Eisbären in Hellabrunn. Quelle: Tambako The Jaguar/Flickr CC BY-ND 2.0

WWF & Tierschutzbund: Fischen am falschen Rand

Exklusiv für zoos.media – 17.10.2016. Autor: Philipp J. Kroiß

Der Autor bezieht sich auf Aussagen von Vertretern des WWF und des Deutschen Tierschutzbunds bezüglich Zootierhaltung. Kritisiert wird dabei verzerrende Wiedergabe der Realität, sowie das Treffen faktisch falscher Aussagen.

Die Waldeckische Landeszeitung postuliert zu wissen, „Was Zoobesucher bedenken sollten“. Hier äußern sich auch WWF und Deutscher Tierschutzbund. Erschreckend hierbei ist die Inkompetenz der Sprecher, die plötzlich falsche Tierrechtler-Behauptungen reproduzieren. ProZoo hat dazu bereits auch einen sehr guten Kommentar geschrieben.

Vermessene Fehlinformationen …

Auszug aus dem Artikel:

„”Selbst die größten Außengehege schränken den natürlichen Bewegungsdrang der Tiere extrem ein”, sagt [Marius] Tünte [Pressesprecher des Deutschen Tierschutzbundes] über die Haltung der wanderfreudigen Eisbären. Diese laufen in der Wildnis täglich bis zu 50 Kilometer weit. Ihr Revier hat eine Größe von fast 150 Quadratkilometern.“

Ein Armutszeugnis für einen angeblichen Tierschützer. Was hier als „natürlicher Bewegungsdrang“ verzerrt wird, extrovertiert doch nur die hoffnungslose Situation der Eisbären. Sie beleben ein hochgradig bedrohtes Ökosystem und finden darin kaum noch Nahrung, deshalb müssen sie so weit wandern und ihre Lebensräume so ausdehnen. In Zeiten, wo das Eis immer schneller und immer weiter zurückgeht, weil bestimmte Tätigkeiten gewisser Menschen einen so malignen Einfluss auf das Ökosystem der Eisbären haben, müssen Eisbären weiter wandern und so sind ihre Reviere klar größer. Das hat aber nicht mit einem „natürlichen Bewegungsdrang“ zu tun, sondern immer stärker mit den Auswirkungen unnatürlicher Einflüsse, die dem Ökosystem schaden.

Zoos kämpfen darum, dass sich das Ökosystem normalisiert und inspirieren Menschen dazu, sie dabei zu unterstützen, indem sie Eisbären als Botschafter ihrer Art und ihres Lebensraumes zeigen. Der Tierschutzbund bezeichnet es mal eben als „natürlichen Bewegungsdrang“ so viel zu laufen. Daran ist nichts natürlich. Natürlich wäre es, wenn sich das Packeis nicht so stark und schnell zurückziehen würde und der Eisbär nicht mehr unter den verheerenden Auswirkungen eines menschengemachten Klimawandels leiden müsste. Hier die Kompensation von Lebensraumbedrohung als „natürlich“ zu bezeichnen, ist an Vermessenheit nur schwer zu überbieten.

Aber der Vertreter des WWF schafft es sogar, diese Vermessenheit tatsächlich noch zu überbieten und vom Niveau her zu unterbieten.

Auszug aus dem Artikel:

„Delfine legen ebenfalls täglich viele Kilometer zurück und leben in großen Verbänden – auch dies sei in Zoos nicht möglich. Umweltschützer sehen das ähnlich: “Delfinarien sind nur Schwimmbecken. Die Tiere sind dort sehr eingeengt, das ist keine artgerechte Haltung”, kritisiert Roland Gramling vom WWF in Berlin.“

Man muss sich hier fremdschämen für so einen unqualifizierten Kommentar und der Tatsache, dass sich dieser Mann als Sprecher des WWFs bezeichnen kann. Was ist das Argument des Herrn Gramling? Die Tiere legen in der Wildbahn viele Kilometer zurück und leben in großen Verbänden. Schauen wir uns dazu doch mal die wissenschaftlich belegten Fakten an, die Roland Gramling hier ignoriert.

