Berberlöwe Basu im Erlebnis-Zoo Hannover | Foto: zoos.media

Sind Tiere im Zoo frei und wilde Tiere gefangen?

Exklusiv für zoos.media – 05.04.2019. Autor: Philipp J. Kroiß

Mit den Begriffen Freiheit und Gefangenschaft lässt sich schwer operieren – der Artikel erklärt, warum das so ist und was das für Tiere in Zoo und Natur bedeutet.

Sind nicht eigentlich Tiere im Zoo frei und wilde Tiere gefangen?

Zoogegner haben ein repetitiv aufgewärmtes Narrativ: Wilde Tiere sind frei und die Tiere im Zoo gefangen. In einem grundlegenden Artikel wurde auf zoos.media schon widerlegt, warum Zootiere keine Gefangenen sind. Stellt man sich nun aber mal wirklich die Frage, wer gefangen ist, kann man sehr schnell auf die Idee kommen, dass es eigentlich die wilden Tiere sind. Dafür ist zum Teil der Mensch verantwortlich, aber auch zum Teil die Natur.

Die Gefangenschaft der Wildtiere

Waldelefantenkuh mit Kalb im Mbeli River (Nouabalé-Ndoki National Park, Kongo) | Foto: Thomas Breuer, Lizenz: CC BY 2.5

Sich in einem ständigen Überlebenskampf zu befinden, der einem immer schwerer gemacht wird, ist keine Freiheit. Handele es sich um einen Menschen, kämen keiner auf die Idee, einen Menschen, der jeden Tag hart ums Überleben kämpfen muss, als frei zu bezeichnen. Bei Tieren ist das anders. Sicherlich, wenn man es sehr pointiert und negativ ausdrückt, kann man das als Folge einer gewissen Wohlstandverwahrlosung gesehen. Allerdings ist es auch ein Glück, dass die meisten Menschen in wohlhabenden Ländern noch nie die Erfahrung machen mussten, dass sie ums Überleben so kämpfen müssen, dass sie den Tod fürchten müssten, wenn sie schlecht nach Nahrung suchen würden. Egal, ob man das jetzt positiv oder negativ konnotiert: das Leben eines Wildtieres – besonders in der heutigen Zeit – hat mit Freiheit im Prinzip nichts zu tun.

Der Elefant in der Natur ist in einem ständigen Überlebenskampf gefangen – so wie jedes andere Tier auch. Dazu kommt, dass der Lebensraum begrenzt wird. Einmal spielt da natürlich der Mensch eine große Rolle, der Lebensräume fragmentiert, aber auch ohne den Menschen gibt es innerhalb der Arten Reviere, die bis auf den Tod verteidigt werden, wenn man etwa auf Schimpansen schaut, wo man in der Natur wahre Kriegszüge beobachten kann. Es gibt auch nicht nur Mensch-Tier-Konflikte, sondern auch Konflikte unter den Tieren, denn natürlich schränkt ein Löwe die Bewegungsfreiheit der Beute ein, weil die natürlich vermeiden will, gefressen zu werden. Es geht aber natürlich auch andersrum: Der Löwen kann auch ohne seine Beutetiere nicht überleben und so nicht einfach gehen, wohin er will, sondern muss auf die Nahrungsverfügbarkeit achten und da sind wir dann auch wieder beim täglichen Überlebenskampf, wodurch sich der Kreis schließt.

Wer als von “Gefangenschaft” und “Freiheit” sprechen will, muss anerkennen, dass die Tiere in der Natur auch gefangen sind und in vielen wichtigen Bereichen eben nicht frei.

Die Freiheit der Zootiere

Der Kölner Elefantenpark von oben (2004) | Foto: Flight over Cologne, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Zootiere sind frei – frei von eben diesem Überlebenskampf. Sie bekommen Futter unterhaltsam präsentiert – ähnlich wie in einem 5-Sterne-Hotel. Würden wir über einen Menschen reden, würde niemand auf die Idee kommen, ein Rundum-Sorglos-Paket als Gefangenschaft zu bezeichnen oder gar schlecht zu belegen. Auch das ist bei Tieren wieder anders: da wird der harte Überlebenskampf, der täglich viele Tierleben fordert und sogar ganze Arten in Gefahr bringt, als Luxus glorifiziert und eine Luxus-Unterkunft als Gefangenschaft verklärt. Warum werden die Zootiere, die ja die bekannten fünf Freiheiten, die von zahlreichen Tierschutzorganisationen als Wohlfühlindikatoren genutzt werden, im Zoo genießen, aber zu Gefangenen, obwohl sie es nicht sind, und die wilden Tiere als uneingeschränkt frei wahrgenommen, obgleich sie das auch nicht sind?

