Westlicher Flachlandgorilla im London Zoo (2011) | Foto: William Warby, Lizenz: CC BY 2.0 DEED

Führt Banksy gerade die Tierrechtsindustrie vor?

Exklusiv für zoos.media – 14.08.2024. Autor: Philipp J. Kroiß

Ganz eilig versucht die Tierrechtsindustrie aktuell das letzte Werk von Banksys “animal art trail” für ihre Zwecke zu vereinnahmen. So richtig kann das allerdings nicht funktionieren.

 

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Führt Banksy gerade die Tierrechtsindustrie vor?

Der Londoner Zoo freut sich sehr, dass das Finale vom “animal art trail” des Streetart-Künstlers Banksy auf eine ihrer Rolltore gesprüht wurde. Passanten seien “erfreut” über diese besondere “Überraschung” gewesen. Man will das Kunstwerk so lange wie möglich zeigen und plant es langfristig zu bewahren. Der Zoo erklärte: “Bei uns geht es darum, sich um Tiere zu kümmern, daher sind diese lebensgroßen 2D-Kreationen in den besten Händen!” Man zeigt sich froh darüber, dass das Kunstwerk von Banksy hilft, auf die Artenschutz-Botschaft des Londoner Zoos aufmerksam zu machen.

Tierrechtsindustrie bemüht sich um andere Lesart

Ziemlich schnell nach der Enthüllung des Kunstwerks, lief schon die Propaganda-Maschinerie der Tierrechtsindustrie an. Man wollte unbedingt dafür sorgen, dass dieses Kunstwerk in das eigene, wirklichkeitsentrückte Weltbild passt. Daher konstruierte man eine “Free the animals”-Botschaft daraus. Das war absehbar und, bei einer oberflächlichen Betrachtung, vielleicht sogar auch eine mögliche Interpretation. Gerade die Zielgruppe der Tierrechtsindustrie, uninformierte Tierfreunde, war damit wohl erstmal leicht zu überzeugen.

So platt ist Banksy allerdings nicht. Die Werke sind oft genau deshalb faszinierend, weil sie einen doppelten Boden haben. Die Tierrechtsindustrie scheint genau auf die eingebaute Falltür getreten zu sein. Warum? Diese plumpe “Free the animals”-Lesart zeugt von einer großen Ignoranz. Dadurch führt sich die Tierrechtsindustrie selbst vor. Wenn man sich nämlich die Arten wirklich anschaut, merkt man das schnell.

Um welche Arten geht es ?

Alpensteinbock im Tierpark Bern | Foto: Kambui, Lizenz: CC BY 2.0

Das Finalbild zeigt einen Gorilla, einen Kolibri, einen Ara, so etwas wie Fledermäuse, einen Seelöwen und wohl Katzenaugen im Dunkeln. Wer das Artenschutz-Engagement vom Londoner Zoo kennt, sieht hier offensichtliche Gemeinsamkeiten. So war der Londoner Zoo der erste Zoologische Garten, der Kolibris 1905 ausstellte. Die aktuelle Haltung der Rostbauchamazilie gilt als Modell-Beispiel, um seltene Kolibris zu (er)halten und zu züchten.

Der London Zoo hält zudem Rodrigues-Flughunde, die neben Gorillas, Aras und verschiedenen Großkatzen dank der Arbeit von Zoos und Aquarien weltweit gerettet werden konnten oder gerettet werden. Seelöwen haben den für ihre Art überlebenswichtigen Image-Wechsel von der Plage, die man vernichten wollte, zum geschützten Tier, dank der Präsentation in Zoologischen Gärten vollzogen.

Wir haben in der Serie zuvor auch schon andere Arten gesehen, die dank Zoologischer Gärten, wie dem London Zoo, gerettet werden konnten. So findet sich zum Beispiel einen Steinbock in der Serie. Alpensteinböcke, die der Silhouette klar ähnlich sehen, gehören zu den Arten, die dank Zoos vor dem Aussterben gerettet wurden. Immer noch gibt es Auswilderungen. Ein anderes Werk zeigt Klammeraffen. Im London Zoo kann man die bedrohten Rotgesichtklammeraffen sehen, um deren Schutz sich bemüht wird. Soll das ein Zufall sein? Man hätte mit populäreren Tieren das gleiche Bild erzeugen können, aber sich für diese besonderen Primaten entschieden.

