Elefantin Maali in Manila spielend mit einem Enrichment | Foto: Taingvitou Mut, Eric M. Davis, ZooNation.Org

Moderne Elefantenhaltung: Ein Gespräch mit der European Elephant Group

Exklusiv für zoos.media – 25.04.2017 (überarbeitet: 09.01.2024). Autor: Philipp J. Kroiß

Elefantenhaltung in Zoos ist nach wie vor ein stark diskutiertes Thema: Unser Autor beleuchtet das Thema in Bezug auf ein Gespräch mit der European Elephant Group.

Moderne Elefantenhaltung
Ein Gespräch mit der European Elephant Group

Zoos.media hat die European Elephant Group (EEG) von Elefanten-Schutz Europa e.V. interviewt. Das ist Verein mit dem Thema Elefantenhaltung. Zweck war es, die Sichtweise des Vereins in Bezug auf moderne Elefantenhaltung kennen zu lernen und natürlich auch für unsere Leser verständlich zu machen. Unsere Interviewpartnerin war Julia Arndt, M.Sc. Biol., die bei der EEG zuständig für wissenschaftliche Anfragen und Medien ist.

Moderne Zoos können tierverträglich gepflegt werden

Der Kölner Elefantenpark | Foto: zoos.media

Sie stellt ganz eindeutig klar: “Fortschrittliche Elefantenhalter in Europa können die Bedürfnisse der Tiere heutzutage grundsätzlich so umfassend erfüllen, dass nach Meinung von Elefanten-Schutz Europa e.V. beide Elefantenarten in Menschenobhut prinzipiell verhaltensgerecht (im Sinne von artgerecht) gepflegt werden können. Hierzu gehört auch Zucht und Jungtieraufzucht.”

Gerade in Bezug auf Letzteres wird festgestellt: “Zuchtprogramme zur Arterhaltung sind wichtig, vor allem im Hinblick auf die stark sinkenden Bestände und Wilderei-Problematik im Freiland. Elefanten-Schutz Europa setzt sich deshalb für den Aufbau selbsterhaltender Zoopopulationen ein. Unser Verein lehnt zukünftige Importe von Wildfängen eindeutig ab.”

Gegen die Haltung spricht nichts

Elefanten im Wuppertaler Zoo | Foto: zoos.media

Gegen die moderne Haltung diese Tiere spricht auch aus verhaltensbiologischer Sicht nichts: “Gut gehaltene Elefanten zeigen viel natürliches Verhalten. Sie können somit in fortschrittlichen Zoohaltungen aufgrund ihrer Popularität für das Publikum Botschafter ihrer Art (Flaggschiffart) und ihres Lebensraumes sowie der sie bedrohenden menschlichen Einflüsse sein.”

In der Elefantenhaltung hat sich Einiges getan: “Einige Zoos in Europa haben im letzten Jahrzehnt ihre Elefantenhaltung verbessert. Mit Erfolg: Sichere Bullenhaltung sowie die Zusammenführung der Männchen mit jungen, für die Zucht geeigneten Elefantenkühen, führten in den letzten 10 Jahren zu über 100 Elefantengeburten.” Die waren ein wichtiger Beitrag für den Schutz und den Erhalt der bedrohten Arten.

Freier oder geschützter Kontakt?

Elefanten sind Herdentiere. Quelle: Michael Jansen/Flickr CC BY-ND 2.0

Diese Frage beschäftigt die Zoowelt seit Langem – nach außen hin, aber auch intern. Die European Elephant Group sagt aber auch klar, dass es keine generelle Lösung gibt. Sie erklärt allerdings, dass für “die Mehrzahl aller Elefanten einschließlich Kühen und Kälbern Direkter/Freier Kontakt (DC) jedoch nicht geeignet” sei. Und weiter: “Nur in Einzelfällen sind fähige Pfleger in der Lage, bei dafür geeigneten Elefanten-Individuen ohne regelmäßige Dominanzbekundungen auszukommen. In Einzelfällen (z.B. bei alten Tieren) kann die Haltung um DC jedoch tolerabel sein, wenn sie entsprechend elefantengerecht und an die Bedürfnisse der Tiere angepasst ist (Beispiel Cottbus).”

