Bällchen aus Analog-Fleisch sind Teil der veganen Küche. | Foto: Nitsan Simantov, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Rettet vegane Ernährung die Welt?

Exklusiv für zoos.media – 09.03.2019. Autor: Philipp J. Kroiß

Die vegane Ernährung wird gerne zum Allheilmittel für verschiedene Umwelt-Probleme hochstilisiert. Neue Forschung nimmt dem den Wind aus den Segeln.

Rettet vegane Ernährung die Welt?

Ernährung ist eine persönliche und auch private Entscheidung. Im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Normen kann sich jeder frei entscheiden, was er essen möchte und hat es auch verdient dafür nicht angefeindet zu werden. Allerdings gibt es immer wieder Bestrebung, die eigene Ernährung irgendwie herzuleiten und ideologisch aufzuladen – die Bestrebungen sind in der Essenskultur nicht neu. So gibt es für bestimmte Glaubensrichtungen etwa Ernährungsvorschriften, die historisch aus einer Zeit stammen, in denen es die modernen Nahrungsmittelzubereitungs- und -aufbewahrungsmöglichkeiten nicht gab. Diese Verbote wurden dann religiös aufgeladen.

Diese Prozesse finden wir bis heute – selbst in Gruppen, die entweder nicht mehr sonderlich religiös sind oder die nötige Bildung zur Verfügung gestellt bekommen haben, solche Ernährungsmythen zu widerlegen. Es scheint ein Bedürfnis zu geben, seine Ernährung quasi ideologisch aufzuladen, denn etwas nur zu essen, weil es schmeckt und gesund ist, scheint zu wenig – am liebsten rettet man gleich die ganze Welt oder ein kleines Stück. Dass die Einbildung von Vegetariern und Veganern falsch ist, dass für ihre Ernährung keine Tiere sterben, wurde schon an anderer Stelle widerlegt. Allerdings wollen viele Veganer noch mehr, was über das angebliche Retten von Tierleben hinausgeht, denn es gilt ja noch das Klima und den Regenwald zu retten. Zudem spare man ja Wasser und Anbauland.

Aktuelle Forschung zerstört Mythen

Professor Michael Schmitz von der Universität in Gießen hat zusammen mit internationalen Forschungskollegen die globalen Auswirkungen einer rein pflanzlichen Ernährung erforscht. Ebenso wurde errechnet, was denn für Umweltauswirkungen entstehen würden.

Ein Glas Milch | Foto: Santeri Viinamäki, Lizenz: CC BY-SA 4.0

“Eigenen Berechnungen zufolge sinken die CO2äqu.-Emissionen unter Berücksichtigung von Methan und Lachgas bei einer 50%igen Reduzierung des Fleisch- und Milchverbrauchs in der EU27 lediglich um 4,2%. Führen verschärfte Standards in der EU-Nutztierproduktion dagegen zur Produktionseinschränkung um 50% und damit zu einer Verlagerung ins Ausland, steigen die CO2äqu.-Emission sogar um 1,4% an (vgl. Carbon-Leakage-Effekt). Geschieht beides gleichzeitig, kann man davon ausgehen, dass der Klimabeitrag gegen Null geht. Das bestätigt auch REVELL (2015) in seinen Arbeiten, indem er schlussfolgert, dass verbrauchsreduzierende Präferenzenänderungen oder Verbrauchssteuern für Fleisch in entwickelten Ländern weitgehend unwirksame und damit ineffiziente Mittel der Klimapolitik sind. Er begründet das vor allem mit Produktionsverlagerungen an emissionsintensivere Standorte. Auch GRABS (2015) stellt die Klimafreundlichkeit einer vegetarischen/veganen Ernährung in Frage, indem sie auf die oft vernachlässigten Rebound-Effekte verweist.” – Schmitz et al., 2019 [Edit: neuer Link]

Die Veganer, die ihre Ernährungsweise als klimafreundlicher verkaufen wollen, scheitern also an den nackten Zahlen und seriösen Rechenmodellen, die man in der über 90-seiten starken Arbeit nachvollziehen kann. Häufig wird auch die Einsparung im Bereich Wasser gerne ins Feld geführt.

“Auch beim weltweiten Wasserverbrauch erweist sich die Strategie einer 50%igen Reduzierung von EU-Angebot oder EU-Nachfrage bei Fleisch- und Milchprodukten als wenig wirksam. Maximal sinkt der Wasserverbrauch weltweit um 3%, wobei er in zahlreichen Entwicklungsländern sogar ansteigt, weil dort die Wasser-Fußabdrücke höher sind als in den Industrieländern. Das macht klar, dass sich Wassereinsparungen wirksamer und effizienter mit anderen Mitteln und an anderen Standorten realisieren lassen, als durch Verzicht und Produktionseinschränkungen in Europa. Innovative Bewässerungstechniken in Entwicklungsländern könnten hierzu ein wichtiger Beitrag sein.” – Schmitz et al., 2019 [Edit: neuer Link]

Ein weiterer Mythos ist, dass vegane Ernährung ja Ackerland einsparen würde.

