Die Arabische Oryx (Oryx leucoryx) konnte durch Zoos vor dem Aussterben bewahrt werden. | Foto: Charles J Sharp, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Inkompetenz, Unwissenschaftlichkeit & Kulturimperialismus bei Zoogegnern

Exklusiv für zoos.media – 05.07.2019. Autor: Philipp J. Kroiß

Ein paar Zoogegner-Organisationen haben ein defizitäres Positionspapier veröffentlicht, das Inkompetenz, Unwissenschaftlichkeit & Kulturimperialismus zeigt.

Inkompetenz, Unwissenschaftlichkeit & Kulturimperialismus bei Zoogegnern

Pro Wildlife, der Deutsche Tierschutzbund, World Animal Protection, animal public, WDC, bmt, M.E.E.R., die Gesellschaft zur Rettung der Delfine, Vier Pfoten, PETA und die Organisation Menschen für Tierrechte haben sich zusammengeschlossen und ein mehr als defizitäres Positionspapier zum Thema Tourismus veröffentlicht, das seriösen Überprüfung nicht standhält. Dies wirft ein Schlaglicht auf die Inkompetenz in den Reihen der Verantwortlichen dieser Organisationen, die sich hier mit radikalen Tierrechtlern, die ohnehin jede Form der Tierhaltung abschaffen wollen, gemein machen und nichts als unsinnigen und in Wirklichkeit sowohl für den Natur- und Artenschutz als auch den Tierschutz schädlichen Populismus verbreiten. Interessant ist auch, dass sich diese Organisationen alle als „Tierschutzverbände“ bezeichnen, obgleich sie es genau genommen nicht mal alle sind – seriös ist offensichtlich keine dieser Organisationen. Warum? Lesen Sie selbst.

Was sind Wildtiere?

„Im Gegensatz zu domestizierten Tieren haben sich Wildtiere nicht im Laufe der Evolution an ein Leben in Gefangenschaft und den engen Kontakt mit Menschen angepasst. Selbst wenn sie in Gefangenschaft geboren sind, bleiben sie Wildtiere und haben entsprechende Bedürfnisse.“

Das ist einfach falsch. Wer zum Beispiel mit Delfinen arbeitet, weiß, dass sich selbst aus der Wildbahn stammende Tiere innerhalb von sechs bis zwölf Monaten meist so sehr an den Menschen gewöhnen, dass dies völlig irreversibel ist und diese Gewöhnung oftmals sogar so stark ist, dass die Tiere in der Natur zumeist nicht mehr überlebensfähig sind. Ähnliches findet man auch bei anderen Tierarten, was natürlich bei der Rettung solcher Geschöpfe für die Versuche der Wiederauswilderung ein Problem ist, dem sich die Experten auch stellen müssen. Andere Tierarten wiederum, wie zum Beispiel selbst die die einheimische Wildkatze, eine nahe Verwandte unserer Hauskatze, tun sich sehr schwer damit, sich an die Haltung in Menschenhand zu gewöhnen.

Spricht man über die Domestikation, so kann man keinesfalls alle Tierarten über einen Kamm zu scheren. Tut man dies dennoch, so zeigt dies die Inkompetenz der Organisationen, oder ist dies gar ein Beleg dafür, dass es deren verantwortliche Akteure mit der Wahrheit nicht immer allzu genau meinen? Das könnte man durchaus vermuten.

Völlig abstruse Vorstellung von Training

„In Tiershows müssen Wildtiere oft unnatürliche Darbietungen zeigen, was sie psychisch und auch physisch belastet und langfristig Schäden zur Folge hat. Die Dressur von Wildtieren setzt häufig auf Bestrafung durch Gewalt oder Futterentzug.“

Delfin mit Trainerin in Sea World Gold Coast (Australien) | Foto: Phalinn Ooi, Lizenz: CC BY 2.0

Auch das ist wieder vollkommen falsch. Akkreditierte und zertifizierte Zoos und Aquarien zum Beispiel arbeiten längst nicht mehr mit Futterentzug. Zudem funktioniert der Futterentzug etwa bei Delfinen, Elefanten und Wildkatzen gar nicht. Wenn zum Beispiel Orcas, Elefanten oder Löwen hungrig sind und sich ihnen dann ein Trainer mit Futter nähert, würde dies ein viel zu großes Risiko für ihn bedeuten. Deshalb wird in seriösen Einrichtungen keinesfalls mit hungernden Tieren gearbeitet.

