Orcaweibchen Skyla am Unterwasserfenster. | Foto: zoos.media, Lizenz: Erlaubnis des Fotografen

Notausgang Zoo – Wohin soll diese Reise gehen?

Exklusiv für zoos.media – 19.03.2017. Autor: Philipp J. Kroiß

Zoos.media kommentiert einen Blog-Beitrag, der auf blogs.faz.net erschien, auf unserer Journalistenreise basiert und leider journalistisch defizitär ist.

Notausgang Zoo – Wohin soll diese Reise gehen?

Wolfgang Rades erklärt interessierten Zuhörern die Orcahaltung | Foto: zoos.media

Henrike Schirmacher veröffentlichte auf ihrem FAZ-Blog „Ein Platz für Tiere“ einen Artikel mit dem Titel „Notausgang Zoo: Wohin muss die Reise gehen?“, nachdem sie an unserer Journalistenreise teilnahm. Wir waren im Bewusstsein mit Schirmacher eine kritische, aber ausgewogen berichtende Journalistin eingeladen zu haben. Da haben wir uns wohl leider geirrt, denn ihr Artikel ist in Bezug auf die Orcahaltung im Loro Parque einseitig und verliert sich auf sehr dünnem Eis, da hier anscheinend persönliche Meinung die Berichterstattung bestimmt.

Sie bezeichnet die Musik in Orca Ocean als laut und „leider nervige“ „Chartmusik“. Wie sie Musik, bei der es sich nicht wirklich um “Chartmusik” handelt, findet, sollte Privatsache bleiben, aber hier wird es zu tendenziöser Berichterstattung verwendet. Sonderlich laut ist die Musik zudem nicht. Messungen ergaben im Publikumsraum von Werte von unter 70dB – ein Haartrockner aus unmittelbarer Nähe ist lauter.

Orca Show im OrcaOcean des Loro Parque | Foto: zoos.media

Einseitig gibt Sie Ihre Meinung zur Show zum Besten, was aber mit objektivem Journalismus nichts zu tun hat. Man muss als berichtender Journalist mit Weitblick bedenken, dass es verschiedene Show-Rezeptionen gibt. Ein Zoo mit internationalem Publikum von mehreren Kontinenten muss einen Kompromiss finden, der einen guten Mittelweg darstellt. Was einem Deutschen vielleicht zu viel Unterhaltung ist, ist einem Amerikaner oder auch gerade einem Spanier zu wenig. Das muss man im Hinterkopf halten, wenn man ordentlich berichten will und seine Meinung nicht so offenbar selbstgefällig und isoliert darstellen.
So eine Show muss jeden Besucher da abholen, wo er steht. Mag sie vielleicht einen nüchternen Vortrag zu den Tieren präferieren, was ja ihr gutes Recht ist, muss aber auch klar sein, dass die große Mehrheit nicht dazu inspirieren wird, sich für Orcas zu interessieren und sich möglichst auch für ihren Schutz einzusetzen.
Es gab eine mehrwöchige Befragung des Publikums nach verschiedenen Orcashows. 97% der Befragten bewerteten die Show positiv. Schade, dass sie offenbar zu den 3% gehört, denen das nicht gefällt. Ein subjektiver Eindruck legitimiert aber keine einseitige Darstellung. Das geschieht aber leider, was wir im übernächsten Abschnitt noch klarer sehen.

Ein Trainer küsst Skla im Orca Ocean (Loro Parque) | Foto: zoos.media

Dann kommt ein Textschnipsel, der auf mehreren Ebenen realitätsfern ist: „Mein bloßes Auge sieht: Sobald die Trainer ins Publikum winken, taucht auch die Winke-Winke-Flosse aus dem Wasser auf. Könnte es gar sein, dass die großen Meeressäuger Spaß an den Stunts haben? Wie Hunde, die Herrchens Stöckchen holen? Oder andere domestizierte Tiere, die sich auf den Menschen einlassen? Selbst wenn. Der empathische Geist, welcher über die Möglichkeiten der Tiere im gigantischen Ozean weiß, wird damit wohl niemals zufrieden sein.“
Erstmal ist es völlig indiskutabel die Rezeption des Training von den Tieren selbst mit einem „selbst wenn“ abzutun. In modernen Zoos steht das Wohlbefinden der Tiere an erster Stelle. In einem zukünftigen Artikel werden wir wissenschaftliche Erkenntnisse präsentieren, die nachweisen, dass Wale beim Training Glückshormone ausschütten.

