Exklusiv für zoos.media – 25.03.2025. Autor: Philipp J. Kroiß
Der NDR bewirbt „Unter Orcas“. Die Pseudo-Doku müsste wohl eher „Unter Desinformationen“ heißen. Ein fragwürdiger Ex-Trainer fabuliert darin über SeaWorld.

NDR: Peinliche Werbung für Pseudo-Doku
Jeder in Deutschland muss den NDR finanzieren. Das bezieht sich auf das TV-, Radio- und Streaming-Programm. Eine Wahl diese Finanzierung zu leisten, hat man nicht. Dafür müssen der NDR und die anderen öffentlich-rechtlichen Anstalten eigentlich dafür sorgen, dass das, wofür Geld ausgegeben wird, auch dem Auftrag des ÖRR entspricht. Beim Einkauf der Pseudo-Doku „Unter Orcas“ wurde aber Geld zum Fenster raus geworfen. Schon der Trailer, mit dem der NDR dieses fragwürdige Machwerk bewirbt, zeigt: Da hat jemand seine Hausaufgaben nicht gemacht.
Wer ist Jeffrey Ventre?
Protagonist des Trailers ist der Ex-SeaWorld-Trainer Jeffrey Ventre, der – drückt man es positiv aus – mutig über Wissenschaft spricht. „SeaWorld hat sich damals als sehr wissenschaftlich präsentiert, aber das war nicht so, das habe ich erst später gemerkt“, hört man ihn sagen. Im Gegensatz zu den zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten, die unter SeaWorlds Mitwirkung entstanden, wurden seine Veröffentlichungen – etwa zur Lebenserwartung oder den Zähnen von Orcas – in der Luft zerrissen und widerlegt. Man darf also skeptisch sein, was sein „Urteil“ über diese Wissenschaft wert ist.
Zudem sollte man sich mal fragen, warum Ventre nicht mehr bei SeaWorld arbeitet. Im Trailer erscheint es so, als habe er die angeblichen, aber nie nachgewiesenen Missstände, die er beschreibt, gesehen und aufgehört. Das entspricht aber nicht der Realität. Er war auch schon beim unseriösen Blackfish-Film dabei. Im Zuge der Antwort auf die auch da vertretenen Desinformationen, wurde erklärt, warum er entlassen wurde.
Warum ist Jeffrey Ventre eigentlich Ex-SeaWorld-Trainer?
Der nun als Aktivist tätige Ventre wurde von SeaWorld gefeuert, weil er sein Privileg missbraucht habe, mit Orcas zu arbeiten, erklärte Thad Lacinak, und die Sicherheitsvorschriften brach – dreimal. Das Fass zum Überlaufen brachte ein Vorfall während einer Show: Wohl um ein paar Girls im Stadium zu beeindrucken, steckte er seinen Kopf in den Mund eines Schwertwals. Da dies nicht der erste Verstoß war, musste er danach das Unternehmen verlassen. Anschließend startete er wohl eine Art Rachefeldzug. Auch hier darf also die Glaubwürdigkeit seines Urteils bezweifelt werden.
Die Tierrechtsindustrie, die jede Form der Tierhaltung und somit natürlich auch die Haltung von Orcas vernichten will, fungiert seit Jahren als Auffangbecken solcher Ex-Trainer. Ignorieren von Sicherheitsvorschriften, mangelhafte Schwimmfähigkeiten oder das Treten von Ottern waren Vergehen, die zur Entlassung von solchen Ex-Trainern führten, die dann als angebliche Whistleblower von der Tierrechtsindustrie in die Medien gebracht wurden. Das sind die „Kronzeugen“ der Kampagne gegen SeaWorld.
SeaWorld hat sich verändert

Die Tierrechtsindustrie in den USA hat eine Zeit von SeaWorld schlecht gemacht, die für die Orcas im Unternehmen und darüber hinaus zu den besten gehörte. Es gab ein florierendes Zuchtprogramm, die Gesundheit der Tiere war bei jeder seriösen Überprüfung top und Millionen von Park-Einnahmen flossen in Forschung für sowie Schutz von Orcas in der Natur. Als dann Blackfish veröffentlicht wurde, reagierte SeaWorld zu spät und die Falle, die das Unternehmen durch den Börsengang selbst aufgespannt hatte, schnappte letztendlich zu.
SeaWorld beugte sich dem Druck der Tierrechtsindustrie und ging sogar eine Partnerschaft mit ihr ein. Das Ergebnis war der Plan des Auslaufens der Haltung durch einen Zuchtstopp. Was das Unternehmen verschwieg: Es gibt keine Langzeit-Kontrazeptiva für Orcas oder sonstige Konzepte, die tiergerecht so einen Zuchtstopp umsetzbar machen. Man setzt trotzdem auf Medikamente. Der Gesundheit der Tiere war das nicht zuträglich. Auf die Ergebnisse – den Regumate-Kiefer der Weibchen – stürzte sich die Tierrechtsindustrie dankbar.
So hat SeaWorld durch den eigenen Opportunismus am Ende alles verloren, was das Unternehmen mal ausgemacht hat. Neuerdings setzt man eher auf Freizeitparks statt Artenschutz-Zentren. Vor der Verkündung des Zuchtstopps ist das Unternehmen auch fast alle Mitarbeiter losgeworden, die die Goldene Zeit von SeaWorld geprägt haben. China war dafür sehr dankbar, konnte es die Expertise dieser Fachleute nun für den Aufbau der eigenen Orca-Haltungen nutzen. Die USA hatten ihre Vorreiterrolle verloren.
Fundierte Kritik an SeaWorld ist wichtig

Daher gibt es viel, was man fundiert an SeaWorld kritisieren kann. Das hat zoos.media auch schon getan beziehungsweise auch Links zu Artikeln geteilt, die das getan haben. Das macht aber solche Rachefeldzüge von Ex-Trainern und den Populismus der Tierrechtsindustrie gegen das Unternehmen nicht richtig oder glaubhaft. Kritik muss sich auf Fakten beziehen und nicht auf Hass oder sonstige Gefühle. Das Unternehmen hat Fehler gemacht, aber die kann man nachweisen ohne in Dichtkunst verfallen zu müssen.
Das Unternehmen hätte niemals an die Börse gehen dürfen. SeaWorld hätte viel schneller auf Blackfish reagieren müssen. Es wusste bereits von der Entstehung des Films und tat nichts. Den Pakt mit der unseriösen Humane Society of the United States (HSUS), die man damit zum größten Player in der US-amerikanischen Tierrechtsindustrie gemacht hat, hätte es nie geben dürfen. Das hat nämlich den Tieren tatsächlich geschadet und ab dann standen – zumindest die Weibchen – wirklich ständig unter Medikamenten, was ihnen nicht gut tat.
Solche seriöse Kritik findet in den großen Medien – und auch dem NDR, der in diesem Fall im Fokus steht – offenbar keinen Platz. Stattdessen inszeniert man einen Rachefeldzug als seriöse Kritik und nennt das auch noch Doku. Dass Menschen gezwungen sind, solch einen Irrtum zu finanzieren, ist bemerkenswert. Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der immer nach mehr Geld ruft, sollte vielleicht erstmal aufhören, Geld für solche fragwürdigen Machwerke rauszuwerfen. Eine kleine Recherche reicht schon, um die mangelnde Seriosität von „Unter Orcas“ zu erkennen. Das hätte nicht mehr Geld gekostet, aber einiges gespart.