, welche giftig oder unverdaulich sind und wie sie junge Elefanten vor Löwen schützen können. Drei der umgesiedelten Elefanten werden als Kälber bezeichnet.” – Prof. Somerville, Universität Kent

Das ist keine generelle Absage an Auswilderungen, aber der Experte macht klar:

“Auswilderung kann funktionieren, und wenn eine Art stark gefährdet ist, können die Risiken es wert sein, eingegangen zu werden. Damian Aspinall hat jedoch zugegeben, dass dies ein riskantes Unterfangen ist. Da es Kenias Elefanten gut geht, scheint mir dies ein zu hohes Risiko zu sein. Bei einer größer werdenden nationalen Elefantenpopulation in Kombination mit einem hohen Maß an Mensch-Elefanten-Konflikten mit Menschen- und Elefantensterblichkeit, Erntezerstörung, Infrastrukturschäden und wachsender menschlicher Feindseligkeit ist dies kein guter Weg für den Naturschutz und für Kenias Elefanten.” – Prof. Somerville, Universität Kent

Was wäre besser?

Allerdings müsste das Engagement der Aspinall Foundation an dieser Stelle nicht enden. “Das Geld sollte in Projekte investiert werden, die dazu beitragen, den Konflikt zwischen Mensch und Elefant zu mildern, und nicht in um den Globus fliegende Elefanten, die wahrscheinlich in der Natur, an die sie nicht gewöhnt sind, sterben”, erklärt Prof. Somerville. Hier sind seriöse Artenschützer schon länger aktiv – so natürlich auch Zoos. In Sri Lanka zum Beispiel ist der Kölner Zoo sehr aktiv, wenn es darum geht Elefanten zu erforschen, sie auszuwildern und auch die Mensch-Tier-Konflike zu managen. Das bezieht sich auf die asiatischen Elefanten vor Ort. Zoo-Vorstand Christopher Landsberg und Kurator Dr. Alexander Sliwa sind auf Seiten des Zoos in Köln für das Projekt verantwortlich. Ein ehemaliger Elefantenpfleger des Kölner Zoos, Brian Batstone, fungiert als Vermittler zwischen Köln und Sri Lanka. Hier ist also der Zoo wirklich sehr involviert, was deshalb ein gutes Beispiel ist, um zu zeigen wie Zoologische Gärten aktiv arbeiten.

Um den Bogen nach Afrika wieder zu spannen, ist sicherlich das Engagement vom Grünen Zoo Wuppertal ein leuchtendes Beispiel, das eben auch zeigt wie umfassend man Elefanten schützen muss. In diesem Video gibt er Direktor des Zoos, Dr. Arne Lawrenz, der auch selbst Elefanten-Experte ist, einen Einblick in die Arbeit des Zoos im Zusammenhang mit der Big Life Foundation:

Auch hier sind es also wieder Zoologische Gärten, die zeigen wie es geht – und wie es vor allem effektiv und erfolgreich geht. Hier könnte sich auch die Aspinall Foundation betätigen, tut sie aber nicht, sondern macht lieber den Schulterschluss mit Aktivisten und hetzt gegen Zoos, die sehr offensichtlich bessere Arbeit machen, wenn es zum Beispiel um Gorillas oder Elefanten geht. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass die Aspinall-Masche einfach darin besteht, durch mehr als fragwürdige Auswilderungsaktionen in die Medien zu kommen, um so Geld zu verdienen. Diese Tiere oder gar der Artenschutz sind nur Mittel zum Zweck und werden den monetären Interessen sehr offensichtlich untergeordnet.

Falsche Ideen zu Auswilderungen

Borneo-Orang-Utan (Pongo pygmaeus) im Tanjung Puting National Park | Foto: Thomas Fuhrmann, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Mit verantwortlich dafür, dass diese Masche funktioniert, sind auch einige Medien. Dort erzählt man gerne rührende Auswilderungsgeschichten ohne nachzufragen oder zu hinterfragen. Das ist ja nicht nur bei den Aspinall-Gorillas so gewesen, sondern auch bei teils sehr unseriösen Orang-Utan-Auswilderungen, um mal beim Beispiel Menschenaffen zu bleiben. Auswilderungen sind aber längst nicht immer und auch nicht per se gut. Hier muss man Kosten und Nutzen sehr genau abwägen. Wenn man den für Menschenaffen immer kleiner werdenden Lebensraum mit Tieren vollstopft, ist den Menschenaffen, aber auch den übrigen Bewohnern des Ökosystems, gar nicht geholfen. Das sieht man auch an Elefanten: es gibt mit Elefanten überfüllte Nationalparks, was für diese ganzen Parks problematisch ist. Begrenzte Ökosysteme können nicht unbegrenzt Tiere aufnehmen, denn natürlich sind in der Natur Ökosysteme auch begrenzt.

Das Problem also, warum Auswilderungen so oberflächlich positiv betrachtet werden, ist vor allem ein Mangel an Bildung, obgleich das Prinzip gar nicht schwer zu verstehen ist. Die Aussterbekrise der Elefanten ist nicht dann vom Tisch, wenn sich die Elefanten in den Nationalparks stapeln, sondern dann, wenn sämtliche Ökosysteme genau die richtige Dosis an Elefanten haben. Deshalb sind zu viele Elefanten in einem Nationalpark genau so ein großes Problem wie zu wenige. Eine bessere Verteilung der Elefanten in den Nationalparks ließe sich durch Vernetzung der Nationalparks lösen, sodass die Tiere selbstständig und ihrer eigenen Möglichkeiten gemäß wandern könnten. Das wird aber durch Grenzen und schlecht geplante Infrastrukturprojekte, die die Natur nicht mitgedacht haben, verhindert. So wird man Elefanten unter Umständen irgendwann mal schießen müssen, wenn man durch Abgabe an seriöse Tierhalter nicht Druck von den Nationalparks nehmen könnte.

Ironischerweise sind des Zoogegner, die das genau verhindern wollen, indem sie Importverbote pushen. Sie sehen die Elefanten eben, allem Anschein nach, lieber erschossen im Nationalpark als im Zoo. Im Zoo könnten sie aber Botschafter dafür werden, die Nationalparks zu vernetzen. Tot bringen sie keinem was. Daher sind Mitglieder der Tierrechtsindustrie und ihre Kollaborateure, wozu auch die Aspinall Foundation zu zählen ist, vor allem Teil des Problems und eben nicht Teil der Lösung, die wiederum seriös arbeitende Zoologische Gärten darstellen. Auswilderung um jeden Preis, weil es sich ja so gut in den Medien macht, ist eine zutiefst schädlich Ideologie. Sie gefährdet nämlich den Artenschutz massiv. Auswilderungen sollte man wirklich den Experten überlassen und das sind nun mal die seriösen Zoos und Aquarien, die schon vielen Arten das Überleben gesichert haben.

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