Exklusiv für zoos.media – 22.02.2017. Autor: Philipp J. Kroiß
Die Gestaltung von Gehegen in modernen Zoos sind ein wichtiges Thema.
Beckengestaltung in Orca Ocean
Es gibt ein paar Besucher, die sich wundern, weshalb es in der Orcahaltung im Loro Parque keine künstlichen Riffe oder Felslandschaften unter Wasser gibt. Warum es sinnvoll ist, dass diese nicht existieren, ist ein Multifaktorensystem aus verschiedensten Gründen.
Diese Frage kam im Rahmen der jüngsten Journalistenreise in den Loro Parque auf und soll nun, nach weiterer Recherche, an dieser Stelle beantwortet werden.
Glatte Beckenwände sinnvoll
Zuerst sollte man sich fragen: Was sieht ein Orca vermeindlich im Freigewässer? Blaues Meer. Er selbst aber sieht es nicht blau, denn Delfine sind farbenblind wie das Max-Planck-Institut mitteilte. Es zählt für sie vielmehr die Farbintensität als die eigentliche Farbe.
In Küstennähe kann der Orca natürlich auf Felslandschaften treffen. Felsen im Delfinarium aber haben für die Tiere keinen eigentlichen Wert! Denn sobald etwas Neues ins Becken kommt, wird das erstmal durch das Biosonar auf Herz und Nieren überprüft, hat dann aber schnell seinen Reiz verloren!
Felsen bieten Unterwasser gleich mehrere Probleme: Die rauhe Oberfläche echter Felsen macht sie anfälliger für Algen und anderen Schmutz oder Ablagerungen, und zudem können existierende oder sich ausbildende scharfe Felskanten zu Hautverletzungen führen. Zudem würde eine Felslandschaft das Becken verkleinern.
Naturgetreue Felsen sorgen ferner für eine schlechtere Sichtbarkeit der Tiere im Becken. Wissenschaftlern, Trainern und Besuchern macht es so eine dunkelbraune oder dunkelgraue Verkleidung der Wände entsprechend schwerer, die dunklen Tiere von oben oder durch die Scheiben im Detail genau zu beobachten (besonders für die Trainer und Wissenschaftler wichtig). Blau hingegen sorgt für einen guten Kontrast, kommt aber eben auch in der natürlichen Farbpalette des Lebensraumes der Tiere vor.
Zudem kann es passieren das Menschen, ob mit oder ohne Absicht, ins Wasser gelangen. Um in einem Notfall Mensch und Tier zu trennen, wird dann ein Netz eingelassen. Bei Felsendekos wäre das nicht konsequent möglich, was im Ernstfall zu einem großen Problem werden kann. Auch die Sicherheit muss beim Bau einer Anlage und der Entscheidung der Beckengestaltung bedacht werden.
Unabhängig von Wohlbefinden
Es gibt Delfinarien, die andere Entscheidungen bezüglich der Beckengestaltung in Schaubecken getroffen haben. Das sind primär ästhetische Gründe. Es gibt keine wissenschaftlichen Befunde oder Hinweise aus Jahrzehnten der Haltung, die auch nur nahe legen würden, dass es Delfinen mit einer Felslandschaft, einen künstlichen Riff oder ähnlichen Strukturen per se besser gehen würde. Aus Sicht der Tiere ist es also offenbar egal. Viel wichtiger ist hier die Qualität der Enrichments.
Glatte Wände haben für die Tiere keinen Nachteil. Hartnäckig hält sich die Idee, dass glatte Wände Delfine verwirren würden, weil das Sonar zurückprallen würde. Fakt ist, dass das Sonar ja nur seinen Sinn erfüllt, wenn es zurückprallt, da der Delfin so seine Umgebung wahrnehmen kann – so funktioniert Echoortung. Ein Delfin setzt seine Echolokation ja nur bei Bedarf ein, und das Sonar der Tiere funktioniert in Menschenobhut nachweislich perfekt. Weder gibt es irgendeinen Hinweis darauf, dass das Tier beim Einsatz verwirrt wird, noch verkümmert es.
Cui bono?
Letztendlich muss man sich fragen: Wem nützt es? In erster Linie schaut man da in modernen Zoos auf die Interessen des Tieres und was dessen Wohlbefinden dient. Bei Orcinus orca ist klar: dem Tier ist es eigentlich egal. Dann kommen die Interessen der Menschen: Wissenschaftler, Trainer und Besucher sehen ein überwiegend schwarzes Tier auf dunklem Grund nicht so detailreich aus allen Perspektiven wie es manchmal nötig ist. Zudem funktionieren mit Felsen gewisse Security Operations dann nicht so gut. Insgesamt sprechen also gute Gründe dafür, auf eine Felsinstallation zu verzichten.
Schauen wir über den Tellerrand der Spezies und etwa auf Tursiops truncatus. Hier hat man im Loro Parque das Lagunenkonzept, das einen Strand nachbildet – ein häufiger Lebensraum der Tiere. Man hat eine Abgrenzung zum Publikum durch niedrige Felsen, aber zum Beispiel auf dem Beckenboden würden sie das Bild nur stören, weil es nicht zur Strandthematik passt.
Das Anlagenkonzept in den beiden deutschen Delfinarien ist weitaus felsiger gestaltet und zeigt den Besuchern unterwasser durchaus entsprechende Landschaften. Bei den Tieren, die eher hellgrau sind, ist es dann auch so, dass man diese Tiere, selbst im Schatten, besser erkennen kann als den, an den meisten Stellen, schwarzen Orca.
Andere Delfinarienkonzepte experimentieren mit einem Sandboden. Aber auch hier gilt: Für welches Konzept man sich auch immer entscheidet: Hinweise oder gar Forschungen, die überhaupt nahelegen würden, dass das eine Konzept besser ist als das andere, gibt es nicht. Deshalb sind Delfinarien in ihrer Entscheidung da recht frei. Auch hier ist es die Qualität des Enrichments, die, statt der Wandgestaltung, von größter Wichtigkeit für die Tiere ist.