Gestrandeter Orca | Foto: Kalev Kevad, Lizenz: CC BY 2.0

Dazu verkennt Frau Schirmacher völlig die Situation der Tiere. Für die ist es nicht relevant, was ein „gigantischer“, aber auch verschmutzer, überfischter und lauter Ozean für angebliche Möglichkeiten bietet. Keines dieser Tiere hat eine Option im Ozean zu überleben. Darüber wurde Frau Schirmacher auch informiert. Fünf der sechs Tiere sind bereits in Menschenobhut geboren. Der sechste Orca, Morgan, musste aus dem Ozean gerettet werden, weil das Orcamädchen so behindert ist, dass sie dort nicht überleben könnte.
Zudem haben die wilden Artgenossen der Tiere, die aufgrund ihres Ökotyps, ebenso nicht den gesamten “gigantischen” Ozean zur Verfügung: sie leben in residenten Populationen ins Küstennähe, wandern keine gro0en Strecken und tauchen auch nicht tief.

„Von diesem Fokus auf die Natur macht die Show klugerweise denn auch keinen Gebrauch, obwohl die Tiere im Becken, der Berechtigung halber, als Botschafter ihrer Art tituliert werden.“
Man muss sich schon durchaus angestrengt haben bei den zwei Orca-Shows, die Frau Schirmacher gesehen hat, die Aufklärung über das Leben der Tiere in der Natur und die Bilder aus der Wildbahn übersehen zu haben. Natürlich werden Fotos und Videos von Orcas in der Natur gezeigt. Es wird sogar das Verhalten der Tiere im Orca Ocean direkt mit dem Verhalten wildlebender Orcas gegenübergestellt.

Orca im Holding Pool hinten rechts im Orca Ocean des Loro Parque | Foto: zoos.media

„Auf die zweifelnde Frage, wie solch ein Tier im 12 Meter tiefen Becken ausgelastet sein könne, wo es im großen Ozean weitaus tiefer taucht, folgt die Antwort, dass die Tiere in der Natur gezwungen werden, weil sie Futter suchen oder Gefahr droht. […] Kurz darauf verpufft das Argument trotzdem. Denn der Orca ist ein Jäger par excellence. Bilder aus Dokumentarfilmen sind bereits fest verankert.“
Es ist schon kurios: Wir haben einen Artikel geschrieben, der genau zu diesem Thema Stellung nimmt und Frau Schirmacher wurde angehalten, ihn entsprechend zu lesen. Offenbar hat sie das nicht getan oder ignoriert ihn, um ihre einseitige Darstellung aufrecht zu erhalten. Ein Tier, das in der Wildbahn die überwiegende Mehrheit des Tages in eine Tiefe unter 8 Metern verbringt, hat natürlich kein Problem mit einen 12 Meter tiefen Becken.

Richtig stellt sie fest: „Tierliebhaber, die Tiere pflegen und schützen, sind wichtiger denn je.“ Schade nur, dass sie die Artenschutzprojekte der Loro Parque Fundación, über die sie intensiv aufgeklärt wurde, im Artikel unterschlägt. Gerade, um dem Leser ein umfassendes Bild der Orcahaltung zu vermitteln, wäre es wichtig gewesen, sowohl das Schutzprojekt für die Orcas in Gibraltar, als auch die intensive Forschung zu erwähnen. Aber das passt nicht in ihre einseitige Darstellung – klar erwähnt sie das dann auch nicht. Problematisch ist das deswegen, da sie jedem Leser so die Chance nimmt, ein umfassendes Bild dieser Haltung zu entwickeln.
Sie entwickelt eine in sich konsistente, einseitige, aber falsche Darstellung und tut so, als würden gewisse Dinge gar nichts existieren, über die sie aber direkt und deutlich informiert wurde.