Entscheidend sei, “dass die Zusammenarbeit in diesen Einzelfällen ohne Disziplinierungsmaßnahmen auskommt: Sobald ein Elefant zeigt, dass er die Vorrangstellung seiner Pfleger in Frage zu stellen beginnt, sodass Unterordnungsübungen nötig werden, ist DC für dieses Tier schon nicht mehr geeignet.” Der Schluss daraus ist für die EEG: “Haltung im geschützten Kontakt ist dem direkten Kontakt deshalb grundsätzlich zu bevorzugen, da dies zum einen sicherer für die Pfleger ist und zum anderen können die Tiere Ihr Verhalten weitestgehend ohne unmittelbare Beeinflussung durch den Menschen ausleben.”

Freikontakt ohne Dominanz?

Der professionelle Tierlehrer im Circus oder der professionelle Tiertrainer beziehungsweise Pfleger im Zoo ist eigentlich nie Dominator. Das entspricht einer falschen Vorstellung von Training. Vielmehr ist er er sowas wie der beste Freund der Tiere. Elefanten zeigen die Verhalten dann nicht, weil der Mensch sie unterjocht hat, sondern, weil sie es gerne tun und es ihnen Spaß macht mit den Menschen zu arbeiten. Vielmehr sind Problem-Elefanten meist dadurch entstanden, weil eine pflegende Person doch meinte, den Dominator spielen zu müssen.

Richtiger Freikontakt funktioniert also ohne ein Unterjochen der Tiere. Man muss keinen Elefanten brechen, um frei mit ihm zu agieren. Freikontakt basiert auf gegenseitiger Achtung und freundschaftlichem Respekt voreinander. Dazu gehört auch gegenüber dem Elefanten konsequent und klar aufzutreten. Das tun sie auch untereinander. Freundschaft bei Elefanten bedeutet keine Kuschel-Pädagogik, sondern ihre “Sprache” zu sprechen. Eine für das Tier ernstzunehmende Kommunikation formiert das Band der Freundschaft.

Keine Entscheidungen “von außen”

Elefanten in Chester Zoo | Photograph by Mike Peel (www.mikepeel.net) ; Lizenz: CC BY-SA 4.0

Unabhängig davon gilt: Ob aber freier oder geschützter Kontakt für das jeweilige Tier besser ist, lässt sich von außen nicht entscheiden. Hier muss man die Tiere kennen und vor allem die Arbeit mit ihnen. Die meisten Zoos schauen deshalb auf ihre Erfahrungen und sprechen zudem mit ausgewiesenen Experten, um ihre Haltung zu optimieren, denn nicht jedes Elefantengehege eignet sich für den geschützten Kontakt. Hierzu müssen die Anlagen speziell gestaltet sein und bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Häufig sind dazu Umbaumaßnahmen notwendig.

Die EEG rät grundsätzlich auch zu einer Umstellung: “Im Sinne der Sicherheit und Verhaltensgerechtheit ist die Umstellung prinzipiell empfehlenswert, vor allem auch bei Neu-/Umbauten von Anlagen.” Zudem motiviert die Gruppe Elefantenhalter den geschützten Kontakt vorzuziehen. Ob das aber in jedem Fall die richtige Empfehlung im Sinne der Tiere ist, darf bezweifelt werden.

Allerdings ist direkte Elefantenhaltung längst nicht immer gleich und überhaupt grundsätzlich schlecht: “Es gibt bezüglich DC eine enorme Bandbreite, wie intensiv und mit wie starker Dominanzbekundung dieser praktiziert wird (Positivbeispiel: Cottbus). In absoluten Einzelfällen, wenn mit älteren Kühen DC seit Jahren ohne Dominanzbekundungen möglich ist, kann man auch überlegen, von einer Umstellung (für diese Einzeltiere) abzusehen.”

