Im Tierpark Hagenbeck leben Elefanten hervorragend versorgt in freiem Kontakt. | Foto: An-d, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Corona: Zootieren fehlen die Zoobesucher

Exklusiv für zoos.media – 26.03.2020. Autor: Philipp J. Kroiß

Wie reagieren die Tiere, wenn plötzlich die Besucher in den Zoos fehlen? Fotos und Videos geben einen Eindruck, sowie auch die Einschätzungen von Experten zu dieser Frage.

Corona: Zootieren fehlen die Zoobesucher

Es gibt diesen alten Irrtum, der sich hartnäckig hält, dass Zoobesucher die Tiere im Zoo stören würden, selbst wenn sich diese respektvoll verhielten. In der Gedankenwelt dieses Missverständnisses der Mensch-Tier-Beziehung sind die Besucher dann notwendiges Übel, um alles zu finanzieren. Wie falsch man damit liegt, das zeigt nun die Coronakrise, wegen der es in den Zoos nun plötzlich keine Besucher gibt. Verschiedene Zoos vermelden jetzt, dass es den Tieren nicht so gut gefällt, dass nun plötzlich die Menschen fehlen.

Besuchermangel trifft auf Unverständnis

“Für die Kattas waren Besucher eine willkommene Abwechslung. Manchmal sind sie ihnen sogar auf die Schultern gesprungen”, wird Dr. Guido Westhoff, Leiter des Tropen-Aquariums im Tierpark Hagenbeck, in der WELT zitiert. Sein Kollege Marius Kienzle, der sich im selben Zoo in Hamburg um die Elefanten kümmert, berichtete der Zeitung: “Shandra und Mogli sind die ersten Tage ohne Besuch immer zum Gehegerand gelaufen und haben auf Menschen gewartet, die sie dort füttern.”


Die Tiere, die in Hagenbeck also mit den Besuchern interagieren, vermissen diese Menschen auch. Es geht den Tieren natürlich weiterhin gut, aber es zeigt auch wie positiv sie diese Interaktionen empfinden und welche ein Fehler es ist, dass man versucht, solche Interaktionen in Zoos immer mehr zu minimieren.

Aber auch Tieren, die Besucher einfach nur beobachten, fehlt etwas und daher gibt es ganz innovative Ideen, den Tieren diesen Zustand zu erleichtern:

Sumatra-Tiger im Zoo Osnabrück | Foto: Basotxerri, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Weitere Beispiele finden sich etwa in Schwerin: “Für die Tiger ist das etwa, als sei “der Fernseher kaputt”, sagt eine Pflegerin im Zoo Schwerin”, berichtet der NDR. Auch aus der Schweiz hört man ähnliches. Im Zoo Frankfurt beobachtet man, dass die Giraffen und Erdmännchen häufiger ihre Hälse recken, um jemanden zu erspähen. Der Stuttgarter Zoodirektor Dr. Thomas Kölpin merkt auch, dass die Tiere nun vermehrt Kontakt suchen: “Die Kurzohrrüsselspringer, die sonst gern in Deckung bleiben, laufen offener herum. Und die Kleinen Kudus, die wirklich scheue Fluchttiere sind, halten sich nicht wie meistens dezent im Hintergrund, sondern kommen selbstbewusster an die vordere Abgrenzung der Savannenanlage.” Zudem würden die Seelöwen nun direkt auf einen zu schwimmen, wenn sich jemand nähert.

Für die Tiere im Zoo sind die Besucher nämlich eben auch Enrichment. Genauso wie wir die Tiere beobachten, beobachten auch die Tiere uns. Den Nagel auf den Kopf trifft zum Beispiel die Pflegerin aus Schwerin mit ihrem Vergleich zum Fernseher: Zootiere finden die Besucher interessant und das ist auch nachvollziehbar. Für sie sind es Lebewesen, die sich ganz merkwürdig verhalten und das ist eben spannend zu sehen, weil es so unvorhersehbar ist. Wenn man Enrichment-Stundenpläne entwirft, muss man ja gerade darauf achten, unvorhersehbar zu sein und das sind Besuchergruppen ganz von selbst.

Im Umkehrschluss heißt das aber natürlich gleichzeitig auch nicht, dass jede Besuchergruppe automatisch gut ist. Solche, die sich respektlos verhalten und so dem Tier schaden, fehlen keinem Tier und sind auch nach Corona in keinem Zoo irgendwie erwünscht. Allerdings alle, die sich benehmen können, sind immer gerne gesehen.

Tiere beschäftigen sich nun mehr mit sich selbst

Neugieriges Erdmännchen im Loro Parque | Foto: zoos.media

Gleichzeitig sollte man die Rolle der Besucher als Enrichment auch nicht überbewerten, denn die Experten im Zoo lassen sich natürlich noch viel mehr einfallen, um die Tiere zu beschäftigen und haben viel interessanteres Enrichment, dass die Tiere nach wie vor bekommen. Zudem beobachtet man, dass sich viele Tiere aktuell mehr miteinander beschäftigen und man erhofft sich bessere Zuchterfolge. Dass der Fokus der Tiere nun mehr in diese Richtung geht, macht sie dem Menschen nicht unbedingt unähnlicher. Schon bei kurzen Episoden, in denen die Leute zu Hause bleiben mussten, konnte man neun Monate später eine gesteigerte Geburtenrate messen.

Es muss also deshalb nicht gleich alles total schlecht sein und kein Zootier sitzt jetzt auch weinend im Käfig. Intelligente Tiere können sich sehr schnell an neue Umstände gewöhnen und ehe man es sich versieht, kann man sich auch schon auf ein Wiedersehen freuen. In Peking öffnete der Zoo etwas weniger als zwei Monate nach der Schließung. Natürlich ist das nicht 1:1 vergleichbar, aber es eröffnet vielleicht einen groben Zeitrahmen, wann sich Zootiere und Besucher wiedersehen. Einen wahrscheinlich durchaus größeren Trennungsschmerz gibt es wohl auf der Seite vieler Stammbesucher, die eine besondere Beziehung zu ihrem Lieblingstieren im Zoo haben.

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