Panda-Mutter mit Jungtier (10 Monate) im Tiergarten Schönbrunn Wien | Foto: Manfred Werner / Tsui, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Gibt es bei den Berliner Pandas Inzucht?

Exklusiv für zoos.media – 04.07.2017. Autor: Philipp J. Kroiß

Von einer Zoogegner-Organisation wurde das Gerücht aufgebracht, dass es eine Inzest-Gefahr bei den neuen Berliner Pandas geben würde. Dies ist nicht der Fall.

Gibt es bei den Berliner Pandas Inzucht?

Der Große Panda Mei Lan im Alter von rund zwei Jahren im Atlanta Zoo | Foto: Rob, Lizenz: CC BY 2.0

Es sollte ein Skandal werden und scheiterte dann an der Realität. EndZOO, eine Zoogegner-Organisation, behauptete doch glatt, der Nachwuchs der neuen Großen Pandas in Berlin könne aufgrund von Inzucht auf der Schlachtbank landen. Die Panda-Bärin Qing Qing soll sowohl die Mutter von Meng Mengs Mutter als auch die Mutter von Jiao Qings Vater Qing Zai sein. Demnach wäre die Großmutter von Meng Meng mütterlicherseits und die Großmutter von Jiao Qings väterlicherseits die gleiche Panda-Bärin. “Wir arbeiten eng mit chinesischen Übersetzern zusammen und uns liegen Panda-Zuchtbücher und Zuchtpläne für 2017 aus China vor”, beteuerte Frank Albrecht, ehemals Höneck, gegenüber der Berliner Zeitung (BZ).

Nun ist es aber so, dass der Vater von Jao Quing gar nicht Qing Zai ist wie Zoo- und Tierparkdirektor Andreas Knieriem der BZ mitteilte: “Als wissenschaftlich geführter Zoo lag unser Hauptaugenmerk bei der Auswahl der Tiere natürlich darauf, dass die Tiere nicht miteinander verwandt sind – also einen geringen Inzuchtkoeffizienten haben. Diese Auswahl haben wir gemeinsam mit den chinesischen Fachleuten und natürlich auch in enger Abstimmung mit dem Bundesumweltministerium getroffen.”

Anti-Zoo-Populismus um jeden Preis

EndZOO trägt sein Hauptziel ja bereits im Namen: man will Zoos zerstören. Dabei wird nicht zwischen guten und schlechten unterschieden, sondern alle sind schlecht und die Tierhaltung muss beendet werden – dafür sollen Leute sogar spenden. Das Geschäftsmodell ist also gegen Zoos zu sein und damit Spender zu akquirieren. Solcherlei Organisationen gibt es hin und wieder uns sie bestehen aus wenigen Leute. Durch verschiedene Organisationen erscheint die Anti-Zoo-Bewegung nach außen hin größer als sie eigentlich ist.

Przewalski-Pferde | Foto: Ancalagon, Lizenz: CC BY-SA 1.0

Inzucht gehört zu den Lieblingsthemen der Zoogegner und sie nutzen damit häufig die Unkenntnis der Menschen aus. Inzucht bedeutet die Paarung von relativ nahen Blutsverwandten. In der Tierzucht meint dies Geschwisterpaarung oder Rückverpaarung. Gemessen wir quasi der Grad der Inzucht im Inzuchtkoeffizienten, den man versucht möglichst gering zu halten. Dies ist aber nicht immer möglich, was allerdings nicht das Schreckgespenst legitimiert, dass Tierrechtler daraus machen. Eine Verpaarung mit leicht erhöhtem Inzuchtkoeffizienten ist kaum problematisch. Der VdZ erklärt dazu: “Inzuchtdepression kann zwar durchaus ein Problem sein, und wenn es Letal- oder Subletalfakoren im Genom der Population drin hat, kommen die zum Vorschein. Aber das ist längst nicht immer der Fall. Viele Tierarten, die im Freiland ausgestorben waren konnten durch Zucht in Menschenobhut erhalten und wiederangesiedelt werden und haben vitale Populationen gebildet, obwohl sie das Ergebnis von Inzucht waren.

Das Auswilderungsprojekt vom Przewalski-Pferd basiert auf 12 effektiven Gründertieren. Die Population ist vital, gesund und besteht aktuell aus mehr als 2.000 Tiere, die in Zoos, Reservaten oder in der Natur leben. Die Mhorrgazellen-Population, von der aus Zoos ebenfalls auswilderten, basiert auf vier effektiven Gründertieren. Das Erhaltungsprojekt des Mexikanischen Wolfes ist auf 8 effektiven Gründertieren aufgebaut. Ein Extrembeispiel ist der Miluhirsch, wo man von drei effektiven Gründertieren spricht und von dem es heute mehr als 2.500 Tiere gibt. Alle Populationen sind vital und nicht durch Inzucht gebeutelt oder geschädigt.

Chillingham-Rinder | Foto: C Michael Hogan, Lizenz: CC BY-SA 2.5

Es ist auch ein Trugschluss, dass es Inzucht in der Natur nicht gibt. Eine Herde von Chillingham-Rinder grasen seit drei Jahrhunderten genetisch komplett isoliert in England. Das hat zur Folge, dass sie genetisch nahezu identisch sind.
Biber waren in der Natur durch intensive Bejagung auf acht isolierte Gruppen in ganz Eurasien zusammengeschmolzen. Heute geht es ihnen wieder besser und Schaden haben die Populationen von der dann entstandenen Inzucht auch nicht davon getragen.
Alle Wölfe in Skandinavien stammen von drei eingewanderten Individuen ab, die ankamen, nachdem die Tiere in Schweden und Norwegen ausgerottet waren. Inzwischen wurde in Schweden beschlossen, die florierende Population durch Bejagung auf 210 Tiere zu dezimieren, was aber hochgradig umstritten ist.

Wer also denkt, dass Inzucht generell eine unnatürliche und tierschädliche Sache wäre, irrt genauso wie der, der sie für völlig ungefährlich hält. Deshalb braucht es ausgewiesene Experten, um entsprechende Zuchtpläne zum Wohl der Tiere und ihrer Population zu erstellen, und keine Fenstermonteure, die Karriere in der Zoogegner-Szene machten und sich schließlich quasi selbstständig machten. Das Zuchtprojekt der Großen Pandas läuft seit Jahren gut, weil es von Experten mit Zoologischer Erfahrung geleitet wird. Unter anderem durch dieses Projekt von und mit Zoos konnte der Bedrohungsstatus der Art herabgesetzt werden.

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