Plenarsaal des Landtags NRW | Foto: Moritz Kosinsky / Wikipedia, Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE

Corona-Hilfe: Land NRW darf Zoos nicht weiter unterstützen

Erschienen auf waz.de am 21.01.2020.

Der Artikel erklärt, dass, wegen der ausbleibenden Novemberhilfen vom Bund, das Land NRW die Zoos und Aquarien nicht weiter unterstützen dürfe, damit es keine “Doppelförderung” geben würde.

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Kommentar: Es ist schon bemerkenswert, dass man seitens der Landesregierung ins Feld führt, dass die Landeshaushaltsordnung die so genannte Doppelförderung verbiete, die in der Praxis bedeutet, dass die Förderung des Bundes, die versprochen wurde, aber bisher nicht geflossen ist, eine Förderung des Landes ausschließt. Diese Vorschrift der Landeshaushaltsordnung scheint interessanterweise sehr viel schwerer zu wiegen als etwa verfassungsgemäße Grundrechte, die man per Verordnung seit Monaten zumindest teilweise einschränkt. Inwiefern diese Einschränkung sinnvoll ist oder nicht, soll an dieser Stelle gar nicht diskutiert werden, sondern diese fragwürdige Gewichtung ist schon ein sehr besonderer Vorgang: in Notzeiten kann man also Zoos und Aquarien, sowie anderen Unternehmen und Organisationen, den Boden unter den Füßen wegreißen und sie ihrem baldigen Ruin entgegenschauen lassen, aber die Notlage soll gleichzeitig nicht groß genug sein, ein Detail der Haushaltsordnung für eine überschaubare Zeit außer Kraft zu setzen? Das ist kaum glaubwürdig.

Entweder ist die Not so groß, dass man den politischen Weg geht, dass man Kultur, Handel und weitere Branchen fast vollständig lockdownt, aber dann kommt man als so entscheidender Staat eben auch für die Schäden auf, die man anrichtet. Dann ist es natürlich, dass auch die Zustimmung für solche Maßnahmen bröckelt, was man im Moment auch in Umfragen ablesen kann, denn die Zustimmung in der Bevölkerung für solche Maßnahmen ist längst nicht mehr so groß wie noch vor wenigen Monaten.  Vor dem Hintergrund wirken die Worte von Bundesfinanzminister und Lockdown-Befürworter Olaf Scholz (SPD) im MOMA der ARD (hier verfügbar bis zum 06.01.2022) eher wie blanker Hohn: “Wir können das lange durchhalten. Wir haben Vorsorge getroffen. Der Deutsche Bundestag, der Haushaltsgesetzgeber, hat uns die Ermächtigung gegeben, dass wir die Hilfen bereitstellen können, die notwendig sind”. Wo sind denn diese Hilfen? Wenn man sie wirklich hat, kann man sie doch einfach endlich auszahlen.

Es ist ja nicht so, als käme die Notwendigkeit solcher Hilfe aus heiterem Himmel. Auch die vier heimischen Coronaviren verteilen sich im Winterhalbjahr deutlich mehr als im Sommerhalbjahr und da hat es niemanden wirklich überraschen können, dass dies auch bei SARS-CoV-2 der Fall war, wenn die Berater der Bundesregierung tatsächlich sie gut sind wie man es gerne behauptet. Gerade für die Zoos und Aquarien war es auch klar, dass die Hilfen im März ja nur der Auftakt von wichtiger, weiterer Unterstützung sein konnten. Dass nun das Land in dieser offensichtlichen Notlage lieber auf die Landeshaushaltsordnung verweist, statt unbürokratisch für die Zoologischen Gärten überlebensnotwendige Hilfen zu zahlen, ist ein Schlag ins Gesicht für eine Zoogemeinschaft, die von ihrer Seite seit fast einem Jahr alles menschenmögliche tut, um die Pandemie einzugrenzen, und sich jeder auch noch so fragwürdigen Verordnung unterworfen hat.

Lockdown ist nicht alternativlos und Zooschließungen schon gar nicht: der Zoo und der Tierpark Berlin etwa bleiben trotz Verlängerung und Verschärfung des Lockdowns geöffnet. Wenn man sich in NRW den Lockdown der Zoos und Aquarien nicht leisten kann oder leisten will, kann er jederzeit beendet werden. Zu keinem Zeitpunkt waren Zoos oder Aquarien in irgendeiner Weise Treiber der Infektionszahlen, Hotspots und es gab auch keine Superspreading-Events. Vielmehr scheint man die Zoos und Aquarien benutzen zu wollen, um eine besondere Stringenz des Lockdowns symbolhaft zu belegen, die wissenschaftlich gar nicht geboten ist:

  • Chaudhry et al. (2020): “[G]overnment actions such as border closures, full lockdowns, and a high rate of COVID-19 testing were not associated with statistically significant reductions in the number of critical cases or overall mortality”. [Deutsch: Maßnahmen der Regierung wie Grenzschließungen, vollständige Lockdowns und eine hohe Rate an COVID-19-Tests waren nicht mit einer statistisch signifikanten Verringerung der Anzahl kritischer Fälle oder der Gesamtmortalität verbunden.]
  • Loewenthal et al. (2020): “We would have expected to see fewer Covid-19 fatalities in countries with a tighter lockdown, but the data reveals that this is not the case”. [Deutsch: Wir hätten erwartet, dass in Ländern mit härteren Lockdowns weniger Covid-19-Todesfälle zu verzeichnen sind, aber die Daten zeigen, dass dies nicht der Fall ist.]
  • De Larochelambert et al. (2020): “Stringency of the measures settled to fight pandemia, including lockdown, did not appear to be linked with death rate”. [Deutsch: Die Strenge der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie, einschließlich Lockdowns, schien nicht mit der Sterblichkeitsrate in Verbindung zu stehen.]
  • Bendavid et al. (2021): “In the framework of this analysis, there is no evidence that more restrictive non-pharmaceutical interventions (“lockdowns”) contributed substantially to bending the curve of new cases in England, France, Germany, Iran, Italy, the Netherlands, Spain, or the United States in early 2020. ” [Deutsch: Im Rahmen dieser Analyse gibt es keine Hinweise darauf, dass restriktivere nicht-pharmazeutische Interventionen (“Lockdowns”) wesentlich dazu beigetragen haben, die Kurve neuer Fälle in England, Frankreich, Deutschland, Iran, Italien, den Niederlanden, Spanien oder den USA Anfang 2020 abzuflachen.]

Wenn man dann eine politische Entscheidung gegen solche Evidenz trifft sowie massive und tiefgreifende Verordnungen, die ja von den Bundesländern formuliert, durchsetzt, muss man sie auch bezahlen können. Denn, unabhängig davon, ob diese Entscheidung am Ende richtig oder falsch ist, ist es eine politische Entscheidung, deren Finanzlast aber eben nicht dann anderen aufgebürdet werden kann, von denen klar ist, dass sie sie nicht bezahlen können. Das ist eine Frage der Fairness zwischen Politik und Gesellschaft. Der Hinweis auf die Landeshaushaltsordnung wirkt von dem Hintergrund eher hilflos, hat man doch für die Gesellschaft weit tiefergreifende Änderungen bereits verordnet. Es geht ja nicht nur für die Zoos und Aquarien, sondern auch für viele Tierarten und ganze Ökosysteme ums Überleben.

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