Es ist aktueller Forschungsstand, dass die übliche Gruppengröße bei Großen Tümmlern rund 2-15 Tiere beträgt, Offshore-Tümmler aber Herden bis zu tausend Tieren bilden (Bloch, 1998; Wells & Scott, 2009). In Delfinarien werden Große Tümmler des Ökotyps inshore gehalten, die also Gruppen zwischen rund zwei bis zu fünfzehn Tieren ausbilden. Diese Gruppengröße wird in Delfinarien auch entsprechend erreicht. Weltweit anerkannte Wissenschaftler wie Dr. Kathleen Dudzinski haben vergleichende Studien zum Sozialleben der Tiere durchgeführt und keine wesentlichen Unterschiede von Gruppen in Menschenobhut und in der Wildbahn gefunden.

Wie gesagt halten die Delfinarien Europas den Ökotyp des küstennahe lebenden Inshore-Großtümmlers. Diese Tiere schwimmen in der Natur maximal 55 Kilometer am Tag und halten sich in sehr kleinen Gebieten von 1-2 km² Größe auf (Connor et al, 2000). 55 Kilometer können die Tiere, wenn sie wollen, auch in Menschenobhut schwimmen und das tun sie auch, wie Bewegungsanalysen zeigten. Warum ist das bewohnte Habitat der Delfine in Natur aber größer? Ganz einfach, weil sie dort schwerer Futter finden und zur Nahrungssuche große Strecken zurücklegen müssen  – nicht aus Spaß an Bewegung, sondern weil sie es müssen. Und weil nun mal nicht jeder wilde Delfin das zweifelhafte „Glück“ hat, von Fischerei oder fütternden Menschen zu profitieren. Dass sich in Menschenobhut diese bewohnte Habitatgröße aufgrund des anderen Futterangebots drastisch verringert, ist für jedes Tier obligatorisch und wissenschaftlich hinlänglich hergeleitet, bewiesen und bestätigt worden.

… stammen aus schädlicher Kompromisspolitik

Kompromisse sind gut und machen Sinn, wenn man sie mit den richtigen Leuten auf Basis von wahren Fakten trifft. WWF und Tierschutzbund hingegen fischen mit solchen Aussagen nur in der lautstarken Minderheit der radikalen Tierrechtler. Durch solche faulen Aussagen, die mit Tierschutz rein gar nichts zu tun haben, erhofft man sich Gelder von Tierrechtlern und Werbung in deren Verbänden. Es ist pures Anbiedern, das wirkliche Tierschützer den Tierrechtlern gegenüber nicht nötig haben sollten.

Tierschutz beschäftigt sich mit wissenschaftlichen Fakten, Tierrecht nur mit dem Transport der eigenen Ideologie – das ist der große Unterschied und deshalb stehen sich beide Lager auch richtigerweise unvereinbar gegenüber. Tierrechtler lehnen Tierhaltung nur auf Basis ihrer Ideologie ab ohne wissenschaftliche Beweise, die ein generelles Verbot der Tierhaltung legitimiert. Aktuell gehen sie Schritt für Schritt vor und streuen Lügen, um erstmal einzelne Tierhaltungen zu verbreiten, um Türen zu öffnen, ihr ganz klar kommuniziertes Endziel ist aber die Beendigung jeder Form der Tierhaltung. Dass sich Tierschutzbund und WWF nun scheinbar vor den Karren spannen lassen, um aus dieser Ecke um Geld zu betteln, ist eine Ohrfeige für jeden, der es mit dem Tierschutz ernst meint.

WWF und Tierschutzbund haben sich durch das Reproduzieren von deren wissenschaftlich widerlegbaren Unwahrheiten in eine Lage gebracht, die vor allem ihnen schadet. Gerade der WWF arbeitet gerne und häufig mit Zoos zusammen und solche Aussagen, sind dazu geeignet solche Kooperationen zu überdenken. Lobenswerte Gründungen von zooeigenen Stiftungen wie in Puerto de la Cruz oder Karlsruhe innerhalb der Zooverbände, haben dazu geführt, dass man auf Fremdakteure, die sich gegen Zootierhaltung aussprechen, nicht angewiesen ist. Der Spagat zwischen zwei Abgründen, den WWF und Tierschutzbund hier proben, kann im Abgrund enden, wenn eine Seite wegbricht.

