Delfinvorstellung in der Lagune des Tiergartens in Nürnberg | Foto: Jed, Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE

“Promis” blamieren sich mit Anti-Delfinarien-Video

Exklusiv für zoos.media – 12.03.2019. Autor: Philipp J. Kroiß

Die Aktionsgruppe Tierrechte Bayern hat mehr oder weniger prominente Personen dazu gebracht, sich unqualifiziert gegen die deutschen Delfinarien zu äußern.

“Promis” blamieren sich mit Anti-Delfinarien-Video

Die Aktionsgruppe Tierrechte Bayern hat ein Videos gegen die deutschen Delfinarien veröffentlicht. Darin geben aber keine Experten, Wissenschaftler oder Forscher ihre Meinung zum besten, sondern Promis – oder besser ausgedrückt Personen, die sich für solche halten. Es ist immer wieder spannend zu sehen, wie sich völlige Laien erheben und zu normativen Aussagen ermächtigen, um Menschen über Themen “aufzuklären”, über die sie nicht wirklich hinreichend informiert sind, um qualifizierte Aussagen zu treffen. Zu diesem Winkelzug greift die Tierrechtsindustrie immer wieder, auch in Übersee wie dieses Foto zeigt, das gegen ähnliches Vorgehen protestiert:

Das Plakat bringt es auf den Punkt und deshalb ist es im nächsten Schritt auch so einfach, diese Promis zu widerlegen. Wir werden dabei repräsentativ einige Aussagen von Personen, die prominent genug sind, dass man sie vielleicht noch kennen könnte, mit der Realität abgleichen.

Wenn “Promis” ihre Hausaufgaben nicht machen

Delfin und Seelöwe im Tiergarten Nürnberg | Foto: Mammalwatcher, Lizenz: CC0 1.0

Das Video beginnt mit mit Sepia getönten Aufnahmen aus dem Tiergarten Nürnberg begleitet von trauriger Musik – ein billiger Effekt. Als erster Promi stellt sich Katerina Jacob als “Autorin und Schauspielerin” vor. Sie hat vor Jahren ganze zwei Bücher über sich selbst herausgebracht und, nach eigenen Angaben, hörte sie mit der Schauspielerei auf, nachdem sie ohnehin kaum noch Rollen gespielt hatte. In einem anscheinend selbst gefilmten Video, erklärt sie, dass sie findet, dass Delfine “ins Meer gehören und nicht in Delfinarien”. Letztendlich bedeutet das, dass sie also lieber Delfine tot als gerettet sieht und auch kein Problem damit hat, wenn Populationen, Unterarten oder ganze Arten für immer aussterben, obwohl man sie hätte retten können. Letzteres sagt sie natürlich nicht so ausdrücklich, ist nun aber logische Folge solcher Aussagen.

Als nächstes versucht sich dann der Fernmeldemechaniker Dirk Steffens, der nach dem Abi auch Geschichte und Politik studierte, als Delfinexperte. Diese Tiere wären “so intelligent” und hätten ein “so reiches Emotionsleben und einen so ausgeprägten Bewegungsdrang, dass man sie unter gar keinen Umständen einfach so einsperren und in Gefangenschaft halten sollte.” Der häufig als Journalist bezeichnete Steffens hat wohl Grundlagen dieser Profession vor seinen Äußerung vergessen – etwa Recherche. Delfine sind ungefähr so intelligent wie Hühner, was der Delfinexperte Justin Gregg in seinem vielbeachteten Buch “Are Dolphins Really Smart?” anhand der aktuellen Studien fundiert erklären konnte. Zum Bewegungsdrang der Tiere haben sich auch schon zahlreiche Experten geäußert – er hätte nur mal recherchieren müssen. Akkrediterte und zertifizierte Delfinarien können den von den Tieren benötigten Aktionsraum exzellent bereit stellen.


