Großer Tümmler im Sea World an der Gold Coast von Australien | Foto: shebalso, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Wie stark steigt der Meeresspiegel?

Exklusiv für zoos.media – 07.06.2019. Autor: Philipp J. Kroiß

Wenn der Meeresspiegel steigt, verändert das Lebensräume. Ein Grund, sich die historische Entwicklung des Meeresspiegels anzuschauen auf auf Fakten zu blicken.

Wie stark steigt der Meeresspiegel?

Im März war es wieder soweit: der Meeresspiegel, so wurde berichtet, ist mal wieder gestiegen – um ganze 3,7 Millimeter. Das sind 0,0037 Meter. Zum Vergleich: bei einem Erwachsenen ist die Nagelplatte bis zu einem Millimeter dick. Im Durchschnitt geht man von 0,3-0,75 Millimetern aus. Der Meeresspiegel stiegt also um ein paar Nageldicken. Das klingt für den einen nach viel, für den anderen nach wenig. Wichtig, um das einordnen zu können, ist sich mal zu fragen wie sich der Meeresspiegel historisch entwickelt hat.

Urheber: Robert A. Rohde (Global Warming Art), Lizenz: CC BY-SA 3.0

Erklärung

Die schwarze Kurve zeigt wie der Meeresspiegel in den letzten 24.000 Jahren anstieg. Dabei ist gleich 0 der aktuelle Meeresspiegel am 18. März 2019. Diese Kurve basiert auf drei Studien:

  • Fleming, Kevin, Paul Johnston, Dan Zwartz, Yusuke Yokoyama, Kurt Lambeck, and John Chappell (1998). “Refining the eustatic sea-level curve since the Last Glacial Maximum using far- and intermediate-field sites”. Earth and Planetary Science Letters 163 (1-4): 327-342. doi:10.1016/S0012-821X(98)00198-8
  • Fleming, Kevin Michael (2000). “Glacial Rebound and Sea-level Change Constraints on the Greenland Ice Sheet”, Australian National University PhD Thesis.
  • Milne, Glenn A., Antony J. Long and Sophie E. Bassett (2005). “Modelling Holocene relative sea-level observations from the Caribbean and South America”. Quaternary Science Reviews 24 (10-11): 1183-1202. doi:10.1016/j.quascirev.2004.10.005

Besonders vermerkt ist der so genannte Schmelzwasserpuls 1A (Meltwater Pulse 1A). Damit ist eine wenige hundert Jahre andauernde Übergangsphase zur heutigen Warmzeit gemeint, in welcher der Meeresspiegel alle 20 bis 25 Jahre um einen Meter anstieg.

Einordnung

Grüne Meeresschildkröte (Chelonia mydas) am Great Barrier Reef | Foto: Perri Moustoukis, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Den ersten modernen Menschen (Homo sapiens sapiens) gab es vor rund 40.000 Jahren. Somit gab es “uns” im Laufe der gesamten Zeit, die wir auf dieser Grafik sehen. Die Neolithische Revolution, als die Sesshaftwerdung des Menschen, ereignete sich etwa vor 11.000-7.500 Jahren.  Vor rund 5.000 Jahren blühten die ersten Hochkulturen richtig auf. Die industrielle Revolution begann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts – also vor fast 270 Jahren.

Was wir auf dem Graf sehen ist quasi der Übergang von dem Höhepunkt der Kaltzeit auf die heutige Warmzeit, dem Holozän. Zuvor war die Erde vor etwa 35 Millionen Jahren in einer Warmzeit – damals war der Meeresspiegel rund 70 Meter über dem von heute. Danach wurde es kälter und die Polkappen vergletscherten. Bis vor rund 3 Millionen Jahren, im Pliozän, war die Arktis eisfrei. Zu diesem Zeitpunkt war es rund 2-3°C wärmer und der Meeresspiegel lag 25 bis 35 Meter höher als heute. Es gibt also aktuell keine absoluten Rekorde bezüglich des Meeresspiegels, denn die liegen Millionen Jahre zurück. Was es gibt, sind relative Rekorde. Das ist kein Wunder, denn seit mindestens 20.000 Jahren steigt der Meeresspiegel – unterbrochen von einigen Regressionen – ständig.

Der Meeresspiegel an sich ist keine reale Größe. Was wir auf der Grafik sehen ist eine Art Trendlinie der jeweils verfügbaren Messpunkte. Wie man sieht, kamen über die Zeit auch Messpunkte hinzu, die man früher gar nicht hatte. Diese Messpunkte werden dann gewichtet und daraus wird dann ein globaler Meeresspiegel konstruiert. Dazu kommen mögliche Messungenauigkeiten, unterschiedliche Messverfahren und ähnliche Dinge. Man kann also allerlei Zahlenspiele mit solchen Meeresspiegeln anstellen, indem man sich gewisse Zeiten rauspickt oder auch nur gewisse Messpunkte, um das eine oder andere zu belegen. Manche nennen die Messpunkte sogar gar nicht auf die sie sich beziehen, sondern sprechen von “dem Meeresspiegel” ohne eine Datenquelle zu nennen.

