Cem Özdemir beim "Wir haben es satt"-Protest in Berlin 2022 | Foto: Leonhard Lenz, Lizenz: CC0 1.0

Özdemir will EU-Vorstoß gegen Artenschützer unterstützen

Exklusiv für zoos.media – 25.05.2022. Autor: Philipp J. Kroiß

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grüne) kündigte an, einen EU-Vorstoß gegen die private Haltung von Wildtieren zu unterstützen.

Özdemir will EU-Vorstoß gegen Artenschützer unterstützen

Es hat nicht sehr lange gedauert, dass ein grüner Landwirtschaftsminister offen Politik gegen Tierhalter macht und im Koalitionsvertrag, der aus diesem Grund auch durchaus befremdlicher Weise von der FDP mitgetragen wird, war so etwas schon angekündigt worden. Nun arbeitet Özdemir auf EU-Ebene dafür das umzusetzen. Laut der Tagesschau, möchte der Grünen-Politiker einen Vorstoß aus vier anderen EU-Ländern (Zypern, Litauen, Luxemburg und Malta) unterstützen, der zum Ziel hat, eine Positivliste für Wildtiere zu installieren, die nur noch die Haltung bestimmter Arten erlaubt.

Positivliste ist nicht positiv für den Artenschutz

Feuersalamander | Foto: Ryzhkov Sergey, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Das würde bedeuten, dass Privathalter höhere Hürden zu bewältigen haben, wenn sie Wildtiere halten wollen. Das tun nicht wenige, um auch Artenschutz zu betreiben – das Projekt Citizen Conservation oder die Goodeid Working Group sind dafür gute Beispiele. Hier arbeiten Privathalter mit Zoologischen Institutionen aktiv zusammen, um Arten vor dem Aussterben zu bewahren. Der Trend in der Politik, private Tierhalter mit immer mehr Bürokratie zu belasten, steht diesem Vorhaben aber entgegen.

Eine Positivliste ist zudem nichts weiter als ein Haltungsverbot. Für welche Tiere das gelten soll, ist noch im Dunkeln, aber das hält Özdemir offenbar nicht davon ab, schon mal so etwas wie einen Blankoscheck zu geben. Das zeugt nicht von überlegtem politischen Handeln und seine Begründung sogar von einer besonderen Einfalt, denn er unterstütze das Vorhaben, weil es sei ja “offensichtlich, dass die Haltung von Wildtieren zu Hause ein Gesundheitsrisiko darstellt für die Tiere selber, aber auch für die Menschen”.

Das ist eine typisch populistische Äußerung: man behauptet etwas sei offensichtlich, was es gar nicht ist, und streut dann noch ein Buzzword rein – in diesem Fall “Gesundheit”. Das ist lächerlich, denn wo sind denn die ganzen großen Gesundheitsrisiken in Deutschland, die von seriösen Privathaltern ausgehen? Sie sind schlicht nicht existent. Das ist auch den vielen fähigen Heimtierärzten zu verdanken, die für die Gesundheit der Schützlinge sorgen. An dieser Stelle versagt auch einmal mehr die Tagesschau, die das schlicht reproduziert und nicht kritisch hinterfragt oder einordnet.

Einfluss der Tierrechtsindustrie

Es ist ein wesentliches Merkmal der Tierrechtsorganisationen sämtliche Tierhaltung zu verbieten. Dazu nutzt man die Salamitaktik und versucht einen Anschnitt zu finden, um dann scheibchenweisen immer mehr Haltungen verbieten zu können. Dazu ist eine Positivliste sehr geeignet, da man sie erweitern und ausdehnen kann, wenn sie denn erst einmal installiert ist. Dadurch bekommen die Tierhaltungsgegner einen Fuß in die Tür und deshalb betrifft dieser Vorstoß im Windschatten von Krisen, die viel eher die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit binden, letztendlich jeden Tierhalter – und somit natürlich auch Zoologische Gärten und Aquarien.

Lemur-Laubfrosch (Agalychnis lemur) in Costa Rica | Foto: Frogmana, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Es ist nicht gut, wenn man Politik so viel Kontrolle gibt. Etatismus, der aus dieser “Govern Me Harder”-Mentalität entspringt, bedeutet letztendlich ein Aufblähen des Staatsapparates zum Leidwesen der Bürger. Statt privaten Natur- und Artenschutz zu fördern, will man den Haltern immer nur mehr Bürden auferlegen. Am Ende hat dann irgendwann keiner mehr Lust dazu, was zwar menschlich nachvollziehbar sein mag, aber eben auch ein großer Verlust für den Natur- und Artenschutz.

Die Grünen haben im Landwirtschaftsministerium der Tierrechtsindustrie aber auch Tür und Tor geöffnet. Kritik der Koalitionspartner gibt es dazu nicht. So ist es befremdlich, wenn etwa Ophelia Nick zur parlamentarischen Staatssekretärin wird. Sie kennt man eher aus Sendungen von Stern TV, wenn Tierrechtler mal wieder etwas aufgedeckt haben wollten, wurde sie da hin und wieder als Tierärztin eingeladen und nicht immer fiel dann der Hinweis, dass sie auch in der Partei Bündnis 90/Die Grüne tätig war.

Wer sich schon vor der Berufung in politisch einflussreiche Ämtern so mit der Tierrechtsindustrie die Bälle zuspielt, den kann man eigentlich ganz gut verorten. Wie die inzwischen durch einige Landtagswahlen angezählte FDP, die sich im Wahlkampf als durchaus tierhalterfreundlich gezeigt hat und gegen den Einfluss der Tierrechtsindustrie vorgehen wollte, dies ohne Kritik hinnehmen kann, ist genauso fraglich wie die Durchsetzungskraft der schon im Koalitionsvertrag opportunistisch gewordenen Partei in dieser Koalition, die von Etatismus beherrscht wird.

Verbände in der Pflicht

Pátzcuaro-Querzahnmolch (Ambystoma dumerilii) im ZSL London Zoo | Foto: Pito22, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Nun wird sich einmal zeigen, wie viel die Worte der FDP vor der Wahl wert waren, aber auch wie gut die Vereine aus dem Kreis der Tierhalter im Bereich der politischen Kommunikation arbeiten können, denn sie hinken der Tierrechtindustrie dabei häufig hinterher. Auf der anderen Seite ist natürlich fraglich auch wie empfänglich ein Minister für Fakten und Wahrheit ist, der so populistisch weit jenseits des Kenntnisstandes von Experten argumentiert. Es zeigt sich aber an dieser Stelle auch, was schon vorher befürchtet wurde: die Legislaturperiode der Ampel wird keine einfache Zeit für Tierhalter.

Haltungsverbote sind der falsche Weg, aber es scheint wenig überraschend, dass das häufig als Verbotspartei bezeichnete Bündnis 90/Die Grünen in Regierungsverantwortung auch nicht viel mehr zu bieten haben wird. Daher wird wichtig sein, ob die Koalitionspartner die Grünen hier insofern einfangen können, das auf dem Altar einer wackeligen Koalition keine Arten geopfert werden. Dann gibt es nämlich am Ende nur Verlierer – allen voran aber Tiere beziehungsweise die Arten, zu denen sie gehören, und die Lebensräume, die sie bewohnen. Man kann mit Ökosystemen nicht ewig Jenga spielen und die Politik sollte vielmehr den Natur- und Artenschutz fördern als ihn sinnbefreit zu erschweren.

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