Die Orcadame Morgan auf der Waage im Orca Ocean des Loro Parque | Foto: zoos.media

Bento setzt sich in die Nesseln

Exklusiv für zoos.media – 01.08.2018. Autor: Philipp J. Kroiß

Zig Gründe, warum der bento-Artikel “Tierquälerei im Ausland: Diese “Attraktionen” sollte man als Tourist auf Reisen meiden” keinen seriösen Journalismus zeigt.

Bento setzt sich in die Nesseln

Das Jungendangebot des SPIEGEL, bento, ist vielen wahrscheinlich eher durch fragwürdige journalistische Praktiken bekannt wie etwa Clickbait oder Native Advertising. Für dieses Medium hat sich nun Sebastian Maas, selbst weit davon entfernt, Fachjournalist zum Thema Tierhaltung zu sein, einen Artikel geschrieben, der, dank mangelhafter Recherche, vielleicht der Zielgruppe (politisch tendenziell links ausgerichtete Leser unter 30) gefällt, aber an der Realität deutlich vorbeigeht.

Völlig falsche Aussagen seines Interviewpartners James Brückner vom Deutschen Tierschutzbund, lässt er ohne Richtigstellung die Leute desinformieren – das ist nicht seriös. Genauso grundsätzlich falsch ist es, in dieser Sache nicht anhand von Experten und Fakten zu berichten, sondern anhand einer Lobbyisten der Tierrechtsindustrie.

Fatale Empfehlung

Ein freiwilliger Helfer füttert Elefanten-Dame Maali mit einer Banane. | Foto: Taingvitou Mut, Eric M. Davis, ZooNation.Org

Zuerst weist Mass zu Recht darauf hin, dass nicht jedes Angebot mit Tieren im Urlaub gut ist. Von differenzierter Betrachtung ist aber im Interview dann nichts mehr zu sehen. Ein paar völlig falsche Verallgemeinerungen und Plattitüden später, kommt dann folgende Empfehlung auf die Frage, woran man denn erkenne, ob eine Attraktion artgerecht (inwieweit die Verwendung des Begriffs fragwürdig ist, kann man hier lesen) ist?

„[E]ine kurze Internetrecherche gibt da schnell Auskunft. Man kann einfach den Namen des Parks oder des Touren-Anbieters plus ‘Tierschutz’ oder auf Englisch ‘Animal Welfare’ in die Suchmaschine eingeben.“

Das ist grundsätzlich falsch. Jeder kann eine Seite voller Lügen ins Internet stellen und mit ein wenig SEO-Können oder schlicht und einfach entsprechender Bezahlung dafür sorgen, in den Suchmaschinen aufzutauchen. Die Google-Suchergebnisse geben keinerlei Aufschluss diesbezüglich. Ein Hinweis auf seriöse drittparteiliche Audits fehlt in dem Artikel ganz.

Demokratische Bewertungsplattformen findet James Brückner auch nicht so toll:

„Portale wie TripAdvisor sind da aber keine Hilfe – die zeigen ja meist nur, wie gut es den Menschen gefallen hat. Und so ist zum Beispiel der Loro Parque auf Teneriffa dort sehr gut bewertet, aus Tierschutzsicht schätzen wir das aber anders ein.“

Wer auch immer „wir“ in diesem Zusammenhang sein soll, Experten können es nicht sein. Der LoroParque wurde intensiv von seriösen Experten und Behörden regelmäßig überprüft. Nie gab es auch nur eine einzige Beanstandung, die jemals Bedenken aus Tierschutzsicht gerechtfertigt hätte. Zweifelsohne gibt es Tierrechtspopulisten, die gegen den Park hetzen, um mit Lügen an Spenden zu kommen, aber keine einzige dieser Organisationen hat jemals Beweise vorlegen können, die einer drittparteilichen Prüfung standgehalten hätten.

Ist das noch schlechte Recherche oder kann das weg?

Im Loro Parque freut man sich über Nachwuchs. Quelle: Loro Parque

Sowohl im Artikeltext als auch im Text auf einem Bild (wahrscheinlich von der bento-Redaktion erstellt) findet man die Behauptung, dass ja Delfine generell wild gefangen werden müssten, weil sie sich „in Gefangenschaft nicht fortpflanzen“ würden. Zudem würde die Lebenserwartung in Menschenobhut „drastisch“ sinken. Das ist schlicht falsch.