Auch Gewalt hat im modernen Tiertraining keinen Platz mehr – auch, weil es nicht funktioniert. Gewalt würde nur funktionieren, wenn man sie konsequent und dauerhaft anwendet. Das würde bedeuten, die Trainer müssten sie auch in den Shows und somit vor den Besuchern anwenden. In akkreditierten und zertifizierten zoologischen Einrichtungen weltweit ist das natürlich nicht der Fall. Die Tiere nehmen freiwillig und gerne sowohl am Training als auch an den Shows teil, zumal dies ihrer Beschäftigung dient.

„Shows und Vorführungen vermitteln zudem ein völlig falsches Bild der Tiere und ihrer Bedürfnisse. Sie tragen damit nicht zur Bildung und Wissensvermittlung bei, sondern schaden dem Tier- und Naturschutz, da die Tiere nicht als bedrohte oder schützenswerte Spezies, sondern als ein Unterhaltungsmedium erlebt werden.“

So formuliert stimmt auch das nicht, denn in akkreditierten und zertifizierten zoologischen Einrichtungen zeigen die Tiere nur Verhaltensweisen, die sie entweder auch in der Natur ausführen, oder die Weiterentwicklungen ihrer natürlichen Verhaltensweisen auf freiwilliger Grundlage sind. Dass Shows, die dem Prinzip des Edutainments folgen, auch sehr wohl zur Bildung, Wissensvermittlung und der Motivation ihrer oftmals stark naturentfremdeten Besucher zum Schutz von Tieren, ihren Arten und ihren Lebensräumen, einen Beitrag leisten können, ist auch vielfach belegt. Denn gute Showprogramme rufen beim Betrachter positive Emotionen hervor und begeistern so für die Faszination von Tierwelt und Natur und motivieren für ihren Schutz. Zudem bedeuten sowohl die Trainingseinheiten als auch die Shows für die Tiere eine wichtig körperliche und geistige Stimulanz.

Direkter Kontakt wird verteufelt

Asiatische Elefanten in Pairi Daiza | Foto: Donarreiskoffer, Lizenz: CC BY 4.0

Deswegen ist es umso fataler, dass die betreffenden Organisationen auch den direkten, beziehungsweisen den freien Kontakt viel zu undifferenziert verurteilen, ja, dass sie ihn geradezu verteufeln. Dabei wird geflissentlich ignoriert, dass dieser sehr wichtig ist, um die Menschen mit der Tierwelt vertraut zu machen. Man verallgemeinert Negativbeispiele aus unseriösen Einrichtungen, die in keiner akkreditierten oder zertifizierten zoologischen Einrichtung üblich sind, und versucht so, andere sinnvolle und für die Tiere völlig unschädliche Angebote zu diskreditieren mir den Worten: „Diese und andere Angebote wie zum Beispiel Elefantenreiten, Schwimmen mit Delfinen, Fotografieren mit Wildtieren im Arm, das Streicheln und Füttern von Wildtieren oder Besucher als „Tierpfleger“ werden daher abgelehnt.“

Seit Jahrhunderten reiten Menschen in Asiatischen Ländern auf Elefanten. Wenn die Angebote tiergerecht sind, ist dagegen nichts einzuwenden. denn vielen Elefanten in seriösen, im Tourismus aktiven Haltungen in Thailand geht es besser als in manchen Zoos in Ländern, die den direkten Kontakt (von Besuchern und sogar Pflegern) abgeschafft haben – das ist wissenschaftlich belegt. Es kommt also nicht auf das Angebot an, sondern wie das Ganze gestaltet ist.

Es gibt auch tolle, tiergerechte Angebote zum Schwimmen mit Delfinen – etwa im Dolphin Research Center in Florida, USA. Hier werden solche Angebote von Delfinexperten geleitet und von Wissenschaftlern überprüft. Natürlich gibt es auch in diesem Bereich schlechte Angebote, aber das gibt den betreffenden Organisationen nicht das Recht, deswegen vollkommen undifferenziert alle zu diskreditieren, auch wenn die Daten und Fakten etwas anderes aussagen.

