Elefant in Uganda | Foto: Rod Waddington, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Elefanten auf Hinterbeinen

Exklusiv für zoos.media – 13.08.2020. Autor: Philipp J. Kroiß

Wenn Elefanten auf Hinterbeinen stehen führt das nicht nur zu Verwunderung, sondern auch zu Missverständnissen. Dieser Artikel schickt sich an, diese aufzuklären.

Elefanten auf Hinterbeinen

Über das Verhalten von Elefanten gibt es viele Missverständnisse und wir haben mit einigen im Laufe des Projektes zoos.media schon aufgeräumt – etwa den Trick mit dem “malenden Elefanten”:

Das Geheimnis der malenden Elefanten

Hier wurde ein einfacher Trick angewandt, um die Illusion zu vermitteln, dass Elefanten malen würden. Allerdings funktioniert das auch anders herum: völlig normales Elefanten-Verhalten wird zu einer Art “Trick” verklärt. Das passiert seit Jahren mit einem sehr berühmten Verhalten von Elefanten.

Der Hinterbeinstand: ein natürliches Verhalten

Der so genannte Hinterbeinstand wird als “anatomisch unkorrekte” oder gar “schädliche” “Dressur”-Übung bezeichnet. Kurioserweise wissen davon wilde Elefanten nichts, denn tatsächlich handelt es sich um natürliches Verhalten. Elefanten sind zwar groß, aber eben auch nicht groß genug, um alle Blätter Afrikas zu erreichen. Also helfen sich die Tiere, was man auf zahlreichen Fotos aus im Internet sieht, mit diesem Hinterbeinstand selbst. Aus urheberrechtlichen Gründen, können wir sie hier nicht zeigen, aber sehr wohl verlinken. So kann jeder ganz einfach den Links folgen und so einen Eindruck dieses Verhaltens in der Natur gewinnen.

Man sieht also: Das zeigen die Tiere quer durch die Verbreitungsgebiete in sämtlichen Alters- und Größenklassen. All diese Tiere befinden sich nicht in einer Trainings- oder Dressur-Situation. Sie zeigen dieses natürliche Verhalten in der Natur selbst. Dass es ein natürliches Verhalten ist, bestätigt auch die renommierte International Elephant Foundation in diesem Post auf Facebook.

Auf diesem Foto stützt sich der Elefant sogar ab, was eine weitere Variation des Verhaltens darstellt.

Auch auf YouTube findet man Videos von Tieren, die dieses Verhalten zeigen:


Dekontextualisierung durch Tiertraining

Was macht nun ein seriöser Tiertrainer und Tierlehrer, damit der Elefant das quasi ohne des Kontextes der Nahrungssuche abruft? Ein bekannter Weg im Tiertraining ist das so genannte “Capturing”. Da die Tiere, wie man das etwa auf dem Bild mit dem Kalb auch sieht, dieses Verhalten auch einfach so ausführen, muss der Trainer genau diesen Moment abwarten, wenn das Tier ohne Kommando das Verhalten zeigt. Dann muss er da sein und das Verhalten belohnen. Das versteht der Elefant schon als Jungtier sehr gut. Üblicherweise beginnt der Elefant dann, dem Trainer oder Tierlehrer dieses Verhalten anzubieten, um die Belohnung zu bekommen. Dann oder schon beim ersten Teil vom “Capturing” implementiert man das Signal, aufgrund dessen der Elefant das Verhalten später ausführen soll.

So, natürlich sehr vereinfacht dargestellt, bekommt der Trainer oder Tierlehrer es hin, dass der Elefant künftig dieses natürliche Verhalten auf Signal-Gabe zeigt. Das ist ein sehr typisches Verfahren im Tiertraining, das sowohl bei Wildtieren, als auch bei Haustieren schon sehr lange erfolgreich eingesetzt wird. Man unterjocht dabei das Tier nicht, sondern bietet ihm mit der Signal-Gabe an, ein natürliches Verhalten integriert in einer spielerischen Interaktion anzuwenden. Anders als in der Natur geht es für das Tier dabei aber nicht um Sein oder Nicht-Sein, sondern das Tier zeigt das Verhalten freiwillig und ohne jeden Zwang. Zu essen, bekommen Elefanten in Zoos ohnehin genug und müssten nicht am Training teilnehmen. Weil ihnen die Interaktion mit den Menschen aber Freude bereitet, machen sie es gerne.

Wozu ist der Hinterbeinstand wichtig?

In der Natur ist dieses Verhalten für die Elefanten überlebenswichtig, denn sie sind gezwungen, Nahrung zu finden, um nicht zu verhungern. Im Zoo gibt es die Nahrung quasi “frei Haus” und niemand zwingt sie das Verhalten auszuführen. Die Elefanten aber in einer Trainingssituation zu motivieren, dieses Verhalten zu zeigen, macht viel Sinn im Zusammenhang mit Verhaltensanreicherung (Enrichment) durch die kognitive Herausforderung, die es darstellt, weil das Halten der Balance auch eine Denkaufgabe ist. Es macht aber auch Sinn, um den Bewegungsapparat der Tiere fit zu halten. Ähnlich wie Gymnastik für den Menschen eine gute Idee ist, um nicht “einzurosten”, macht es auch für die Elefanten Sinn.

Ab einem gewissen Alter werden aber natürlich auch Elefanten alt und führen dieses Manöver auch in der Natur nicht mehr durch, weil im Alter die Gelenke durchaus – trotz Training – etwas träge werden können. Der seriöse Trainer und Tierlehrer aber nimmt genau darauf Rücksicht und hält Elefanten ohnehin nur mit einem erfahrenen Tierarzt, der genau den Gesundheitszustand der Tiere im Blick hat. So weiß man immer ganz genau, was einem Tier gut tut. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf das Trainingsprogramm, das man mit den Tieren durchführt. Ebenso nehmen Tiertrainer und Tierlehrer auch Rücksicht auf den Charakter des Tieres. So ist es ganz üblich, dass die Tiere Lieblingsverhalten haben, die sie gerne zeigen. Somit ist es auch ihrem Wohlbefinden zuträglich, wenn sie diese zeigen dürfen.

Außerdem gehört es natürlich auch zum natürlichen Verhaltensspektrum der Tiere – also warum sollte man dieses Verhalten nicht zeigen wollen? Das kann man in Trainingssituationen tun und auch im Rahmen von Futter-Enrichments auf der Anlage. Leider gab es durchaus eine Welle des Populismus, die diesem Verhalten entgegen schlug, die vor allem durch Wissenslücken der angeblichen Experten, die sich gegen das Verhalten aussprachen, evoziert wurde. Es macht also keinen Sinn, das Verhaltensspektrum des Elefanten so künstlich einzuschränken, sondern vielmehr hat der Hinterbeinstand auch einen edukativen Wert im Rahmen einer Präsentation für die Besucher, die sonst wahrscheinlich nie live dieses natürliche Verhalten erleben könnten. Edukative Präsentationen sind auch wichtig, um den Artenschutz voran zu treiben.

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