Durch eine Windkraftanlage getöteter Rotmilan | Foto: Martin Lindner, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Windkraftindustrie will Naturschutz aufweichen

Erschienen auf welt.de am 04.09.2019. | Von: Daniel Wetzel

Für die Windkraftlobby sind bedrohte Arten ein “Planungshindernis” und sie fordert nun, dass es zukünftig heißen muss: “Im Zweifel für die Windenergie.”

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Die Eisgraue Fledermaus hat massiv unter Windkraftanlagen zu leiden. | Foto: Daniel Neal, Lizenz: CC BY 2.0

Anmerkung: In der Wärmesaison fallen über 5 Milliarden Tiere pro Tag allein in Deutschland den Windrädern zum Opfer. Ein Großteil davon sind Insekten und das in teils bedrohlichem Ausmaß, weshalb ihnen zumindest eine Teilschuld am häufig beklagten Insektensterben zugesprochen wird. Aber auch bedrohten Vögel und Fledermäuse werden von den Windrädern getötet. Im Artikel geht es hauptsächlich um Vögel. Man muss sehen, dass die Vorschriften für das Erbauen eines Windrades recht schwammig formuliert sind, weshalb es nicht selten diesen Zweifel gibt. Im Zweifel für die Windenergie bedeutet also im Zweifel gegen den Natur- und Artenschutz. Dazu ein Auszug aus dem Artikel:

„Im Zweifel für die Windenergie“ ist für die Branche ein praktisches Motto auch deshalb, weil sie Zweifel nach Belieben selbst erzeugen kann: Nach aktueller Regelung bezahlen Windkraft-Investoren schließlich die vogelkundliche Untersuchung selbst und können sich entsprechend auch den passenden Gutachter aussuchen.

Vogelkundler haben damit einen gewissen finanziellen Anreiz, einfach mal wegzuschauen, wenn der Brutplatz eines bedrohten Vogels das Projekt des Auftraggebers gefährdet: Man will ja schließlich noch weiter empfohlen werden. Andere Bedenkenträger hätten gegen Gefälligkeitsgutachten keine Chance mehr, wenn im Zweifel ohnehin für die Windkraft entschieden wird.

Begründet wird diese komplette Aushebelung des Artenschutzes mit angeblichem Klimaschutz, der ja letztendlich auch Artenschutz wäre. Dass diese Gleichung nicht aufgeht, liegt auf der Hand, denn die Lobby einen Blankoscheck bekommt. Windkraft liefert dabei ohnehin kaum Beitrag zum Klimaschutz: “Der Anteil Deutschlands am globalen CO2-Ausstoß liegt bei etwa 2,1 Prozent, während der hierfür verantwortliche Primärenergieverbrauch nur zu knapp drei Prozent durch Windenergie gedeckt wird”, erklärt Daniel Wetzel in Bezugnahme auf den auf Planungs- und Umweltrecht spezialisierte Jurist Martin Gellermann. Er erklärt: “Der Sache nach soll hier der im geltenden Recht verankerte Schutz der Individuen gefährdeter Tierarten durch eine populationsbezogene Betrachtung relativiert werden.” Einer Überprüfung am Maßstab des einschlägigen Unions- und Völkerrechts hielte so eine Regelung zudem nicht stand.

Ebenfalls wird der Evolutionsbiologe und Ökologe Josef Reichholf zitiert: “Klimaschutz hat mit Artenschutz wenig, bei uns in Deutschland so gut wie nichts zu tun. […] Die Windkraftbranche nutzt die in der Öffentlichkeit geschürten Ängste und schiebt den Artenschutz vor, um die eigenen Interessen zu verbergen – das ist, gelinde gesagt, höchst unseriös.” Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) erklärte: “Die Rolle der Windenergie als Gefährdungsfaktor für bestimmte Populationen von Vögeln und Fledermäusen wird einfach heruntergespielt oder negiert, vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert oder verdreht” und auch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) “teilt viele Forderungen nicht”, die die Windkraftlobby hier ins Spiel bringt.

So eine Regelung würde auch viele Projekte der Zoos und Aquarien behindern oder sogar verhindern, weil sie ja mit ihren Botschaftertieren versuche, die eben nicht nur die Art, sondern ihren ganzen Lebensraum zu schützen – dazu gehören dann auch Arten, die durch die Windräder bedroht werden. Das gilt übrigens auch an Land und im Wasser, wo die auditive Umweltverschmutzung, die von den Anlagen ausgeht, noch ein zusätzliches Problem darstellt. Dass die Windkraftlobby nun den Klimaschutz, als eigentlich gutes Anliegen, missbrauchen will, um den Artenschutz für ihre Profite zu opfern, ist gefährlich für die heimische Fauna und Flora.

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