Pierre de Chabannes zusammen mit einem Cat Ba Langur (Trachypithecus poliocephalus) in Cuc Phuong (Vietnam) im Rettungszentrum für gefährdete Primaten | Foto: Pierre de Chabannes

Tiere für den Artenschutz fotografieren

Exklusiv für zoos.media – 22.07.2019. Autor: Philipp J. Kroiß

Pierre de Chabannes ist weltweit einer der führenden Fotografen mit einer Leidenschaft für Artenschutz. In dem Interview spricht er über ein großartiges Projekt.

Tiere für den Artenschutz fotografieren

Sicherlich haben die meisten Zoo- und Aquariumfreunde seine Arbeit schon mal gesehen – möglicherweise jedoch ohne zu wissen, dass es seine war. Er zält zu den besten Fotografen der Zoo-Welt und hat eine beeindruckende Vielfalt an bereits fotografierten Arten vorzuweisen. Seine bisherige Arbeit ist großartig und sicherlich wissen viele von euch, von wem ich spreche: Pierre de Chabannes oder Pierre Wildlife (www.pierrewildlife.com).

Wie fing alles an?

Wenn man seine Website betrachtet, sieht man, dass eine solche Arbeit nicht über Nacht entstehen kann. “Vor ca. 15 Jahren war ich ein reisender Profi-Schlagzeuger und wenn ich Zeit hatte, wo auch immer ich auf der Welt war, versuchte ich, in den dortigen Zoo zu gehen. Ich begann, all die faszinierenden Arten, die ich glücklicherweise sehen konnte, mittels Foto festzuhalten. Die Fotogalerie war recht erfolgreich, weil ich, vor allem in Südostasien, einige ungewöhnliche Tierarten fotografieren konnte.”

Sicherlich können viele Zoofotografen seine Geschichte nachvollziehen: Er reiste herum, hatte eine Leidenschaft für Tiere und den Menschen gefiel seine Arbeit. Aber wie wurde er so erfolgreich? “Wissen Sie, ich habe es immer geliebt, meine Erfahrungen und das Wissen, das ich durch Erfahrungen und Forschung sammeln konnte, zu teilen. Dies hat mich dazu veranlasst, eine größere Website zu erstellen, mit Unterlagen zur Bildung, die jeweils eine bestimmte Art oder Unterart zeigen.”

“So kam Pierre Wildlife zustande. Ich brauchte ca. drei Jahre um alle Arten-Ordner zu gestalten und um sie für jederman zugänglich zu machen, erstens, indem sie frei verfügbar auf der Website sind, zweitens, indem ich den Inhalt klar und verständlich für jeden, von der Schule bis ins hohe Alter, machte. Kurz gesagt, Pierre Wildlife ist ein Projekt, was Bildung über Tiere und Artenschutz vermittelt und verbreitet.”

Leidenschaft für wildlebende Arten und ihren Schutz dank Zoos

Es bedarf viel Arbeit um eine solche Website zu gestalten, aber Pierres Leidenschaft für die Tierwelt begann schon sehr früh – dank seiner Eltern und moderner Zoos: “Es fing alles in jungen Jahren an. Ich konnte kaum selbstständig laufen und meine Familie nahm mich mit an die alte Menagerie du Jardin des Plantes in Paris. Damals, Mitte der Achtzigerjahre, sah ich sehr viele seltene Tierarten, auch den letzten Afrikanischen Waldelefanten in einem europäischen Zoo, den alten Zoo de Vincennes, ohne mir auch nur dessen bewusst zu sein.

“Ich bin meiner Familie ewig dankbar, nicht nur dafür, dass sie mit mir einmal im Monat in den Zoo gingen, sondern auch dafür, dass sie Tierbücher kauften, die mir das, was ich sah, erklärten. Eine meiner größten Lieben, auch bis heute, sind Schlangen. Und ich hatte Glück, dass es viele giftige Schlangenarten in dem alten Vivarium an der Menagerie gab! Dann begann ich, zu meinem Geburtstag nach mehr Büchern zu fragen, auch nach englischen Büchern, denn diese enthielten bessere Bilder und wiesen mehr seltene Arten auf!”

Die Erfahrungen im Zoo motivierten ihn zum Reisen. 2005 konnte er, dank seines Vaters, eine Reise antreten, die sein enormes Interesse an Tieren noch verstärkte: “Ein anderer entscheidender Moment für mich war meine erste Reise nach Südostasien. Ich war von der Vielfalt an Tieren dort und von den außergewöhnlichen Wäldern überwältigt und gleichzeitig verliebte ich mich in die Kultur, die Freundlichkeit der Menschen und ihre Herzlichkeit. Es war ein Erwachen für mich, und nun gebe ich mein Bestes, um jedes Jahr dorthin zurückzukehren, entweder auf Auftrag oder auf eigene Kosten.”

Ohne Zoos wäre dies nicht möglich gewesen und es unterstreicht die Bedeutung dieser Einrichtungen als Motivationsstellen für Artenschutz. Seine großartige Arbeit erregte die Aufmerksamkeit des warscheinlich bekanntesten Zoofotografen der Welt: “Der letzte entscheidende Augenblick, an den ich mich erinnere, ist als ich 2016 von Joel Sartore und National Geographic als Berater eingestellt wurde. Bis heute bleibt dies der Höhepunkt meiner Karriere.”

Wie macht man gute Bilder im Zoo?