Von Zooseite brauch man keinen der beiden Verbände, um wirksamen Tierschutz zu unterstützen oder zu betreiben. Man unterstützt nur einige Projekte des WWF, weil sie ganz gut gemanagt sind – aber das ist kein Alleinstellungsmerkmal oder Alleinstellungsmerkmal dieser Organisation.

Zoos sind wichtige Partner im Artenschutz

Zoos haben mehr Besucher als die Bundesliga, um die Zahl von 60 Millionen Menschen, die in Deutschland im Jahr einen Zoo Besuchen mal gut einordnen zu können (zum Vergleich: Bundesliga, Saison 2013/14: knapp 13 Millionen Zuschauer). Die größte und reichste Tierrechtorganisation PETA der Welt hat insgesamt 3 Millionen Mitglieder (nota bene: nach eigenen Angaben). Weltweit besuchen über 700 Millionen Menschen Zoos. Viele Millionen Dollars und Euros fließen aus diesen Besuchen in Projekte auch mit Kooperationen mit Tierschutzorganisationen, die das auch gerne annehmen.

Sollten sich gewisse Organisationen jetzt aber an der Tierrechtler-Strategie beteiligen und Zoos durch das pauschale Kritik an den Haltungen verschiedener Tierarten auszuhöhlen, müssen sie sich darüber im Klaren sein, dass dies die ganze Zoowelt betrifft und nicht nur die Einrichtungen mit den entsprechenden Arten, die übrigens meist zu den besten und finanzstärksten Zoos weltweit gehören. Jeder, der weiter als von zwölf bis Mittag denkt und lesen kann, was Tierrechtler wollen, weiß, dass Delfine und Eisbären nur der Anfang sind. Organisationen wie PETA wollen letztendlich ja sogar Hundehaltung verbieten – wie jede andere Tierhaltung auch. Bekanntlich geht PETA sogar soweit, dass im großen Stil Hunde und Katzen ohne zwingenden Grund euthanasiert werden. Offenbar nach dem verklärten Tierrechtler-Motto: „Was nicht lebt, leidet nicht!“ – eine gleichermaßen tier- wie menschenverachtender Leitspruch. Wer hier wirklich gemeinsame Sache mit Zoogegnern macht, disqualifiziert sich natürlich für weitere Zusammenarbeit.

Tierschutzbund und WWF sollten sich gut überlegen, ob sie für ein paar Kröten einer nicht gerade spendepotenten Minderheit auf eine Partnerschaft mit 700 Millionen Menschen, die durch Zoos erreicht werden können, wirklich verzichten wollen.

Was nun?

Der Tierschutzbund ist aktuell für Zoos irrelevant, obgleich er Tierhaltung nicht grundsätzlich ablehnt, aber frei sämtlicher Expertise und wissenschaftlicher Grundlage Bedenken gegen Zoos äußert, um hier einen Spagat zu schaffen. Denn vollkommen verzichten will man auch hier auf Zoos nicht, um nicht Zoobesucher als Spender zu verlieren. Der Deutsche Tierschutzbund weiß genau, das er auf Basis  des Tierschutzes nichts gegen Zoos tun kann, tut aber so also wollte er gegen gewisse Haltungen etwas tun, obgleich auch da jede Grundlage fehlt, aber man erhofft sich dadurch eben ein paar Euros von Tierrechtlern.

Beim WWF sieht es schon anders aus. Er hat ein klares Positionspapier, das sich für wissenschaftlich geführte Zoos ausspricht und keine Tierarten ausschließt. Die vermessenen Äußerungen sind also nichts weiter als das Aufplustern einer widerlegten und realitätsfernen Privatmeinung von Roland Gramling, der, wie dargestellt, im wissenschaftlichen Diskurs keine Chance hätte, diese Statements zu halten.

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