Fragliche Wildfang-Position

Der Schwarzfußiltis (Mustela nigripes) wurde auch durch die Arbeit von Zoos gerettet. | Foto: Kimberly Fraser / USFWS Mountain-Prairie, Lizenz: CC BY 2.0

„Angebote mit Wildtieren, die in der Natur gefangen wurden, sind aus Tier- und Naturschutzsicht komplett abzulehnen“, schreiben die Organisationen großkotzig. Dass es aber erfolgreiche Erhaltungszuchtprojekte gibt, zu denen Wildfänge einen entscheidenden Beitrag geleistet haben, wird dabei völlig ignoriert. Offenbar sollen bedrohte Arten in den Augen der Verantwortlichen der beteiligten Organisationen lieber aussterben, statt erforderlichenfalls, sozusagen als ultima ratio, der Natur entnommen, in ein wissenschaftlich begleitetes Erhaltungszuchtprojekt integriert, und dann möglichst wieder ausgewildert zu werden.

Hätten engagierte Naturschützer solche Ex situ-Schutzprogramme auch schon in der Vergangenheit abgelehnt, wären bereits etliche Arten, wie etwa der Kalifornische Kondor, die Arabische Oryxantilope und selbst das Europäische Wisent längst ausgestorben! Erneut zeigt sich, dass die beteiligten Organisationen entweder keine Ahnung von Tier-, Natur- und Artenschutz haben oder aber aus ideologischen Gründen lieber das Aussterben einer Art in Kauf nehmen, statt wirkungsvoll zu helfen. Bezeichnenderweise haben diese Organisationen noch niemals eine Art gerettet, die von ihnen so unsachlich attackierten zoologischen Einrichtungen hingegen vielfach!

Statt nun aber die Expertise der Zoos und Aquarien für den Natur- und Tierschutz zu nutzen, verbreiten die unseriösen Organisationen lieber gefühlte Wahrheiten, Fake News und Populismus. So kommen dann solche, für jeden wahren Naturschützer, lächerlichen verallgemeinernden Aussagen heraus, die den Tier-, Natur- und Artenschutz nur torpedieren und ihn keinen Millimeter nach vorne bringen.

Auffangstationen, Waisenhäuser und Sanctuaries

Tigerbaby im Big Cat Rescue (Tampa, Florida): es wird nie Nachkommen haben dürfen. | Foto: Tony Webster, Lizenz: CC BY 2.0

Völlig abstrus wird es dann, wenn es um mit schönen Begriffen ausstaffierte Tierhaltungen geht. Hier wird das erste Mal überhaupt differenziert – immerhin. Wie aber differenziert wird, belegt wieder so herrlich eindeutig, dass diese Organisationen keinerlei Expertise in dem Bereich haben, die sie im Positionspapier aber für sich in Anspruch nehmen.

„In [seriösen] Einrichtungen hat das Wohl der geretteten Tiere oberste Priorität; gesunde Tiere werden – soweit dies möglich ist – ausgewildert; es wird entsprechend minimaler Kontakt zwischen Tier und Mensch zugelassen; es gibt keine Tiervorführungen und keinen direkten Kontakt zwischen Besuchern und Tieren und die Einrichtungen betreiben keine Zucht.“

Tierhalter, denen das Tierwohl am Herzen liegt, haben den offensichtlichen Widerspruch schon längst erkannt: Die Fortpflanzung gehört zu den Grundbedürfnissen von Tieren. Zudem muss man den Tieren Beschäftigung bieten, was auch in Form von tiergerechten Tiervorführungen geschehen kann. Wenn das Wohl der Tiere also oberste Priorität hat, darf man ihnen nicht einfach die Erfüllung von Grundbedürfnissen verwehren.

Kulturimperialismus in Reinkultur

Richtig geringschätzig wird es dann, wenn es um „religiöse oder traditionelle Veranstaltungen“ geht. Unsachlich und undifferenziert wird fabuliert: „Religion und Tradition sind kein Freibrief für Tierquälerei.“ So einen wertlosen Allgemeinplatz kann auch wirklich nur jemand besetzen, der keine Ahnung hat, wie man als Fremder den im Urlaubsland heimischen Kulturen begegnen muss: nämlich mit Respekt. Nichts anderes nehmen wir ja auch in Deutschland für uns in Anspruch: Es gilt, als Gast in einem fremden Land dessen Kulturen zu respektieren.