In der Natur sind die Begrenzungen häufig unsichtbar, im Zoo ist das anders. Das liegt daran, dass man von Besuchern nicht erwarten kann, so viel Tierkenntnis mitzubringen, dass sie die Grenzen der Tiere ohne sichtbare Barrieren erkennen und dann respektieren können. Wie fatal es für wilde Tiere ist, dass es keine sichtbaren Grenzen zwischen Mensch und Tier dort gibt, sieht man beim Whale Watching, wenn vergnügungssüchtige, rücksichtslose Touristen, Wildbestände aufmischen und für tüchtig Stress sorgen. Das muss man verhindern, aber der Zoo ist Lernort und hier lernen die Leute ja erst den Umgang mit Tieren – deshalb muss man zur Sicherheit entsprechend sichtbare und unüberwindbare Grenzen schaffen, weil man das Wissen nicht voraussetzen. Man wird das auch nie ohne solche betreiben können.

Der Trugschluss in der Frage ist also, diese Begrenzungen negativ zu kontieren, was auch daran liegt, das man Gitter mit etwas Negativen assoziiert. Das muss es aber nicht sein. Papageien zum Beispiel mögen Gitter als Gehegebegrenzung sehr, denn aus ihrem Blickwinkel ist es eine Kletteroption – und somit viel besser als eine Scheibe. Dass ihr Lebensraum begrenzt ist, kennen sie entweder von Geburt an oder auch aus der Natur. Hier stoßen wir nun auch auf ein weiteres Problem: Naturentfremdung. Viele Leute kennen die Natur nicht genug, um zu verstehen, dass das Leben von wilden Tieren auch massiv eingeschränkt ist – teils sogar noch mehr als im Zoo.

Wer als von “Gefangenschaft” und “Freiheit” sprechen will, muss auch anerkennen, dass die Tiere in zoologischen Einrichtungen in vielen wichtigen Bereichen frei sind.

Gefangenschaft und Freiheit sind keine guten Begriffe

Kuhnasen-Rochen (Rhinoptera bonasus) im Houston Aquarium | Foto: Ed Schipul, Lizenz: CC BY 2.0

Wenn wir es also differenziert betrachten, erkennen wir super schnell, dass das Narrativ, das hauptsächlich von Zoogegnern verwendet wird, falsch ist. Es hält einem Abgleich mit der Lebenswirklichkeit der Tiere letztendlich nicht stand. Zootiere genießen in wichtigen Aspekten Freiheit und wilde Tiere auch eine Form der Gefangenschaft. Das Polarisieren funktioniert also nicht in der Realität. Deshalb muss man sich von diesen Begriffen und den dazugehörigen Kategorien frei machen. Ein weiteres Problem der Begrifflichkeiten ist auch deren ideologische Aufladung. Dieser Prozess der veränderten Wortwahl hat in der Fachwelt längst eingesetzt, auch wenn es im alltäglichen Sprachgebrauch noch Rückfälle gibt.

Es ist aber nicht nur wichtig, dass die Fachwelt den Sprachgebrauch verändert, sondern auch, dass dieser Irrtum der Öffentlichkeit gegenüber kommuniziert wird. Man muss das richtig stellen, weil die Natur als Freiheit zu verstehen, ist toxisch – ganz besonders für den Schutz von Tieren, ihren Arten und den Lebensräumen, die sie bewohnen. Der Begriff suggeriert ja eine heile Welt, die es bereit seit etlichen Jahrzehnten in der Natur nicht mehr gibt. Genau deshalb braucht es ja auch erst den Schutz, denn die zusätzliche Einschränkung der ohnehin nicht wirklich gegebenen Freiheit der wilden Tiere, führt ja zu den massiven Problemen, die zu einer wahren Ausrottungswelle führt. Man muss sich also davor hüten, die Wildbahn so zu glorifizieren, denn man verklärt dadurch zu viel.

Hier muss der Zoo seine Stärke als Ort der Edukation sicher ausspielen und noch viel stärker verständlich machen, dass die Natur bzw. die Wildbahn nicht wirklich etwas mit der Freiheit zu tun hat, die viele in sie hineininterpretieren, sondern das Bild viel differenzierter sein muss, denn sowohl Tiere in Menschenobhut, als auch in der Natur, haben ihre Freiheiten. Richtig frei aber wird nie ein Tier sein, so lange es mit endogenen und exogenen Faktoren konfrontiert ist, die es einschränken – dass dies nicht mehr der Fall wäre, wird aber, ob mit oder ohne dem Menschen, nie geschehen. Mit der Natur zu leben, bedeutet auch maßvoll von ihr zu leben – das ist bei jedem Tier und natürlich auch dem Menschen so. Was sie Öffentlichkeit nur verstehen muss, ist wie dieses maßvolle aussieht und da sind Zoos und Aquarien natürlich eine der ersten Adressen, die genau das vermitteln können.

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