FridaysForFuture-Demonstratin in Berlin | Foto: Leonhard Lenz, Lizenz: CC0 1.0

ScientistsForFuture: Wirklich für die Zukunft?

Exklusiv für zoos.media – 15.03.2019. Autor: Philipp J. Kroiß

Den FridaysForFuture-Protesten, die heute ihren Höhepunkt erreichen sollen, eilte eine Zahl an Menschen an die Seite, die sich als ScientistsForFuture verstehen – was steckt dahinter?

ScientistsForFuture: Wirklich für die Zukunft?

Angeblich sollen sich 12.000 Wissenschaftler hinter die Schulschwänzerproteste gestellt haben, die sich angeblich für das Klima stark machen wollen. Eine komplette Liste wurde bisher nicht veröffentlicht. Nur eine Liste der Erstunterzeichner einer völlig unverbindlichen Vorform einer Erklärung. Erwartungsgemäß sind schon von diesen 700 Erstunterzeichner nicht nur kaum wissenschaftliche Fachleute auf diesem Gebiet vertreten, weil es ja schlicht nicht so viele Institute im Einzugsbereich gibt, dass diese Zahl aufzubringen wäre, sondern viele passen auch nicht in das Bild eines forschenden Wissenschaftlers wie man es vielleicht denken wird. In einer Stichprobe von 12 Unterzeichnern gab es mehr Journalisten als Klimaforscher.

Sieht man die Zahl 12.000 nun im Verhältnis, dann ist das eine sehr geringe Minderheit von über 200.000 Wissenschaftlern in Deutschland. Das sind also selbst davon nur weniger als sechs Prozent, aber es wurden ja auch noch Wissenschaftler in Österreich und der Schweiz angefragt, wodurch sich die Prozentzahl noch verkleinert. Medial wird es aber so verkauft, als stelle sich nun die versammelte Wissenschaft hinter die Gruppe aus Schülern, die sich auf Greta Thunberg beruft – ein Kind, dass aktuell massiv von Medien, Politik und anderen Gruppen missbraucht wird, um für oder gegen sie eine politische Agenda zu lancieren. Mit dem Kindesmissbrauch haben also auch manche Wissenschaftler kein Problem und die wollen dann die Zukunft vertreten?

Wissenschaftlerin wehrt sich

Nicht mit mir!“, wagt Anna Veronika Wendland zu schreiben. Die Osteuropa- und Technikhistorikerin, die zu Kernkraftwerken forscht, und sich als Ökomodernistin versteht wendet sich in einem Brief an ihre Kollegen, “dass Sie nicht eine Lösung für die Erderwärmung und die Reduzierung des CO2-Ausstoßes suchen, sondern Ihr tatsächliches Ziel eine gesellschaftliche Großtransformation ist, die mit Zwangsmaßnahmen gegen die individuelle Entfaltungsmöglichkeit und Freizügigkeit von Menschen verbunden sein wird”. Sie hält “die Verengung der Lösungswege auf Erneuerbaren-Wirtschaft, Lebensreform, Große Transformation daher für eine Sackgasse. Und ich prophezeie diesem Aufruf, dass er über die Grenzen unserer deutschsprachigen Diskurse hinaus aus genau diesem Grunde keinerlei Relevanz haben wird. In Osteuropa oder Asien, aber auch in anderen westeuropäischen Ländern werden sich viele WissenschaftlerInnen daher einem solchen  verengten Aufruf nicht anschließen. Dort setzt man auf Kernenergie im Verbund mit EE als komplementäre low-carbon-Strategie. Schweden und Frankreich haben gute CO2-Bilanzen aus einzig diesem Grunde.”

Jetzt mag man sich fragen, warum denn nicht mehr Wissenschaftlern so klare und fundierte Worte wagen und Stellung beziehen. Auf Twitter erwähnt der Mitbegründer und Herausgeber der Salonkolumnisten, wo ihr offener Brief erschient, “heftige Kritik”. Natürlich will sich nicht jeder Wissenschaftler so ins Kreuzfeuer einer mangelhaften Diskussionskultur in dieser Frage begeben. Heutzutage werden ja schon neutral berichtende Journalisten, die den Kliamwandel überhaupt nicht leugnen, als “Klimaleugner” beschimpft, nur weil sie mal nicht die paar Wissenschaftler fragen, die den Alarmismus der NGOs in dieser Frage füttern. Aber Anna Veronika Wendland macht gar keine Anstalten sich davon unterkriegen zu lassen. Sie setzt als Antwort ein starkes Zeichen gegen die “Angstpolitik”.

“Als Wissenschaftlerin jedoch kenne ich den Forschungsstand zur Klimaerwärmung so weit, um beobachten zu können, dass die Gruppe, die ein Katastrophen-Szenario für realistisch hält, unter den KlimaforscherInnen in der Minderheit ist. Als Technikhistorikerin kenne ich wenigstens die Kirchhoffschen Gesetze von Stromnetzen gut genug, um zu wissen, dass ein Kohleausstieg „heute noch“ allenfalls zum Zusammenbruch des deutschen Stromnetzes führen würde, aber nicht zu einer nennenswerten CO2-Ausstoßminderung. Als politisch progressiver Mensch lehne ich Angstpolitiken ab, egal ob sie gegen Migranten, Kernkraftwerke oder eine fossil befeuerte Industriegesellschaft gerichtet sind.” – Anna Veronika Wendland

Sie antwortet damit Lukas Flinzberger, ein Göttinger Agrar-Sozio-Ökologe, der auf ihren ersten offenen Brief ebenso offen geantwortet hatte. Sie freut sich über seine Antwort, “[d]enn sie bedeutet: Sie ärgern sich drüber. Und das bedeutet: hier kommt endlich eine Diskussion über die besten Instrumente im Kampf gegen den Klimawandel in Gang. Viel zu lange wurde darüber zu wenig und zu verengt diskutiert. Was wir aber brauchen, ist all hands on deck. Und ich sehe überhaupt nicht ein, warum ich – wie Sie es ja in Ihrem Schreiben von mir verlangen – mich demütig und leise hinten anstellen sollte mit einem Vorschlag, eine sehr starke Hand an Deck zu nutzen.”

