Schimpansin Lady: Schimpansenweibchen Lady im Zoo Osnabrück lebt derzeit gemeinsam mit ihrer Tochter Tisa getrennt von ihren Artgenossen. | Foto: Zoo Osnabrück

Zoo Osnabrück: Schimpansen verhandeln Rangordnung

Exklusiv für zoos.media – 16.02.2018. Autor: Philipp J. Kroiß

Im Zoo Osnabrück wurde die Rangordnung zuletzt ziemlich nachdrücklich – der Zoo reagierte, um den Konflikt abzukühlen und die Harmonie wieder herzustellen.

Zoo Osnabrück: Schimpansen verhandeln Rangordnung

Sie heißen Tatu (29), Lady (48), Vanessa (35), Vakanga (23), Tisa (15), Helmut (4) und Tamika (3) und leben auf einer 500 Quadratmeter großen und begrünten Innenanlage sowie einer 2.400 Quadratmeter großen Außenanlage, die zu den größten in Europa zählt – aber in der sonst recht harmonischen Schimpansengruppe im Zoo Osnabrück geht es zurzeit manchmal ruppiger zu, denn die Weibchen verhandeln aktuell die Rangordnung innerhalb der Familiengruppe.

Schimpansin Vakanga: In der sonst recht harmonischen Schimpansengruppe im Zoo Osnabrück geht es zurzeit recht ruppig zu zwischen Schimpansenweibchen Vakanga und ihrer Artgenossin Lady | Foto: Zoo Osnabrück

„Schimpansen können schon sehr grob und bis hin zu aggressiv miteinander umgehen. Aktuell haben wir bei unseren Schimpansen eine besondere Situation: Die jüngere Vakanga verhält sich ausgesprochen dominant gegenüber der ältesten Schimpansin Lady und will sich so in der Gruppe besser stellen.“ – Prof. Michael Böer, Direktor des Zoo Osnabrück

Auch das gehört zur Natur der Schimpansen, die alles andere als ständig friedliche Zeitgenossen sind – gerade, wenn es um die Rangordnung geht, können die Tiere sehr rabiat werden. Das nachdrückliche Verhandeln der Rangordnung gehört zum natürlichen Verhaltensspektrum der Tiere. Im Zoo aber muss man darauf achten, dass es im vertretbaren Rahmen bleibt und die Tiere nicht bis zum Äußersten gehen.

“Da Schimpansen ein raubtierähnliches Gebiss haben, können dabei auch schon mal Verletzungen entstehen, die behandelt werden müssen. So hatte Lady neulich eine Wunde am Kopf, nachdem Männchen Tatu, anscheinend aufgestachelt von Vakanga, sie angriff. Wir mussten Lady deswegen narkotisieren und die Wunde versorgen.” – Prof. Michael Böer, Direktor des Zoo Osnabrück

Lady und Tisa nun getrennt von Gruppe

Schimpansin Lady: Schimpansenweibchen Lady im Zoo Osnabrück lebt derzeit gemeinsam mit ihrer Tochter Tisa getrennt von ihren Artgenossen. | Foto: Zoo Osnabrück

Um Lady nun vor ernsthaften Verletzungen zu bewahren, hat man sie von der Gruppe getrennt und damit sie nicht allein ist, wird sie von Tisa begleitet. Beide Tiere aber halten über ein Gitter Kontakt zu den anderen. So reißt man die Gruppenstruktur nicht auseinander, gibt aber der Seniorin Lady einen Schutzbereich und verhindert, dass sich der Konflikt weiter verfestigt. Allerdings ist dieser Kontaktbereich für die Zuschauer nicht einsehbar, weshalb die Besucher ab und zu mal keine Tiere in der Halle sehen. Durch diese Maßnahme hat man gute Chancen, den Konflikt abzukühlen, denn ansonsten ist die Gruppe sehr harmonisch.

“Dass es diese Rangkämpfe bei Schimpansen gibt, ist normal. Das passiert auch in der Wildbahn und dort sind diese Menschenaffen ebenfalls nicht zimperlich bei Streitigkeiten untereinander – das kann in besonderen Situationen, wie wenn mehrere fremde Männchen benachbarter Reviere ein oder mehrere Weibchen übernehmen wollen, auch zu tödlichen Kämpfen führen. Selbst Kannibalismus ist beobachtet worden.” – Prof. Michael Böer, Direktor des Zoo Osnabrück

Schimpansen-Verhalten wird wissenschaftlich erfasst

Wann es eine Zusammenführung geben wird, werden die Experten im Zoo auf Basis ihrer Erfahrung entscheiden. Sie hoffen, dass es bald dazu kommen wird. Außerdem tauschen sie sich mit anderen Zoos aus, die auch schon Erfahrung mit Schimpansen gesammelt haben. Zusätzlich lässt der Zoo Osnabrück die Interaktionen in der Gruppe aktuell detailliert von einer Biologiestudentin auf wissenschaftlicher Basis beobachten, was sie dann für ihre Bachelorarbeit nutzen wird. Dabei protokolliert sie das Sozialverhalten der Tiere etwa drei bis fünf Stunden am Tag und notiert auch, was genau vor dem dominanten Verhalten in der Gruppe passiert. Diese Ergebnisse werden ebenso zuträglich sein, um den perfekten Zeitpunkt für die Zusammenführung auszumachen, sodass alles wieder so harmonisch wird wie vorher.

Schimpansen-Haltung in modernen Zoos sehr wichtig

Schimpansenfamilie klettert gemeinsam im Pongoland im Zoo von Leipzig | Foto: Frank Vincentz, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Bei den Schimpansen im Osnabrücker Zoo handelt es sich um Westafrikanische Schimpansen (Pan troglodytes verus), wie man sie auch zum Beispiel in Krefeld, Leipzig und Gelsenkirchen findet. Diese Unterart ist, laut IUCN, vom Aussterben bedroht. Deswegen sei die artgemäße Haltung und wissenschaftlich geführte Nachzucht in Zoos auch sehr wichtig, betont Prof. Böer. Das Männchen Tatu, Vater von zehn Jungtieren, ein sehr ruhiges Familienoberhaupt und in Osnabrück konnte er bereits einen großen Beitrag zur Erhaltung der Art leisten.

Eine weitere Unterart, die auch gehalten wird, ist der Ostafrikanische Schimpanse (Pan troglodytes schweinfurthii), den man in Deutschland allerdings nur in Hannover sehen kann. Er ist etwas weniger bedroht – genauso wie der der Gemeine Schimpanse, den man deutlich häufiger in Zoos sehen kann. Haltungen finden sich zum Beispiel in Karlsruhe, Wuppertal und München. Eine “Schwesternart” des Gemeinen Schimpansen ist der Bonobo, der auch Zwergschimpanse genannt wird. Ihn kann man in Köln, Frankfurt und Stuttgart sehen.

Aber auch über die Grenzen von Deutschland hinaus, kann man viele Schimpansen in modernen Zoos sehen. Wir sprachen mit dem damaligen Zoologischen Direktor, Wolfgang Rades, über die Haltung und Zucht von Schimpansen im Loro Parque im Speziellen, aber auch in modernen Zoos generell.

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