Leider gibt es im Ausland in der Tat tierquälerische und somit fragwürdige Traditionen, aber wer eben wirklich etwas zum Wohl der Tiere verändern will, führt sich nicht auf wie ein Kolonialherr oder „white savior“, der die Eingeborenen zur angeblich wahren Erkenntnis führt. Wer denkt, er würde auf diese überhebliche Weise etwas erreichen, macht sich selbst was vor.

Erste Voraussetzung für ein fruchtbares Miteinander ist es, diesen Menschen mit Respekt zu begegnen und zu versuchen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Dazu gehört auch, sich mit diesen Traditionen ernsthaft zu beschäftigen, Daten und Belege zu sammeln und auf dieser Grundlage in einen respektvollen Dialog einzusteigen. So etwas funktioniert nicht immer und manche Traditionalisten sind unbelehrbar – das ist dann nicht schön, aber wir sollten als Fremde in diesen Ländern mit sehr viel Geduld, Umsicht und Respekt vorgehen, um dauerhaft etwas für die Tiere zu erreichen.

Denn dass man es in behutsamer und umsichtiger Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung erreichen kann, kulturelle Traditionen auch zum Wohl der Tiere zu ändern, zeigt die Loro Parque Fundación zum Beispiel in diesen zwei Projekten:

Beide Traditionen hatten den Beständen der beiden Arten massiv geschadet. Aber in respektvoller Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort ist es gelungen, Rituale so zu verändern, dass nun Mensch und Tier zusammenleben können, ohne dass die menschlichen Traditionen die betreffenden Arten gefährden. Heute haben Gelbohrsittiche und Blaulatzaras gute Chancen zu überleben – nicht durch Kulturimperialismus, sondern auf der Grundlage eines respektvollen Miteinanders.

Und tierische Souvenirs?

Schuppentier in Menschenhand | Foto: Alfred Weidinger, Lizenz: CC BY 2.0

„Auch für Urlaubs-Souvenirs müssen viele Wildtiere leiden und sterben (z. B. Taschen aus Krokodil- und Schlangenleder, Pelze, Haifischzähne, Schnitzereien aus Elfenbein). Zum Teil werden auch lebende Tiere zum Kauf angeboten. Viele dieser Tiere und Tierprodukte stammen aus der freien Natur, was zur Ausrottung seltener Arten beiträgt. Solche Souvenirs sind daher aus Tier- und Artenschutzgründen abzulehnen.“

Das ist, zusammen mit dem Hinweis, dass man keine Tierprodukte essen sollte, die auf tierquälerische Weise erzeugt wurden, wie Haifischflossensuppe oder Froschschenkel, im Prinzip der einzig richtige Hinweis. Allerdings stellt sich dann die Frage, wieso die beteiligten Organisationen nicht die Zusammenarbeit mit den aufgrund ihrer Attraktivität als Begegnungsstätte zwischen Mensch und Tier besonders öffentlichkeitswirksam arbeitenden seriösen Zoologischen Gärten suchen, um über diese Problematik möglichst viele Menschen zu informieren?

Stattdessen führen diese Organisationen nur allzu oft wahrheitswidrige und dreiste populistische Kampagnen ausgerechnet gegen die modernen Zoos als diejenigen Institutionen, mit denen sie gemeinsam viel mehr für den Natur- und Artenschutz sowie für den Tierschutz erreichen könnten, anstatt mit ihnen zum Wohl von Tierwelt und Natur zu kooperieren. Dies entlarvt diese Organisationen als ideologisch verblendete Anti-Zoo-Initiativen, denen ihre Ideologie (und das Spendensäckel) wichtiger sind als das Wohl der Tiere, für die sie sich angeblich einsetzen!

Folglich ist dieses Positionspapier das Papier nicht wert, auf das es gedruckt ist, und auch nicht den Speicherplatz, den es verbraucht. Es ist angesichts des sechsten globalen Massensterbens der Arten dringend an der Zeit, dass sich seriöse NGOs gemeinsam mit den modernen Zoos den wirklichen Problemen im Natur-, Arten- und Tierschutz annehmen, da sollte für ideologische Grabenkämpfe kein Platz sein!

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