Forschung muss die Antwort auf Angstpolitik sein

Die “Future” ist nicht, die Angstpolitik. Das ist nur ein Spendenmobilisierungsmodus von unseriösen NGOs, die hoffen, mit einer Weltuntergangsprophezeihung Spenden scheffeln zu können. Die Spende an die selbstproklamierten Weltretter wird zu einem billigen Ablasshandel durch den sich Menschen die Taschen vollmachen können, die letztendlich genau so skrupellos, populistisch und grundsätzlich falsch handeln wie die wahren Klimawandelleugner, die genau die gleichen desinformierenden Mittel gebrauchen, um wiederum ihre Agenda zu lancieren. Das sind letztendlich nur zwei Seiten der Medaille für den selben Irrtum.

Man wird die Energiefrage nur durch ideologiefreie und ergebnisoffene Forschung lösen können. Die Energieerzeugung der Zukunft ist minimal lebensrauminvasiv, maximal effizient und dabei noch so sicher wie möglich und auch noch bezahlbar. Das ist die Quadratur des Kreises? Nun, die Wissenschaft löst allerlei komplexe Probleme, wenn sie möglichst frei forschen kann. Wer hätte vor fünfzig gedacht, dass man sein Telefon mobil überall mit hinnehmen kann und sogar viele andere Aufgaben mit dem gleichen Gerät erfüllen könnte. Der so genannte Zukunftsforscher Matthias Horx war sich 2001 sicher, dass das Internet kein Massenmedium wie Radio oder Fernsehen werden würde. Früher hatte man nicht mal damit gerechnet, dass ein Personal Computer zu einem Massenprodukt würde, weil er zu teuer war. All das hat sich geändert, weil sich Dinge nun mal ändern und neue Innovationen neue Möglichkeiten eröffnen. Wer aber aufhört, frei zu forschen, wird das nie erleben.

In der öffentlichen Diskussion  agieren die lauten Meinungsführer der Extremisten aus Schützengräben und jeder, der sich in keinen Graben begeben will, wird in der Diskussion von beiden Seiten so zerschossen, dass er auf der Strecke bleibt. Interessanterweise passiert das mit den meisten Menschen, die ja verstehen, dass man etwas verändern muss, aber sich auch nicht mit Extremisten in einen Graben hocken wollen. Warum sind aber die Extremisten so laut? Das ist leider, und das muss man so kritisch anmerken, medial vermittelt. Die mediale Aufarbeitung ist davon geprägt, dass NGOs bestimmter politischer Ausrichtung alles geglaubt wird und jeder Andersdenkende diffamiert werden soll. Hier bestätigen lobenswerte Ausnahmen die Regeln, Journalisten wie Tilo Jung sind leider keine:


Michael Miersch, unser Beiratsmitglied, hat das selbst erlebt. Er selbst ist weit davon entfernt den Klimawandel zu leugnen, wagte es nun aber Wissenschaftler zu interviewen, die bestimmten Interessengruppen nicht gefielen, weil sie nicht auf Linie waren, wie die wenigen, zu denen Journalisten immer gelotst werden, und schwupps ist man Klimaleugner. Genau darin liegt der Fehler und genau das zeigt, was falsch läuft. An der Nadel der Angstpolitik hängen inzwischen zu viele, als das man die Droge aufgeben will, denn sie spült ja Geld in die Kassen. Dass die zukunftspessimistischen Schulschwänzer nicht am Weltuntergang sterben werden, ist allgemeiner (auch wissenschaftlicher) Konsens. Die ganze Misere bringt wiederum das hier ziemlich auf den Punkt:


In 20 Jahren wird es also noch immer jemanden geben, den Forschung zumindest in soweit interessiert, dass er sich bewusst ist, dass Eisbären keine “icebeers” sind und genau solche Leute einzuordnen weiß, die ernsthaft mit so einem Plakat etwas zu einer Diskussion beitragen wollen. Somit macht es Sinn, den Weg in die Schule auch freitags wieder zu finden, sich zu qualifizieren, in die Forschung zu gehen und dort durch seriöse Arbeit etwas zu bewirken, statt nur davon zu reden, dass andere ja etwas tun müssen, man selbst aber der Allwissende ist, der beurteilen kann, ob das, was die anderen tun, gut ist. Eingebildete Weisheit ohne Wissen ist nur eins: disqualifizierend.

Wenn nun Wissenschaftler wirklich etwas für die Zukunft machen wollen, forschen sie entweder weiter ergebnisoffen und ideologiebefreit in diesem Fachbereich oder, wenn sie das nicht tun, was auf die meisten Unterzeichner zutrifft, sorgen dafür, dass Studenten und Wissenschaftler besser gestellt, gut bezahlt und mit Mitteln versorgt werden, damit sie maximal effizient innovative Lösungen für die Probleme unserer Zeit finden. Dabei hilft keine Petition aus Plattitüden fragwürdiger Ideologie, dazu müsste man sich auf Ebene der Politik mal dafür einsetzen. Das wäre dann auch wirklich lohnenswert und mit zehntausenden Unterstützern könnte man da auch tatsächlich mal was machen. Das wäre dann eine echte Investition in die Zukunft, statt auf den Profilierungshype um ein junges Mädchen aufzuspringen.

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