In der aktuellen Diskussion geht es um Millimeter in vergleichsweise sehr wenigen Jahren. Wie unterschiedlich dann solche Ergebnisse sein können, zeigt etwa eine Studie von Simon Holgate aus dem Jahre 2007. Er sah sich auf neun verschiedene, repräsentative Messpunkte im Zeitraum von 1904-2003 konzentriert und fand, dass der Meeresspiegel in der ersten Hälfte des Zeitraums stärker anstieg als in der zweiten, was für eine Verlangsamung des Anstiegs spräche. Einen Monat später haben sich Stefan Rahmstorf und Kollegen einen anderen Zeitraum (1990-2006) angeschaut und geschlussfolgert, dass der Meeresspiegel schneller steigt wie erwartet. Damit beschäftigt sich dieser Artikel in Journal “nature”. Daran sieht man sehr schön wie zwei Studien zu völlig gegenläufigen Ergebnissen kommen können. Sicherlich wäre gesondert zu diskutieren, welche Ergebnisse aussagekräftiger sind, was im Artikel ja auch getan wird. Für Australien zum Beispiel wies die Studie von Lewis et al. (2013) nach, dass dort der Meeresspiegel seit 7.000 Jahren um rund 2 Meter gesunken ist, was nun wieder völlig widersprüchlich ist zu den Ergebnissen der anderen Wissenschaftler und auch dem globalen Trend.

Der Meeresspiegel steigt, aber …

Lighthouse, Ribbon Reefs, Great Barrier Reef: Ein blauer Seestern (Linckia laevigata) ruht auf harten Acropora- und Porites-Korallen. | Foto: Copyright (c) 2004 Richard Ling, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Man muss in der Diskussion um den Meeresspiegel mal aus der Panikmache aussteigen. Dass der Meeresspiegel insgesamt steigt ist seit 20.000 Jahren nichts besonderes. Je kleinere Zeitabschnitte wir aber betrachten und je nach dem welche Messpunkte wir auswählen, werden Ergebnisse eventuell ungenau, nicht repräsentativ oder auch unter Umständen ganz falsch. Es macht also Sinn, das große Ganze zu betrachten. Wenn man die Abbildung oben betrachtet, sieht man, dass der Meeresspiegel enorme Veränderungen erlebt hat, auch stärkere Veränderungen als aktuell oder in den letzten hundert, tausend oder fünftausend Jahre.

Deshalb sollte man bei der nächsten “Rekord”-Meldung nicht in Panik verfallen, sondern nüchtern nach der Datenbasis fragen und auf das Betrachten langer Zeiträume pochen, denn man beurteilt die Entwicklung des Klimas in den nächsten hundert Jahren nicht auf einer Datenbasis von nicht mal zwei Jahrzehnten oder sogar noch weniger. Es müssen langfristige Trends in Augenschein genommen und in sinnvollen Vergleichen evaluiert werden. Es hilft letztendlich niemandem, in Panik zu verfallen. Wir müssen die Entwicklungen also sehr genau beobachten. Aktuell zeigt sich noch kein wirklich einheitliches Bild, was die Auswirkungen des Menschen auf den Meeresspiegel direkt angeht.

Was sich aber sehr wohl zeigt, ist, dass manche Menschen die Entwicklung der Natur maligne beeinflussen. Das ist ein sehr konkretes Problem, dass wir an anderen Zahlen sehr gut festmachen können: Bestandszahlen von Tierbeständen. Man kann jetzt noch trefflich einige Jahre damit verbringen über Meeresspiegel zu diskutieren, aber dann ist es für manche Arten schon zu spät – ein viertel der bekannten und evaluierten Arten ist bedroht. Diese Daten sind sehr konkret.

Deshalb muss man sich vor allem darauf konzentrieren, Arten zu retten. Wer Arten retten will, muss Lebensräume schützen und wer Lebensräume schützt, tut auch dem Klima etwas Gutes. Jeder Schutz basiert auf Zahlen und Daten. Man braucht also nicht stundenlang über eine Datenbasis beim Klima zu diskutieren, es gibt bereits hinreichende Daten, die uns zeigen, dass wir unsere Natur schützen müssen. Moderne Zoos und Aquarien tun das seit Jahrzehnten sehr erfolgreich.

Diesen Beitrag teilen