Braunvieh-Kuh auf einer Weide in Melchsee-Frutt (Schweiz) | Foto: Ikiwaner, Lizenz: CC BY-SA 3.0

“Schließlich geht es auch um die Frage, ob ein Konsumverzicht in der EU weltweit Land freisetzen könnte, um statt Futtermittel für die Nutztierproduktion Nahrungsmittel zur menschlichen Ernährung zu produzieren. Tatsächlich geht beispielsweise der Landverbrauch in Deutschland eigenen Berechnungen zufolge um 21% bzw. 24% zurück, wenn Verbrauch bzw. Produktion von Fleisch und Milch und 50% reduziert werden. Für die weltweite Landnutzung hat das allerdings „nur“ Änderungen von weit weniger als 1% zur Folge. Ähnlich gering fallen die Effekte aus, wenn die EU-28 Verbrauch und Produktion zurückfährt. Dann sinkt der weltweite Landverbrauch um 1,3% bzw. 0,9%. Selbst eine weltweite Reduzierung setzt nur Flächen im Umfang von 12% bis 16% frei. MOTTET u.a. (2017) erklären das mit dem hohen Anteil von Grasland (2 Milliarden ha) an der Gesamtfläche für die Futtermittelproduktion (2,5 Milliarden ha). Die Autoren prognostizieren darüber hinaus, dass der Flächenbedarf der prinzipiell für die menschliche Ernährung geeigneten Flächen bei Unterstellung eines normalen Ertragswachstums bei Futtermitteln und einer moderaten Verbesserung der Futtermittelverwertung bis 2025 sogar leicht sinkt und lediglich der Bedarf an für die menschliche Ernährung ungeeigneten Flächen zunimmt (+14%). Hinsichtlich einer vegetarischen Ernährung ist kritisch festzuhalten, dass gerade Obst und Gemüse qualitativ hochwertiges, produktives Land erfordern, während Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch auf weniger produktivem Land erzeugt werden können.”  – Schmitz et al., 2019 [Edit: neuer Link]

Ebenfalls eine Milchmädchenrechnung ist die Behauptung, dass man den weltweiten Hunger damit bekämpfen könne, sich rein pflanzlich zu ernähren.

“Hunger und Armut in Entwicklungsländern entstehen vor allem vor Ort. Die gut gemeinte Vorstellung, man könne durch Verzicht auf Fleisch- und Milchprodukte in westlichen Ländern die Ernährungssituation in armen Ländern verbessern, geht an der Wirklichkeit vorbei. Selbst die in manchen Studien errechneten leichten Verbesserungen sind nicht aussagekräftig, weil sie auf vereinfachten Annahmen über die Preisbeziehungen zwischen Weltmarkt und Binnenmarkt, über die Rolle des Preisniveaus für die Ernährungssituation und die Art der Nährstoffdefizite, nämlich nur Kaloriendefizite, beruhen. Wenn westliche Länder wirklich etwas für die Verbesserung der Ernährungssituation in Entwicklungsländern tun wollen, sollten sie ihre Märkte öffnen und zur Förderung von Landwirtschaft, Infrastruktur, Bildung und Gesundheit in den betroffenen Ländern beitragen.”  – Schmitz et al., 2019 [Edit: neuer Link]

Darüberhinaus beschäftigt sich die Studie auch mit Politikimplikationen sowie den wirtschaftlichen Konsequenzen. Ganz klar erklärt wird in der Studie: “Ein Fleischverzicht in Deutschland rettet also keinen Regenwald und spart Wasser und Land, wenn überhaupt, an der falschen Stelle.” Das ist kein Plädoyer gegen vegane Ernährung, denn weiterhin können sich Leute komplett legal und auf ihren freien Wunsch hin, vegan ernähren und haben es auch verdient, deswegen keine Geringschätzung zu erfahren – ganz genau wie Menschen, die sich nicht vegan ernähren auch. Die Studie zerstört nur sehr deutlich, klar und nachvollziehbar die Mythen mit denen die vegane Ernährung häufig von Firmen und verbundenen NGOs beworben werden.

Vegane Ernährung als Alibi

Was man beobachtet ist, dass, wegen dieser Werbeversprechen, die vegane Ernährung häufig zum Alibi wird – man tue ja dadurch schon was für Tiere und Umwelt, wird gerne behauptet. Dass das nicht der Fall ist, zeigt die Studie und deshalb hilft sie dem Tier-, Arten- und Naturschutz sehr, da so eine populäre Ausrede fehlt, sich nicht wirklich zu engagieren und sich mit den teils komplexen Vorgängen in Ökosystemen zu beschäftigen. Der Veganstart, eine Kampagne der radikalen Tierrechtsorganisation PETA, bringt also nichts – nun zumindest der Umwelt nicht; sehr wohl aber wahrscheinlich hilft die Kampagne bei den zahlreichen mit veganer Ernährung verbundenen Produkten im hauseigenen Store. Zudem natürlich auch den Firmen, die im veganen Einkaufsguide der radikalen Tierrechtler stehen. Ein wahrer Schelm ist, wer nun an dieser Stelle Böses dabei denkt und hier gewinnmaximierende Interessen anhand von leeren Versprechungen vermutet.