Viele andere Informationen in unterschiedlichster Form stehen auch online oder offline bereit – warum ignoriert Steffens die einfach so? Ebenfalls wird von ihm nicht beachtet, dass die Tiere in modernen Delfinarien weder eingefangen, eingesperrt noch gefangen gehalten werden. Moderne Zootierhaltung hat nämlich mit Gefangenschaft nichts zu tun – eine Erkenntnis, die auch kein Genie braucht, um wesentliche Unterschiede, die auf der Hand liegen, zu erkennen. Wenn Steffens seine Beiträge für “Terra X” und andere Formate auch so schlecht recherchiert, kann man sich sicher fragen, inwiefern es noch sinnvoll ist, ihn zu buchen, sofern er nicht solche Aussagen mit der Wissenschaft abgleicht und einen richtigstellenden Beitrag veröffentlicht.

Anit-Delfinarien-Aktivistin Ingrid Visser jagt Orcas mit Unterwasserkamera – die Tiere schwimmen vor ihr weg. | Foto: Screenshot des Films “Woman swims with killer whales in the wild.webm” von Fair Projects (Lizenz: CC BY 3.0)

Er ist aber nicht der einzige aus dem Umfeld des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF), der sich äußert: auch Florian Weiss möchte, dass die letzten beiden Delfinarien in Deutschland geschlossen, weil er “Orcas und Delfine” unter Wasser gesehen hat. Erstmal sind Orcas nun mal Delfine, was schon zeigt wie tief er in die Materie auf fachlicher Basis getaucht ist und zweitens ist solche Nähe zu Wildtieren unter Tierschützern durchaus umstritten. Whale Watching schadet nämlich mehr als es nützt. Die Tierrechtsindustrie betreibt aber seit Jahren Greenwashing solche Angebote, weshalb es vermutlich zweckmäßig ist, sich darin zu engagieren, damit niemand peinliche Fragen stellt, denn die Gewöhnung an den Menschen, beziehungsweise dessen Nähe, kostet leider vielen wilden Delfinen das Leben. Den meisten Zuschauern könnte der Moderator Florian Weiss wohl aus der Pseudo-Ermittler-Doku “Lenßen & Partner” bekannt sein, wo er in der Folge “Der kastrierte Moderator” als er selbst auftrat. Sonst blieb er einem breiten Publikum wohl eher verborgen.

Ebenfalls mit von der Partie ist die Sängerin Jamie-Lee Kriewitz, die im Video “Krewitz” geschrieben wird, die für Deutschland beim Eurovision Song Contest den bemerkenswerten letzten Platz belegte. Sie betont, dass Delfine “ihren natürlichen Lebensraum unbedingt brauchen”. Dass viele Generationen verschiedener Delfinarten in Menschenobhut jeden Tag das Gegenteil bewiesen, hat sie offenbar übersehen. Ebenso hat sie großzügig ignoriert, dass Delfine in Delfinarien gesünder und weniger gestresst sind als ihre wilden Artgenossen, sowie auch länger leben. Auch, dass Delfine in Menschenobhut beim Training Glückshormone ausstoßen und die Interaktionen mit Trainern genießen, scheint ihr egal zu sein. Vielleicht ist diese Ignoranz aber auch nur zweckmäßig, um auf sich aufmerksam zu machen, nachdem ihre jüngster Karrierversuch völlig unter dem Radar des Marktes blieb.

