FridaysForFuture-Demonstratin in Berlin | Foto: Leonhard Lenz, Lizenz: CC0 1.0

FridaysForFuture: Rhetorische Limits der Bewegung

Erschienen auf nature.com am 06.05.2019. | Von: Darrick Evensen

Die Bewegung FridaysForFuture pocht auf Wissenschaftlichkeit. Das hört sich erstmal gut an, aber dieser Artikel diskutiert dieses Vorgehen und gewisse Limits.

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Hinweis: Evensen von der Universität von Edinburgh erklärt hier fraglichen Umgang mit der Wissenschaftlichkeit im Rahmen der FridaysForFuture-Bewegung, der sich ja auch ScientistsForFuture, obgleich der Name etwas irreführend ist, angeschlossen haben. Darauf nahm auch das Video vom YouTuber Rezo Bezug, der sogar davon sprach, dass es in dieser Diskussion “nur eine legitime Einstellung” gäbe.

“Die Sprache des Aktivismus der Studenten behandelt die Wissenschaft jedoch als den klaren Vermittler einer wirksamen Politik. Die Platzierung der Wissenschaft auf einem solchen Podest […] missversteht die Rolle objektiven Wissens für ethisches politisches Handeln und erinnert unangenehm an den unbestrittenen wissenschaftlichen Progressivismus der Neuzeit. Das heutige Argument der Studenten unterscheidet sich deutlich vom Glauben des Kalten Krieges an die Wissenschaft als Allheilmittel gegen alle Übel. Dennoch wird fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die Wissenschaft selbst uns sagen kann, welche Maßnahmen der Mensch ergreifen sollte.” – Darrick Evensen, Universität von Edinburgh
[Englisches Original: The language of the students’ activism, however, treats science as the clear arbiter of effective policy. Placing science on such a pedestal […] misunderstands the role of objective knowledge in ethical political action, and is uncomfortably reminiscent of the unquestioned scientific progressivism of the modern era. Today’s students’ argument is notably different from the Cold War faith in science as the panacea to all ills; yet, it still incorrectly assumes that science itself can tell us what action humans should take.]

Progressivismus ist eine Strömung, die in der Ausformung, die hier gemeint ist, Wissenschaft nutzt, um die politische Agenda zu verdecken oder irreführend zu legitimieren. Das bedeutet, dass die politisch agierenden Personen behaupten, die Wissenschaft würde das erzwingen, was sie politisch fordern. Sie erklären, man müsse ja nur der Wissenschaft folgen und dann würde schon alles werden. Was bei dieser Argumentation verschwiegen wird ist, dass es sich bei der eigenen politischen Agenda nur um die eigene Interpretation der Wissenschaft handelt und eben nicht um etwas, das “die Wissenschaft” fordert. Das geht im Prinzip schon gar nicht, weil es “die Wissenschaft” als politisch homogener Körper gar nicht gibt.

Kurz gesagt: Es gibt keinen Konsens auf wissenschaftlicher Ebene bezüglich der Verfahrensweise mit den Fakten, die die Wissenschaft hervorbringt.

Klassisches Beispiel ist, dass im Bezug auf den IPCC gerne behauptet wird, dass wir nur noch 12 Jahre zum Handeln hätten. Das sagt der aber gar nicht. Der Bericht erklärt, dass aktuell bereits zu handeln sein und selbst dann der Erfolg nicht gewiss ist. Gleichzeitig erklärt er auch, dass nach diesen 12 Jahren eben auch nicht aller Tage Abend ist, wenn das Ziel nicht erreicht wird. Das zeigt auch wie sehr selbst schon die definitiv, wie generell in der Wissenschaft, kritisch zu hinterfragenden und teils als alarmistisch, teils als unterschätzend eingestuften Berichte des IPCC nochmal populistisch verschärft werden, um eine Weltuntergangsstimmung zu erzeugen, die völlig unwissenschaftlich ist.

Es gibt eben nicht nur eine Interpretation wissenschaftlicher Ergebnisse und somit nur “eine legitime Einstellung” wie dieser Thread von Bjorn Lomborg etwa zeigt:

Wissenschaft ist eben letztendlich immer die Diskussion von Daten und es gibt keine Art Wissenschaftsbibel, die dogmatisch beschreibt wie man richtig handelt. Deswegen war sie in der Aufklärung ja genau der Gegenentwurf zur Religion, weil diese eben genauso funktioniert. In Christentum werden Bibel und Katechismus herangezogen, um zu ermitteln wie man richtig handelt. In der Wissenschaft gibt es so etwas nicht, denn Wissenschaft hat ja gar nicht den Anspruch der Vertretung einer allwissenden Gottheit. Trotzdem wird sie zur Rabulistik hergenommen und genau dagegen wendet sich dieser wichtige Artikel, ohne die Bewegung an sich zu diffamieren oder kategorisch abzulehnen.

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