Eine Umstellung gut möglich

Elefant im Zoo Münster (2010) | Foto: Dirk Vorderstraße, Lizenz: CC BY 2.0

Eine Umstellung von freiem Kontakt auf geschützten Kontakt bedeutet immer auch eine Umstellung des Training und des Verhaltensrepertoires. Gewisse Interaktionen sind im geschützten Kontakt einfach nicht mehr möglich. Die European Elephant Group kritisiert am freien beziehungsweise direkten Kontakt unter anderem, dass Dominanzbekundung nötig sind, um die Stellung des Pflegers in der Gruppe zu behaupten. Das stimmt allerdings so nicht.

Die European Elephant Group erklärt, dass ein Mensch in der Rangordnung von Wildtieren nichts zu suchen habe. Bei Hunden aber sei dies aufgrund der Domestizierung vertretbar. Allerdings muss der Tierlehrer, -trainer oder -pfleger das auch gar nicht tun. Es wäre außergewöhnlich lebensmüde, das zu tun, weil man bei Rangkämpfen immer verliert. Daher sind professionelle Trainer seit vielen Jahren, Jahrzehnten oder gar Generationen dazu übergegangen, nicht als Dominator, sondern Freund der Tiere aufzutreten.

“Mangelnde Verhaltensgerechtheit”?

Elefanten im Neunkircher Zoo | Foto: LoKiLeCh, Lizenz: CC BY-SA 1.0

Ebenfalls ein Kritikpunkt der EEG am direkten Kontakt sei die “mangelnde Verhaltensgerechtheit”. Der vom Menschen ausgehende Einfluss auf das Verhalten der Tiere sei im geschützten Kontakt freilich geringer, was manche Tierhalter als gut und andere als nicht so gut rezipieren. Besonders bei Asiatischen Elefanten wirkt die Vorstellung aus der Zeit gefallen. In Asien leben Elefanten so lange als eine Art Nutztier wie es in Europa zum Beispiel die Pferde tun.

Tierhalter mit anderer Meinung als die EEG argumentieren, dass es manchmal auch einen starken Einfluss auf das Tier bräuchte, um Leid zu verhindern – etwa bei Tieren, die sich nicht gut an den geschützten Kontakt gewöhnen, aber unter Umständen dauernde, intensive Pflege benötigen, die dann (generell oder in der Übergangszeit) unmöglich wird. Das könnte dann sogar tierschutzrechtliche Relevanz bekommen.

Medical Training im geschützten Kontakt noch möglich

Es herrscht zudem, gerade in der medialen Diskussion leichte Verwirrung bezüglich der Bezeichnung “Hands-Off”, das häufig mit geschütztem Kontakt gleichgesetzt wird. Das funktioniert so nicht, da, im Wortsinn, auch noch geschützter Kontakt “Hands-On”, also mit der Hand am Tier, erfolgt. Julia Arndt stellt klar, dass Pflege und Behandlung im geschützten Kontakt ohne Einschränkungen auf demselben Niveau wie in direktem Kontakt möglich sei. Für moderne Zoos ist dieses Medical Training essentiell wichtig und es kann in beiden Haltungsformen gut durchgeführt werden.

Allerdings gäbe es auch Haltungen ganz ohne Training (“Hands-Off”): “Die Elefanten werden in ihrem Tagesablauf am wenigsten beeinflusst, lassen aber auch keine Pflege- oder Behandlungsmaßnahmen ohne Betäubung zu. Die geistige Herausforderung durch Lernen und Kooperation mit dem Menschen entfällt ebenfalls. Elefanten ohne medizinisches Training zu halten, ermöglicht guten Pflegezustand (Haut- und Fußzustand) unserer Einschätzung nach nur, wenn Anlagen in Dimensionen natürlicher momentaner Wohnräume und bei hervorragender Ausstattung vorhanden sind. Unserer Ansicht nach ist jedoch selbst in weiträumigen Anlagen ein PC-Training sinnvoller als No Training, um regelmäßige Gesundheitschecks zu ermöglichen und Pflege/Behandlung zumindest im Bedarfsfall vornehmen zu lassen.”

Streitpunkt: Elefantenhaken

Elefantentrainerin vom Perth Zoo erklärt den stumpfen Elefantenhaken. | Foto: Belegscreenshot des Videos https://www.facebook.com/PerthZoo/videos/10154590046471715/

Den Elefantenhaken findet die EEG als “als Führinstrument und Abstandhalter” unnütz – der Haken besitze keine Sicherheitsrelevanz, was durch Analyse verschiedener Unfälle klar geworden wäre. Nach der Logik hätten also Asiaten eigentlich die Elefanten nie als Nutztiere führen können, was die oben schon erwähnte Historie deutlich widerlegt.