Man sieht, dass sich eine ganze Industrie gebildet hat, die von den falschen Versprechungen einer veganen Ernährung massiv profitiert und ihre Produkte verkauft. Das wird unterstützt von NGOs, die bei Spendenaufrufen in Aussicht stellen noch mehr Menschen zur veganen Ernährungsweise zu bekehren und so etwas für die Umwelt tun wollten. Das ganze verläuft in einer Blase, in die Menschen gezogen werden, denen Tiere und/oder die Umwelt am Herzen liegt. Darin wird dann vorgegaukelt, dass es einen wissenschaftlichen Konsens gäbe, dass vegane Ernährung das Beste wäre und alle anderslautenden Stimmen ja Mitglieder einer Agrarindustrie wären, die an der Weltverschwörung gegen die einzige gesunde Ernährunsgform beteiligt wären.  Wenn Erwachsene darauf hereinfallen, ist das letztendlich deren Pech, aber problematisch und auch moralisch fragwürdig wird es, wenn schon Kinder so indoktriniert werden.

Grilled Striploin Steak auf einem Brett angerichtet | Foto: Roderick Eime, Lizenz: CC BY 2.0

Es gibt gute Gründe sich vegan zu ernähren – etwa, wenn es einem einfach schmeckt oder einem ein gutes Gefühl gibt. Manchen gibt ein Steak auf dem Grill ein tolles Gefühl, den anderen eben ein veganer Salat, den anderen macht eine Pizza Margarita zum glücklichsten Menschen der Welt – zumindest für den Moment des Genusses. Keiner sollte aber behaupten, mit seinen Essensvorlieben die Welt zu retten, weil es eben nicht stimmt, aber Essen muss das ja auch nicht leisten. Natürlich hilft es, Produkte nachzufragen, die nicht durch Tierquälerei entstanden sind. Tiere, die etwa schmerzlos in ihrer Haltung bereits getötet werden und denen so ein Tiertransport erspart bleibt, nachzufragen, kann zum Beispiel Sinn machen, weil sich dadurch der Markt minimal beeinflussen lässt, weil der tierfreundliche Produzent so unterstützt wird. Zu denken aber, dass aufgrund veganer Ernährung keine Tiere mehr sterben müssten und man so nebenbei die Welt rettet, ist einfach eine Illusion.

Das Geld, was Organisationen in Grassroot-Kampagnen verschwenden, die auf die Ernährung der Rezipienten Einfluss nehmen wollen und dessen Erfolg sich ohnehin nicht seriös messen lässt, könnten nun endlich der Vergangenheit angehören. Wichtig wird sein, sein Geld in seriöse Projekte zu investieren, die eben wirklich zum Beispiel Berggorillas, Vaquitas oder Lear-Aras zu Gute kommen. Auf dem Essensteller wird die Welt nicht gerettet werden können, sondern man muss sich mit den Projekten beschäftigen, die seriösen finden und sie dann unterstützen. Natürlich kann Konsum da eine Stellschraube sein, aber es ist eben eine Illusion, das irgendeine extreme Ernährungsweise ein Allheilmittel wäre. Es bleibt einem also nichts anderes übrig, als beim eigenen Konsum die Augen offen zu halten.

Sumatra-Orang-Utan im Chester Zoo | Foto: Mike Peel (www.mikepeel.net), Lizenz: CC BY-SA 4.0

Hierbei sind auch Zoos und Aquarien aktiv, die keine Ernährunsvorschriften aufstellen und fragwürdig belegen, sondern die Menschen informieren und zeitgleich forschen. Ein klassisches Thema ist zum Beispiel Palmöl. Die WAZA etwa bekennt sich zu zertifiziertem Palmöl, das die aktuell beste pragmatische Lösung in dieser Frage darstellt. Warum? Eine Studie renommierter Experten hat gezeigt, dass andere Pflanzenöle, keine Alternative darstellen, weil sie noch viel mehr oder massivere negative Auswirkungen haben. Deshalb ist der Weg von zertifizierten Palmöl der aktuell beste. Natürlich braucht es weitere Forschung, um die Zertifizierungsstandards zu optimieren, aber das zu tun ist weitaus besser als gar nichts zu tun oder trügerische Alternativen zu empfehlen, die am Ende alles verschlimmbessern.

Unsere Ernährung wird also ein Thema bleiben, aber einfache Lösungen wird es nie geben. Der umweltfreundlichste Verbraucher ist der informierte Verbraucher, der genau in Erfahrung bringen kann, was sein Konsum für Auswirkungen hat und dann qualifizierte Entscheidungen treffen kann. Diese Entscheidungen mögen einem dann gefallen oder nicht, aber man sollte sich nicht der falschen Annahme hingeben, dass am veganen Wesen die Welt genesen soll. In diese Industrie, die das vertritt, fließt, aufgrund falscher Versprechungen, so viel Geld, das in tatsächlich wirksamen Projekten vom Tier-, Natur- und Artenschutz viel besser aufgehoben wären und dort auch die Option hätte, wirklich etwas zu verbessern.

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