Exklusiv für zoos.media – 29.06.2020. Autor: Philipp J. Kroiß
Sea Life malt ein Bild von seinem Netzkäfig-Projekt “Beluga Whale Sanctuary“, das mit der Realität nichts zu tun hat und letztendlich der Öffentlichkeit nur Märchen verkauft.
Sea Life und sein Beluga Whale “Sanctuary” der Märchen
Sea Life, ein Tochterunternehmen der Unterhaltungsfirma Merlin Entertainments, nutz ein so genanntes “Beluga Whale Sanctuary” zum Greenwashing aktueller und ehemaliger Walhaltungen – ein gemeinsames Projekt mit der Tierrechtsindustrie. Das Projekt, das schlechte Walschutz-Gesetze der Walfang-Nation Island ausnutzt, sieht auf dem ersten Blick aus wie ein schlechter Scherz, ist aber wirklich Realität.
Immer wieder werden Märchen erzählt
Um das Unternehmen zu greenwashen und die Netzkäfighaltung als ordentliche Unterbringung erscheinen zu lassen, obwohl das Projekt an einem Ort realisiert wird, an dem die Art gar nicht vorkommt, verbreitet Sea Life immer wieder Märchen. Ein wirklich lächerliches wurde dann im Rahmen dieses Tweets veröffentlicht:
Dinner time 🐟
When it comes to eating in their new home, our team will continue to provide food for Little White and Little Grey. However, there will be plenty of fish, crabs and other creatures in the bay – so they can choose to hunt their own food if they want! pic.twitter.com/WKxh5sgsq6
— Beluga Whale Sanctuary (@BelugaSanctuary) June 28, 2020
Was ist daran lächerlich? Das merkt man schnell, wenn man weiß, was man bei der Ernährung von Walen in Menschenobhut beachten muss. Man muss nämlich sowohl das Tier, als auch sein Futter ständig kontrollieren. Darum werden Wale in Menschenobhut regelmäßig gewogen und auch das Futter wird entsprechend kontrolliert. Also wird dieses Szenario, was sie im Tweet beschreiben, entweder nie Realität oder die Tiere werden Gesundheitsprobleme bekommen.
Zudem wäre es nicht wirklich gut für den Lebensraum um das Netzkäfig-Projekt herum, wenn die Belugas plötzlich beginnen würden, zu jagen. Das könnte das ganze Ökosystem ziemlich schnell zerstören und dann zu einem Problem für die gesamte Bucht werden. Allerdings ist es wahrscheinlicher, dass sie nie jagen werden, denn Keiko, der an gleicher Stelle in einem Netzkäfig im Rahmen des gescheiterten Auswilderungsprojekte gehalten worden war, hat dort auch nie gejagt.
Hinterlassenschaften könnten für den Lebensraum und die Wasserqualität zum Problem werden
Belugas essen viel und setzen deshalb auch Kot und Urin ab. Auf eine solche Menge ist das Ökosystem der Bucht allerdings gar nicht vorbereitet. Das ist auch ein Problem bei Netzkäfigen, die etwa in den Fischfarmen im offenen Meer eingesetzt werden. Ein Beluga frisst zwischen 18-27 Kilogramm Fisch jeden Tag und davon kommt dann auch einiges am anderen Ende des Tieres wieder heraus. Das wird in dem verhältnismäßig kleinen Netzkäfig-Projekt auch noch stark konzentriert, was das doch sehr überschaubare Ökosystem belasten wird.
Letztendlich ist so ein Netzkäfig eben auch ein große Toilette, allerdings ohne Spülung und Filter. Aber es ist ja nicht nur diese Verschmutzung alleine, die das Habitat dort belastet. Die Insel Heimaey ist abhängig von Bootsverkehr, um notwendige Ressourcen zu erhalten. Die Bucht mit dem Netzkäfig-Projekt ist genau an dieser marinen Versorgungsader, die alle Boote passieren müssen, wenn sie in den Hafen wollen und wieder heraus. Man kann sich dazu eine Karte mit der Auslastung dieser Route hier anschauen (einfach auf das Symbol der durch Striche verbundenen Kreise klicken).
Also die Hinterlassenschaften der Tiere und der Schiffverkehr zusammen sind eine ganz schlechte Mixtur für die Wasserqualität vom “Sanctuary”. Die Netzkäfig-Installation von Keiko damals war kleiner als die zum damaligen Zeitpunkt modernen Orcahaltungen, die auch noch eine deutlich bessere Wasserqualität hatten. Solche Netzkäfige also “Sanctuary” zu nennen, ist pures Greenwashing. Diese Anlagen sind bei weitem nicht besser als eine gute Installation in einem renommierten Zoo oder Aquarium.
Märchen versus Realität
Wie im Fall von Keiko vor fast 20 Jahren glaubt nun wohl Sea Life, dass sie, sobald sie die beiden Belugas ins Wasser legen, durch den 35.000 m² großen Seapen glücklich schwimmen werden. Aber das war bei Keiko nicht der Fall, er schwebte fast den ganzen Tag regungslos in dem kleinen 500 m² großen schwimmenden Käfig und zeigte kein Interesse daran, die Bucht zu erkunden. Um Keiko dazu zu bringen, die Bucht zu erkunden musste Ocean Futures Trainer mit Erfahrung für Schwertwale einstellen, die das Tier trainierten, denn auf andere Weise bewegte sich das Tier nicht. Er wartete nur regungslos auf die nächste Fütterung.
Daher ist es klar, dass die beiden Belugas nach einem Jahr in einem kleinen Betonbecken, praktisch ohne Bewegung, fett werden und mit der niedrigen Wassertemperatur und dem rauen Wind in der Bucht nicht glücklich herum schwimmen werden, um die Bucht zu erkunden. Es ist klar, dass Sea Life Hilfe von professionellen Trainern benötigen wird, um diese armen Belugas zu managen. Sie haben dann ja gerade die Ruhe und den Schutz einer Zoo-Haltung, um kaltem Wasser, Umweltverschmutzung, Lärm und starken Winden ausgesetzt zu sein, die es manchmal unmöglich machen, die Fische zu den Tieren zu bringen, um sie richtig zu füttern, weil es unmöglich ist, dass diese Tiere, die früher von Menschen gefüttert wurden, spontan mit der Jagd beginnen. Die dümmsten Fische entkommen ihnen leicht, indem sie einfach durch das Metallgitter schwimmen. Dies könnte auch die Artenvielfalt und das gesamte Ökosystem der Bucht verändern.