Orca Keto zeigt seinem Trainer seinen Bauch – ein Vertrauensbeweis. | Foto: zoos.media

Dann entwickelt sie eine Idee von einer Art Zoo wie ein Nationalpark und moniert: „Das Tamtam-Showspektakel in Orca Ocean widerspricht solch einer Zukunftsvision. Doch ein Orca, der unbeteiligt seine Bahnen im leeren Becken zieht, ist wie der Gepard, der einem Wachposten gleich auf- und ab patrouilliert, ein allzu trauriger Anblick.“
Eine edukative Show, die darauf abzielt über einen Millionen Menschen pro Jahr für den Orcaschutz zu interessieren, als „Tamtam-Showspektakel“ zu bezeichnen, passt natürlich in das einseitige Bild, das sie vermittelt, aber hat mit der Realität ja nichts zu tun.
Einen Orca, der unbeteiligt seinen Bahnen in leeren Becken zieht hat sie zudem auch nicht gesehen, weil das während des Besuches so nicht zu sehen war und auch im Loro Parque so, wie sie es darstellt, nicht vorkommt: während des Besuches außerhalb der Show waren Tiere im Training, hatten Spielzeug oder verbrachten Freizeit in der Gruppe. Da schwamm kein Tier unbeteiligt irgendwo Bahnen. Aber natürlich passt auch das wieder ach so wunderbar in ihre einseitige Berichterstattung.
Um nochmal auf die Nationalpark-Idee zurück zu kommen: Theoretisch ein schönes Konzept, aber in Zeit, wo die Nationalparks ums nackte Überleben kämpfen und teilweise gerade so ihre Grenzen halten können, ein völlig realitätsfernes Gedankenspiel. Auch das war Teil der Reise als zum Beispiel die Situation der Berggorillas erwähnt wurde.

Dass die Autorin Keiko und Keto verwechselt, sowie Frank Schätzings Roman nicht richtig verstanden hat, sei nur als Randnotiz erwähnt. Trotzdem ist es natürlich schade.

Orcas im Loro Parque. Quelle: Loro Parque

Wenn Autoren Besuche in Zoos derart verfremden und ihr einseitige Meinung über das Prinzip der ausgewogenen Berichterstattung stellen, muss man sich nicht wundern, dass man in Deutschland über einseitigen Journalismus diskutiert und diesen moniert. Ein Blog-Beitrag ist natürlich kein regulärer Artikel, aber ein ordentlicher Blog-Post muss dem Leser die Chance geben sich auf Basis aller relevanten Fakten, eine Meinung zu bilden, die vielleicht auch von der im Blog vertretenden abweicht.
Das hat etwa Gideons Böss mit einem Blog-Beitrag zum gleichen Thema und vergleichbarem Besuch geschafft: http://boess.welt.de/2016/08/18/eine-reise-nach-teneriffa-zu-orcars-und-papageien/. Durchaus meinungsstark, aber die Chance gebend, sich mit der Meinung auseinanderzusetzen und sie ausgewogen zu diskutieren.
Schirmacher nimmt mit ihrer einseitigen und defizitären Darstellungen mit offenkundig absichtlichen Auslassungen wichtiger Fakten, Lesern die Chance zu einer anderen Meinungsbildung zu kommen als ihrer eigenen. Wir wundern uns stark, dass so etwas den Qualitätsprinzipien der FAZ genüge tut.
Offenbar ist auf ihrem Blog zwar ein „Platz für Tiere“, aber keiner für andere Meinungen, sonst müsste sie nicht so einseitig, desinformierend und zensierend schreiben wie sie es in dem Beitrag tat. Apropos „Ein Patz für Tiere“: Der Frankfurter Zoochef und vorbildliche Natur- und Tierschützer Bernhard Grzimek würde sich angesichts der Unsachlichkeit dieses Blogs im Grabe umdrehen.

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