Besonders lächerlich macht Frank Schweikert die Deutsche Meeresstiftung, die er zum Beispiel mit der Aussage vertritt, dass Delfine 300 Meter tief tauchen würden. Das ist ungefähr so, als würde man sagen, dass Menschen 400 Meter tief tauchen – warum? Das hat noch kein Mensch ohne technische Hilfen gemacht und es wäre alles andere als eine stellvertretende Leistung. Delfinarten und -ökotypen, die in Delfinarien gehalten werden, tauchen in der Natur nicht so tief, weil sie teils noch nicht mal Habitate bewohnen, die diese Tiefe aufweisen. Wenn das die Fakten sind, mit denen die Deutsche Meeresstiftung tatsächlich Naturschutz betreiben will, hat das mit Seriosität nichts zu tun. Der Tauchrekord der größten Delfinart, die in Delfinarien gehalten wird, wurde übrigens von einem trainierten Orca aufgestellt und der liegt bei 260 Metern – untrainierte Tiere in der Natur, die allerdings nicht den gleichen Ökotyp haben wie die Tiere in Menschenobhut, schaffen etwas mehr als die Hälfte der 300 Meter.

Wilder Delfin mit tiefen Narben und Hautläsionen in Cromarty Firth (Scotland) | Foto: Rene, Lizenz: public domain

Kurios wird es dann, wenn sich Michael Fritz von “Viva Con Aqua” mit der Plattitüde äußert: “Wasser ist Leben und Leben sollte frei sein.” Wofür setzt sich dieser “Promi” hier ein? Vielleicht ein Ende der Wasserflaschen, denn wie können Menschen nur gefangenes Wasser trinken – schrecklich! Aber Spaß bei Seite: Was das mit Delfinarien zu tun hat, wird wohl ein Geheimnis bleiben. Es könnte auch einfach ein Statement sein, dass man aus einem Video von ihm herausgeschnitten hat und gar nicht für diesen Zusammenhang bestimmt war. Aber neben solchen rätselhaften Äußerungen stehen auch alte Bekannte wie Karsten Brensing vor der Kamera. Er ist wohl zwar kein Promi, aber bekannt für eine durchaus fragwürdige Einreichung bei einer Anhörung im Landtag NRW ist er dennoch – darin gab es nämlich bemerkenswert viele falsche Behauptungen über Delfinarien.

Zu diesen Beispielen gesellen sich aber auch noch unbekanntere “Promis”, die wohl noch weit dringender die kostenlose Promotion brauchen, die man ihnen im Zusammenhang mit diesem Video offenbar versprochen hat. Da ist sich dann auch die Grünen-Politikerin Renate Künast nicht zu schade, um ein paar Worte los zu werden, aber sie ist sich ja auch nicht zu schade, bei Demonstrationen neben einer Fahne, die Ökoterroristen bewirbt, zu marschieren und somit ist es keine echte Überraschung, dass sie sich auch für so ein unseriöses Video bereit erklärt – für ein bisschen Screentime machte sie auch schon bei einer Fischtötung mit. Nicht bekannt ist, ob die Teilnehmer auch über diese Selfpromotion und Screentime hinaus bezahlt wurden. Sehr wohl bekannt ist aber, was die “Promis” alles noch ignorierten neben dem ohnehin schon genannten, nämlich, dass echte Experten und renommierte Wissenschaftler alles andere als ihrer Meinung sind – und das sind nicht nur 25, sondern über 80.

Über 80 renommierte Experten für die Haltung in akkreditierten und zertifizierten Zoos & Aquarien

Tierrechte Bayern hat also 25 “Promis” und moderne, akkreditierte und zertifizierte Delfinarien haben über 80 der besten Wissenschaftler, die auf diesem Gebiet führend sind und echte Expertise nachgewiesen haben. Eine Medien-Karriere, die den Zenit überschritten hat, ersetzt nämlich keinesfalls seriöse wissenschaftliche Arbeit und ein Renommee, das sich die Experten in jahrzehntelanger Forschung erarbeitet haben, wird nicht geschlagen durch den Geltungsbedarf von Möchtegern-Promis. Wer beim ESC lausige 11 Punkte einfährt, bekommt sicherlich keinen Bachelor in Zoologie als Trostpreis geschenkt. Einen schwachen Sendeplatz für eine Zielgruppe jenseits der Werberelevanz mit populärwissenschaftlichem Halbwissen zu füllen, ersetzt auch keine jahrzehntelange Arbeit zum wirksamen, fundierten und umfassenden Schutz der Delfine.