Es gibt mehrere Zuchtprogramme in modernen Zoos, in denen sich Delfine sogar so gut fortpflanzen, dass man mit Kontrazeptiva kurzzeitig eingreift, damit es nicht zu viele Tiere werden. Die Lebenserwartung der Tiere in Menschenobhut ist sowohl in Europa als auch den USA innerhalb der Zuchtprogramme höher als die der wilden Artgenossen – teilweise sogar doppelt so hoch.

Zu Delfinschwimmen erklärt er:

„Eine ganze Reihe von Vorbehalten bestehen dabei aus Tierschutzsicht bei sämtlichen direkten Interaktionen mit Delfinen, etwa das Gefährdungsrisiko für Mensch und Tier, mögliche Krankheitsübertragung, Stresspotenzial für die Tiere und artenschutzrechtliche Bedenken, wenn Einrichtungen zum Beispiel wildgefangene Delfine im Bestand haben.“

Hätte er mehr als bei Google etwas eingegeben, wüsste er, dass in sämtlichen seriös akkreditierten Einrichtungen, die das Schwimmen mit Delfinen anbieten, genau das durch entsprechende Guidelines verhindert wird, aber wir haben ja schon gemerkt, dass James Brückner es mit seriöser Recherche gar nicht so hat.

Ähnliche lächerliche Aussagen, die einfach falsch und bereits schon oft widerlegt worden sind, findet man im Artikel auch zu anderen Tierarten.

Reiseveranstalter plötzlich Tierschutz-Experten?

Loro Parque: Orca Keto zeigt seinem Trainer seinen Bauch – ein Vertrauensbeweis. | Foto: zoos.media

Man hat schon bemerkt, dass seriöse Experten-Audits und dritt-parteiliche Zertifizierungen in der Google-Suche von James Brückner wohl nicht aufgetaucht sind und er sie wahrscheinlich deshalb nicht so kennt, sondern den Besuch einer Einrichtung von einer Google-Suche abhängig macht.

Auf die teils sehr fragwürdigen Reaktionen der Reiseveranstalter kommt er dann aber doch zu sprechen. Vor dem Hintergrund der aktuellen News natürlich auf Thomas Cook. Dabei empfindet er es als „Schritt in die richtige Richtung“, dass der britische Reiseanbieter den Loro Parque und SeaWorld aus seinem Programm nimmt.

Dank seiner mangelhaften Recherche weiß er aber wohl Folgendes nicht: Hatte er ein paar Zeilen zuvor noch auf die brutalen Praktiken in Taiji hingewiesen und zu Recht kritisiert, ist ihm nun entfallen, dass Thomas Cook selbst offenbar enge Verknüpfungen zu der Treibjagd in Taiji pflegt, während der Loro Parque und SeaWorld massive Gegner dieser Praktik sind. Dies hat das Projekt dolphinaria.truth aufgedeckt und entsprechend belegt:

(English | Deutsch | Español)According to Daily Mirror, "Thomas Cook axes trips to SeaWorld and Loro Parque" because of…

Gepostet von dolphinaria.truth am Sonntag, 29. Juli 2018

Er fällt damit auf einen Winkelzug von Thomas Cook herein, bei dem sich der Reiseveranstalter in Europa gegen seriöse Delfinarien stellt und damit Komplimente fischen will, während er in China genau die Industrie unterstützt, die diese seriösen Einrichtungen öffentlich kritisieren. Das nicht zu erkennen, ist das Resultat, wenn man sich eben nur auf die ersten Ergebnisse bei Google verlässt.

Woher weiß ich, ob ein Tierpark oder eine Tour tiergerecht sind?

Die Frage versucht ja auch James Brückner zu beantworten, scheiterte aber an offensichtlicher Inkompetenz, was schade ist, denn sie verdient eine seriöse Antwort. Ganz kurz und einfach zusammengefasst: auf seriöse Akkreditierungen und Zertifizierungen achten. Die sind sogar noch einfacher herauszufinden als über eine Google-Suche: einfach auf die entsprechenden Webseiten gehen und nachschauen.

Ausführlich haben wir dazu bereits im letzten Jahre eine Pressemitteilung herausgegeben:

Pressemitteilung: Zoos besuchen im Urlaub

Vielleicht fragt Sebastian Mass vor dem nächsten Artikel mal seriöse Experten oder recherchiert besser.

Übrigens hat Jan Böhmermann über den „Qualitätsjournalismus“ von Bento ein schönes Video gemacht:

Die im Video erwähnte Satire-Seite findet man übrigens hier.

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