Exklusiv für zoos.media – 14.03.2023. Autor: Philipp J. Kroiß
FDP-MdB Lars Lindemann macht mit erneut mit der undurchdachten und populistischen Forderung auf sich aufmerksam, eine zoologische Institution in Berlin zu schließen.
Berlin: Lindemann legt alte Platte gegen Zoos auf
Der FDP-Generalsekretär für Berlin, Lars Lindemann, ist nicht gerade für seine Wahlerfolge bekannt. Im Bundestag sitzt er wohl auch nur wegen seines hohen Listenplatzes auf der Landesliste der Berliner FDP. Anscheinend hart von der jüngsten Wahlschlappe – die FDP ist nicht mehr im Berliner Landesparlament vertreten – getroffen, fällt ihm eine alte Forderung wieder ein, mit der er schon mal eine heftige Bruchlandung hingelegt hatte: Berlin brauche keine zwei Zoos.
Das fand er auch 2013 schon mal. Thomas Ziolko von der CDU brachte es schon damals auf den Punkt: “Es ist unerträglich, wie ein Berliner Bundestagsabgeordneter, der sich in der Vergangenheit weder um den Zoo noch um den Tierpark bemüht hat, sich voller Unkenntnis über die Hauptstadtzoos äußert.” 2013 war das vorerst letzte Jahr von Lindemann im Bundestag gewesen, bevor er 2021 wieder einzog. Es drängt sich ein wenig der Eindruck auf, als seien die Berliner Zoos der Boxsack bei Misserfolgen von Lindemann.
Offensichtliche Unkenntnis
Lars Lindemann, dem 2013 von den Jungen Liberalen Lobbyismus vorgeworfen wurde, weil die Jugendorganisation einen Interessenskonflikt zwischen seinen politischen Ämtern als Gesundheitspolitiker und seiner beruflichen Ausrichtung im Gesundheitssektor vermutete. Auch in der jüngsten Äußerung zu den Zoos geht es wieder um eine Nobilitierung des Gesundheitssektors.
“Das Land Berlin kann sich”, findet Lindemann im Interview mit der Berliner Zeitung, “nicht auf der einen Seite fortgesetzt beispielsweise seiner Verpflichtung zur Investition in die elementare Daseinsvorsorge wie im Falle der Berliner Krankenhäuser entziehen, auf der anderen Seite aber zwei Zoos unterhalten.” Diese Argumentation ist ebenso populistisch wie lächerlich.
Kultur versus Medizin?
Es ist hochgradig gefährlich, elementare Daseinsvorsorge – und dazu gehören Medizin wie Kultur – gegeneinander auszuspielen. Zudem stimmt es auch schon zahlenmäßig nicht: 2023 sind über 150.000.000€ für die Berliner Krankenhäuser vorgesehen. Die Stadt zahlt an den Zoo Berlin jährlich nur 380.000€. Diese Zahlung wurde 2021 zugunsten einer Einmalzahlung von 16,5 Millionen € ausgesetzt, damit er wegen Corona nicht pleiteging.
Wenn sich die Stadt Berlin also den Zoo sparen würde, wären diese noch nicht mal 400.000€ im Jahr für das durch politische Entscheidungen marodierte Gesundheitssystem ein Tropfen auf dem heißen Stein, der sich nicht lohnt. Daher ist die Forderung purer Populismus. Es ist lächerlich wegen so geringer – eigentlich angesichts der großen Bedeutung beider sich ausgezeichnet ergänzenden tiergärtnerischen Einrichtungen sogar viel zu geringer – Unterstützung der Stadt eine international bekannte und renommierte Institution zerstören zu wollen.
Verstoß gegen den Koalitionsvertrag
Mit dieser Forderung verstößt Lindemann sogar gegen den Koalitionsvertrag, den die FDP, die sich bekanntlich die Bildung auf die blaugelbe Fahne schreibt, mit Sozialdemokraten und Grünen ausgehandelt hat. Der besagt nämlich, man wolle die Bildungsarbeit der Zoos unterstützen und sie nicht torpedieren, wie Lindemann dies jetzt probiert. Die Frage ist, ob sich die FDP solche Abgeordneten leisten kann, die nach politischen Schlappen anscheinend immer die örtlichen Zoos ins Visier nehmen. Vielmehr sollten sich die Verantwortlichen der FDP fragen, ob ihr jüngstes Versagen in Berlin nicht mit derartig niveaulos populistischer Politik eines liberalen Mandatsträgers zusammenhängen könnte.
Aber es ist ja nicht nur so, dass die Berliner den Zoo, den Tierpark und das Aquarium lieben, sondern auch Menschen aus ganz Deutschland und der Welt anreisen, um diese Tiere zu sehen. Über 5.000.000 Besucher sprechen eine klare Sprache. Das sind weit mehr als die Stadt Einwohner hat und nochmal sehr viel mehr als Lindemann mit seiner Partei in Berlin Wähler hinter sich hat versammeln können. Wenn man als Partei dann natürlich auch solche “Fürsprecher” in den eigenen Reihen hat, braucht man auch gar keine politischen Gegner mehr, um sich zu Grunde zu richten.
Das Problem der FDP
Frustration kann man bei der Partei, die Liberale als Zielgruppe hat, durchaus verstehen. Im Kampf um die Regierungsbeteiligung im Bund hat man wesentliche Inhalte und Versprechungen vor der Wahl aufgeben müssen. Dafür wird die FDP nun in den Landtagswahlen abgestraft. Dass eine Koalition, in der es immer 2:1 für den Etatismus gegen den Liberalismus steht, den Kern der Partei zermürben würde, war absehbar.
Von den fast 12% bei der letzten Bundestagswahl, ist nur noch etwas mehr als die Hälfte in den aktuellen Sonntagsfragen geblieben. Das kommt aber eben davon, wenn man vor einer Wahl anders agiert als danach. Vielleicht sollte sich Lindemann entsprechend mal stärker im Bundestag engagieren und seine wahrscheinliche Wut über das Versagen der eigenen Partei nicht mehr an den beiden für das Gemeinwohl bedeutenden Berliner Institutionen Zoo und Tierpark auslassen, denn gut getan hat ihm – und gewiss auch seiner Partei – das politisch bekanntlich auch noch nie.
Gerade die Gesundheitspolitiker der FDP haben sich in der Vergangenheit nicht mit Ruhm bekleckert, als sie zum Beispiel dafür sorgten, dass wesentliche Versprechungen zur Coronapolitik von vor der Wahl nach der Wahl schnell vergessen waren. Das ging auf vielen Ebenen gerade zu Lasten auch von Krankenhäusern und der Gesundheitsversorgung generell. Dieses eigene politische Versagen nun auf die Zoos abwälzen zu wollen, ist mit dem Adjektiv „schäbig“ noch euphemistisch beschrieben.