Experten wissen nämlich sehr genau, warum es Delfinarien braucht:

Auch erfolgreiche Artenschützer wissen es besser als irgendwelche Promis, die auf ihr Handy einreden:

Delfinkalb Debbie im Zoo Duisburg putzmunter | Foto: zoos.media

An diesen Fakten, die nicht nur die zwei oben gezeigten Experten eben sehr wohl kennen, ändern auch 25 “Promi”-Statements nichts. Experten in Delfinarien arbeiten jeden Tag daran, das Leben von Delfinen zu verbessern und sie können immer wieder Erfolge feiern. Weder die Aktionsgruppe Tierrechte Bayern, noch jemand der von ihnen ermächtigen Experten hat ähnliche Erfolge vorzuweisen. Sie sind eher wie die Schar an Möchtegern-Experten im Fußball, die jenseits des Stadiongrüns gerne den besseren Bundestrainer markieren, aber die selbst auf dem Platz oder der Trainerbank nie die Verantwortung tragend Platz gefunden haben. Zweifelsohne wird leider auch letzteren zu viel Beachtung geschenkt, aber umso mehr muss dieser Umstand der nötige Ansporn für Edukation in dieser Frage sein.

Selbst wenn es 100 echte Promis wären, verändert deren Meinung nichts an den tatsächlichen Fakten. Wieso auch? Seit Jahren scheitert die Tierrechtsindustrie daran zu beweisen, dass Wale und andere Meeressäuger in Menschenobhut nicht gut leben könnten, weil die Forschung, wie oben bereits erklärt, immer anderes beweist. Daran ändern dann auch keine Promis oder Politiker etwas und es ist die ohnehin die übliche westliche Hybris zu denken, dass man diese Haltung auf der ganzen Welt beenden könnte. China und andere Länder wollen diese Haltung und werden davon nicht abrücken. Der Westen aber kann qualifizierteren Partner werden – etwa in Japan, wo aktuell Expertise der Delfinarien schon seit Jahren Wildfänge, wie etwa die in Taiji, für die japanischen akkreditierten Zoologischen Gärten überflüssig gemacht hat. Das kann man auch in anderen Ländern schaffen und ebenfalls internationale Schutz-, Forschungs- und Zuchtprojekte aufbauen.

Schon viele Arten konnten so vor dem Aussterben gerettet werden. Wer denkt, dass sich die Arten von selbst retten könnten, ignoriert die Fakten – dafür ist der Schaden bereits zu groß. Die Delfine und andere Wale brauchen umfassenden Schutz und den gibt es nur in Kombination von Maßnahmen ex situ und in situ.

Wenn es sie also nicht schon längst geben würde, müsste man Delfinarien schleunigst erfinden. Denn sie kümmern sich um echte Probleme – etwa die 4,1 Millionen Wale, die als Beifang seit 1950 allein im Indischen Ozean, sterben mussten. Dort ging in den vergangenen Jahrzehnten die Walpopulation um mehr als 80% zurück. Pro Jahr verliert man allein dort weitere 80.000 Wale. In Delfinarien wird gegen Beifang auf der ganzen Welt etwas bewegt – durch Bildung, Forschung und Schutz. Das ist auch nur ein Thema von vielen, die aktiv vom Zoos angegangen werden. So ein langes Leben wie das von Moby, der mit 58 Jahren im Tiergarten Nürnberg starb, ist den Delfinen in der Natur nur sehr selten vergönnt. Die meisten wilden Großen Tümmler sterben vor der Vollendung ihres 18 Lebensjahres. Damit es auch den Delfinen in der Natur besser geht, darum kämpfen nicht 25 “Promis”, sondern zahlreiche Tierpfleger, Tiertrainer, Tierärzte, Biologen und weitere Verantwortliche in den modernen Delfinarien auf der ganzen Welt.

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