Exklusiv für zoos.media – 08.07.2020. Autor: Philipp J. Kroiß
Im Interview mit zoos.media nannte Dr. Kai Perret weitere Details zum Umzug der Elefanten im Zoo Magdeburg und dem Video, das deutschlandweit für Schlagzeilen gesorgt hat.
Zoo Magdeburg: Dr. Kai Perret nennt weitere Details zum Elefanten-Umzug und Video
Das Video, das Schläge eines Pflegers gegen eine Elefantendame im Zoo Magdeburg zeigt, wurde inzwischen in seiner Echtheit bestätigt. Nach dem Erscheinen des Videomaterials hatte der ehemalige Zoodirektor Dr. Kai Perret deutliche Worte für das Verhalten des Pflegers gefunden, woraufhin der örtliche Oberbürgermeister im Rahmen einer Pressekonferenz sehr harte Worte gegen den ehemaligen Direktor des Zoo Magdeburgs richtete.
Im Wesentlichen warf Bürgermeister Lutz Trümper (SPD) ihm vor, die Videoaufnahmen ja bereits länger gekannt zu haben und rechtfertigte darüberhinaus das Handeln des Pflegers unter anderem mit der Aussage “man muss dem Tier zeigen, wer Chef im Ring ist”. Gegenüber zoos.media erklärt Dr. Kai Perret nun seine Sicht der Umstände und nannte Fakten rund um die Geschehnisse.
Neues Haus & neue Haltungsform
Das Video entstand im Rahmen des Umzugs in das damals neu gebaute Elefantenhaus. Dazu wurde die Haltung von Freikontakt auf den geschützten Kontakt umgestellt. Dr. Perret erklärt: “Damit stehen alle Möglichkeiten offen, Tiere aus den unterschiedlichsten Haltungssystemen aufnehmen zu können.” Die Umstellung sei “obligatorisch” und zudem sei für die EAZA-Mitglieder-Zoos durch die Elefanten TAG eine verbandsweite Umstellung des Kontaktes bis 2030 beschlossen worden. “Die Umstellung auf “protected contact” ist eine Herausforderung und unsere Pfleger hatten ausreichend Zeit, sich einzuarbeiten. Mit dem Einzug der Jungbullen blieben die Kollegen aus Wuppertal und Berlin immer noch eine Zeit lang bei uns und konnten uns so wertvolle Tipps weitergeben. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal herzlich bedanken!”
“Obwohl das alte Elefantenhaus vom neuen Haus Luftlinie nur 200 Meter entfernt ist, musste das Komplettprogramm eines Elefantentransports durchgeführt werden”, erläuterte Dr. Perret. “Für die beiden älteren Kühe war es verständlicherweise “Stress”, sodass sie im Vorfeld medikamentös beruhigt worden sind. In Summe dauerte die Umsetzung vier Stunden. Selbstverständlich war ich am Tag des Umzugs vor Ort, was ich zu keiner Zeit in Abrede gestellt habe. Jedoch konnte ich aus meiner Position heraus – ich stand hinter den Kulissen im Pflegergang – die im Video zu sehende Szene nicht sehen, auch, weil der Elefant rücklings zu mir stand.“
Der geschützte Kontakt kam aber nicht aus heiterem Himmel auf die beiden Kühe zu, sondern sei intensiv im Vorfeld vorbereitet worden: “Mit dem Umzug 2017 in das neue Elefantenhaus war konsequent “protected contact” vorgegeben. Um unsere beiden Elefantenkühe auf das Haltungssystem vorzubereiten, wurde ein entsprechender Trainingsplan gemeinschaftlich entwickelt und bereits Ende 2011 eine Trainingswand eigens in das alte Elefantenhaus dafür eingebaut.”
Verhalten der Elefantendame änderte sich
Dr. Perret erklärte, dass durch die Umstellung der Haltung der besagte Pfleger, der das Tier seit 30 Jahren kenne, mit ihr nicht mehr so umgehen konnte wie früher und sich nach dem Umzug (und den Geschehnissen aus dem Video) anders ihm gegenüber verhielt: “Sie reagiert bei seiner Anwesenheit zunehmend aggressiv, sodass der Pfleger selbst für Routinearbeiten (Medical Training, Fußpflege, Körperkontrolle, Rüssel-Spülung etc.) mit der Kuh aus Sicherheitsgründen nicht mehr arbeitet.”
Die Komplikationen, die das Video zeigt, wurden Dr. Kai Perret nicht berichtet. “Von besagter Szene habe ich erst Anfang 2020 Kenntnis erhalten, auch wenn die Aufnahmen schon älter sind. Mir wurden sowohl am Umzugstag als auch im Nachgang keine besonderen Vorkommnisse berichtet, sodass ich von einem reibungslosen Umzug ausgehen konnte. Deshalb gab es für mich auch später keinen Grund, sich das Filmmaterial in Gänze anzusehen. Das zuständige Veterinäramt und die Staatsanwaltschaft sind seit Anfang des Jahres damit betraut, die Szene juristisch zu prüfen.”
“Die Verhaltensänderung der Kuh gegenüber dem Pfleger war nicht sofort offensichtlich, da der Revierleiter den Pfleger anders einsetzte”, erklärte Dr. Perret: “Der verstärkte Einsatz in anderen Teilen des Reviers war sogar plausibel, da sich neue Kollegen verstärkt einarbeiten sollten und die “alten Hasen” somit einen Schritt zurück taten.” Auf Dauer war dies so nicht umsetzbar. Dazu Dr. Perret: “Für diese Verhaltensänderung wurde mir kein Grund genannt, jedoch die Tatsache berichtet, dass seit dem Umzug der Pfleger mit der Kuh nicht mehr im vollen Umfang arbeiten kann. Da die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu diesem Vorgang noch laufen, kann ich keine weiteren Details nennen, da ich bisher noch nicht befragt worden bin.”
Video nur Teil einer großen Sache
So wird klar, dass das Video, das die Bild-Zeitung veröffentlicht hat, vielmehr nur Teil eines Puzzles ist, das nun von der Justiz rechtstaatlich aufgearbeitet werden muss. Inwiefern es vom Oberbürgermeister Lutz Trümper nun ein sinnvoller Winkelzug war, widerlegbare Vorwürfe gegen den ehemaligen Zoodirektor in einer Pressekonferenz auszubreiten, das Schlagen des Pflegers zu relativieren und in den Kontext “das war üblich in den Zoos” zu stellen, mag jeder unterschiedlich bewerten, aber zuträglich war es der Sache sicher nicht.
In der Sache war Dr. Perrets Einschätzung gegenüber der Bild-Zeitung und anderen Medien ja zutreffend, wie man inzwischen weiß: das Video zeigt “tierschutzwidriges Verhalten”. Es stellte auch einen Verstoß gegen Anweisungen dar und auch gegen Richtlinien der zuständigen Zooverbände: der Einsatz eines Hakens im geschützten Kontakt in einer solchen Form ist sehr klar ein deutlicher Verstoß.
Wie das nun ein Gericht bewertet, steht auf einem anderen Blatt, denn das Tierschutzgesetz selbst ist lange nicht so detailliert wie die Vorschriften, die sich moderne und akkreditierte Zoologische Gärten selbst auferlegen. Somit wird man sehen, wie so ein Verhalten strafrechtlich bewertet wird und auch arbeitsrechtlich zu ahnden ist. Das werden Richter zu klären haben.