Thema Artenschutz

 

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Dass es hier nicht um vor allem für die Tiere gefährliche Befreiungsinitiativen der Tierrechtsindustrie geht, sondern vielmehr um Artenschutz von Zoos, zeigt besonders ein Werk der Serie, indem es um ein Panzernashorn geht, das einem Auto aufs Dach steigt. Viel prägnanter kann man wohl den Mensch-Tier-Konflikt, den diese Art bedroht, nicht in einem einfachen Bild verdeutlichen. Jetzt kann man dreimal raten, wer sich genau um diese Problematik kümmert: Der London Zoo. Er engagiert sich intensiv für diese Art, wie auch andere Zoos auf der ganzen Welt.

Das könnte man jetzt länger weiterführen, aber das Bild ist sehr deutlich: Hier geht es um Artenschutz mit dem London Zoo als Ursprung, weil er so ein prominentes Geschenk vom Künstler zum Finale bekommen hat. Das Rolltor, auch, wenn es der Zoo vielleicht nie verkaufen wird, ist nun von großem Wert und dessen wird sich auch Banksy bewusst gewesen sein. Ein Künstler, der hier eine Anti-Zoo-Botschaft hätte verkaufen wollen, hätte wohl nicht nur andere Arten gewählt, sondern vor allem nicht den Zoo dann noch so reich beschenkt.

Ein Gag seiner Werksserie ist, dass sich die Tierrechtsindustrie – somit die Gegner von umfassendem Natur- und Artgenschutz gemäß den Konzepten der Weltnaturschutzunion – und ihre Kollaborateure sich selbst entlarven. Sie machen sich vor den Augen der Welt lächerlich mit einer plumpen und ignoranten Interpretation, die so viele Details der Serie schlicht ignoriert. Da Banksy seine Werke wohl nie erklären wird, wird man es nie genau wissen können, aber, wenn es so intendiert war, ist es sehr gelungen.

 

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Fehlinterpretation ist typisch für Tierrechtsindustrie

Schwarzer Panther im Rhino and Lion Park, Südafrika | Foto: Rute Martins of Leoa’s Photography (www.leoa.co.za), Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Dass die Tierrechtsindustrie immer mal wieder versucht, Werke von Künstlern für die eigene Propaganda zu vereinnahmen, ist nicht neu. Im deutschsprachigen Raum versucht man das immer wieder mit dem Panther-Gedicht von Rainer Maria Rilke (1875-1926). Das Anfang des 20. Jahrhunderts entstandene Gedicht, soll in der Lesart die Trostlosigkeit der Zootiere im Jardin des Plantes zu dieser Zeit widerspiegeln. Man soll sich so in Zootiere reinfühlen können, was natürlich eine Fehlinterpretation ist.

Das Beispielwerk für Symbolismus ist ein Dinggedicht, in dem Rilke keine Beobachtung beschrieb wie ein Wissenschaftler, sondern seine eigenen Empfindungen quasi auf das Tier projizierte wie auf eine Leinwand. Rilkes eigene Vereinsamung wurde dichterisch dem Panther unterstellt, kann man sagen. Es ist nichts weiter als eine lyrische Selbstreflektion über das subjektive Empfinden. Das wird natürlich von der Tierrechtsindustrie ignoriert und man tut so, als sei das quasi eine Tatsachenbeschreibung der Haltungssituation.

Ideologische Propaganda versucht sich seit jeher Kunst zu eigen zu machen, um sich kulturell zu verankern. Genutzt werden meist plumpe Interpretationen, die die Komplexität künstlerischen Handelns immer wieder unterschätzen. Die Unterkomplexität mit der die Vereinnahmung geschieht, hat durchaus Methode, ist einfach doch eingängiger. Mit dem Kunstwerk selbst haben diese Vereinnahmungen dann wenig zu tun. Oft setzt man dabei eben auch auf Uninformiertheit der Rezipienten. Wer aber schon ein bisschen Hintergrund kennt, kommt sowohl bei Rilke als auch bei Banksy auf eine deutlich schlüssigere Fährte.

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