In der Realität ähnelt der Ankus vom Prinzip her einer Hundeleine, einem “Stick” bei der Freiarbeit mit Pferden oder ähnlichen so genannten “guides” in anderen Trainingsytemen. Hier gibt es im Tiertraining tatsächlich eine Diskussion darüber, ob man diese Führhilfen nicht weglassen kann. Manche Halter tun dies auch wie Julia Arndt erklärt: “Zum Führen verwenden einfühlsame Pfleger Hand und Stimme, dazu ist der Haken also auch nicht grundsätzlich notwendig.”

Das ist aber so nicht richtig. Schon vom Arbeitsschutz her müssen die Pfleger den Haken mitführen, ob sie ihn brauchen oder nicht. Hinzukommend ist er auch eine Verlängerung des Arms und so kann der Pfleger seine Spannweite schlich erhöhen und einen größeren Radius abdecken. Bei so großen Tieren wie Elefanten ist das sehr sinnvoll und erleichtert Mensch und Tier die gemeinsame Kommunikation.

Der Elefantenhaken ist stumpf

Immer wieder wird behauptet, der Elefantenhaken würde angespritzt oder wäre generell spitz. Das ist in professionellen Haltungen nicht der Fall. Warum? Es ist widersinnig den Haken anzuspitzen. Wenn man den Haken als Stich- oder Schlagwaffe einsetzen würde, dann wäre es so, dass der Elefanten davor Angst entwickelt und jede Nähe zu dem Tool vermeiden würde. Das macht das Tier nicht mehr händelbar. Das ist genauso kontraproduktiv wie einem Hund ein Halsband mit scharfen Kanten anzulegen.

Daher kann der Elefantentrainer nicht mal theoretisch mit dem Haken den Elefanten schwer verletzten. Das ist auch sinnvoll für den Eigenschutz, denn ein Elefant könnte sich auch wehren. Nach einem Rüsselschlag wäre dann nachdrücklich klar, wer der Stärkere ist. Daher ist ein angespitzter Elefantenhaken, der eingesetzt würde, um dem Tier zu schaden, in der Kategorie “dumb ways to die” zu verorten. Aus diesem Grund macht das auch kein seriöser Elefantenhalter, weil man das natürlich als Profi weiß.

Fazit

Tiergerechtes Elefantentraining im Zoo Wuppertal (2013) | Foto: zoos.media

Welche Haltungsform die richtige ist, ist eine Einzelfallentscheidung. Die Tendenz geht seit etwa 30 Jahren zur geschützten Haltung, was man in den Zoos auch seit Jahren beobachten kann. Ob diese Entwicklung am Ende die richtig ist, wird man sehen müssen. Beide Kontaktformen haben Vor- und Nachteile.

Freier Kontakt ist nicht per se schlecht, sondern kann auch gute Gründe haben – so ist es auch andersrum. Letztendlich geht es bei jeder Kontaktform darum, wie sie richtig eingesetzt wird. Die Entscheidung über diesen richtigen Einsatz kann aber nicht von außen getroffen werden, sondern nur von Menschen, die die jeweiligen Tiere und die Arbeit mit ihnen gut kennen und beurteilen können. Es zeigt sich einmal mehr: Es gibt in der Tierhaltung keine einfachen oder generellen Lösungen.

Eine Sache ließ sich aber generell feststellen: Die Arbeit moderner Zoos mit den Tieren ist gut und wichtig – für die Tiere selbst, aber auch für ihre Art und deren Schutz. Am Ende zählen die artenschutzrelevanten Ergebnisse: Funktioniert die Zucht in der Kontaktform gut? Wie sieht die Überlebensrate der Jungtiere gerade vor dem Hintergrund der Herpes-Bekämpfung aus? Kann man kranke Tiere gut behandeln? Lassen sich in der Kontaktform die Besucher genau so gut für den Artenschutz begeistern?

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