Wenn man einen Experten wie Pierre interviewt, möchte man ihn sicherlich fragen, was denn ein gutes Tier-Foto ausmache. Wir haben dies getan und hier ist seine Antwort: “Tatsächlich hängt es davon ab, was man beim Fotografieren erreichen möchte. Natürlich wird ein Foto immer dann besser, wenn man einige technische Richtlinien beachtet, wenn das Objekt fokussiert ist, das Licht einigermaßen gut und das Bild hell genug ist, aber ich denke das versteht sich von selbst.”

Wie gut ein Foto ist, hängt vom persönlichen Ziel ab, dies ist sehr wichtig, viele Fotografen übersehen es jedoch. “Meine Bilder sind nicht besser als der Durchschnitt, weil es nicht mein Ziel ist, einen künstlerischen Eindruck hervorzurufen, sondern eine Art und ihre Eigenschaften deutlich zu dokumentieren. Es ist also egal, ob sich ein hässlicher rostiger Zaun und kahler Beton im Hintergrund befinden oder ein üppiges Grün. Natürlich finden die meisten einen natürlicher Hintergrund schöner, weshalb ich solche Bilder bevorzuge. Ein gutes Bild für Pierre Wildlife wäre also eines, auf dem die Art sofort und präzise erkennbar ist. Der Rest ist zweitrangig.”

Was ist mit Bildern, die nicht nur dokumentieren sollen? “Wenn es einem eher auf die Fotografie selbst als auf den Dokumentationsprozess ankommt, abgesehen von den technischen Grundlagen der Zusammensetzung (wie z.B. der Drittel-Regel), ist der Hintergrund das Wichtigste. Man kann ihn selber erschaffen, indem man eine schwarze oder weiße Tafel hinter das Tier stellt, wie Joel Sartore es macht, oder man arbeitet mit den vorgegebenen Umständen, aber vergessen Sie nicht, ein Zaun sieht niemals gut aus… der Hintergrund muss natürlich aussehen, um auf eine positive Weise Aufmerksamkeit zu erregen. Deshalb ist die Zoofotografie nicht immer leicht!”

Es gibt noch einen anderen wichtigen Aspekt: Emotionen. “Sie stecken hinter Joel Sartores beeindruckenden Bildern und sind der Schlüssel zu seinem Erfolg. Seine besten Bilder bringen eine Emotion zum Ausdruck, meistens durch die Augen des Tieres. Manchmal sieht es neugierig aus, interessiert, verängstigt, wütend, zufrieden… es passiert ständig was und Joel erfasst es auf eine wunderbare Art und Weise.”

Ein großes Ziel

Es ist Pierre’s Ziel, “soviele Arten und Unterarten wie möglich zu dokumentieren, auf Foto natürlich, aber auch in Bildungsunterlagen, die frei verfügbar sind. Je mehr ich mich mit Bildung befasste, ich hielt Vorlesungen und unterrichtete Schüler,, die Tierpfleger in Frankreich werden wollten während ich reiste, desto deutlicher wurde mir, wie wichtig Bildung für den Natur- und Artenschutz, und damit auch für unser Überlegen, ist.

Pierre kommt es ebenso darauf an, Menschen für Arten zu begeistern und zu sensibilisieren: “Wen kümmerte es? Nun, niemanden wenn wir nicht informieren und bilden, und das ist schließlich das Ziel von Pierre Wildlife: zu bilden. Heutzutage hat man keine Zeit für die Tierwelt, wir sind zu sehr mit Sensationshascherei beschäftigt. Kim Kardashians Hinterteil ist für die meisten attraktiver als es der Graubrust-Trogon jemals sein wird.”

“Die Strategie ist also, Bildung für jeden frei zugänglich zu machen und dass sie vor unseren Augen auch auftaucht. Darum versuche ich, für Handy und Tablet, Apps zu erstellen mit täglichen oder wöchentlichen Pop-ups: wie etwa die “Spezies der Woche” App, die es Leuten ermöglicht, von freier Bildung zu profitieren. So beginnt man mit der Bewusstseinsbildung, die ja der erste Schritt für den Artenschutz ist.

Jeder kann helfen

“Ich habe es geschafft, fast 12000 Tierarten und -unterarten zu dokumentieren, mehr als 2100 Dokumente wurden bereits auf der Website veröffentlicht, und doch möchte ich noch viel mehr erreichen. Es gibt vom Aussterben bedrohte Arten, die kaum beobachtet, erforscht oder fotografiert wurden und ich möchte sie finden, angemessen dokumentieren und sie durch mein Porjekt bekannt machen.”

Viel hat er bereits selbstständig finanziert, eine App ist jedoch zu komplex und kostenaufwendig, um sie aus dem Nichts zu zaubern. “Ich brauche Finanzierung für das App-Projekt, das ich eben erwähnte und auch neue Wege, um die kostenlosen Dokumente zu verbreiten. Also habe ich für Diejenigen, die helfen möchten, eine Crowdfunding-Seite mit Patreon erstellt, auf der man monatlich von 5$ bis 150$ spenden kann. Die URL dieser Seite lautet: www.patreon.com/pierrewildlife. Dafür erhält man Zugriff auf exklusive Inhalte, die speziell für Patrons konzipiert sind, von schlichten Dankeskarten bis zu unveröffentlichten Bildern, Reiseberichten, Newsletters.”

Man muss nicht reich sein, um Pierre zu helfen: “Es ist wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass selbst die kleinsten Beiträge ungemein nützlich sind. Wenn die Hälfte meiner Follower auf der Facebook Seite von Pierre Wildlife nur 5$ im Monat spenden würden, könnte ich alle Ziele die ich für Pierre Wildlife festgelegt habe erreichen und sogar etwas Geld sparen, um es Naturschutzverbänden zugutekommen zu lassen, die Unterstützung gebrauchen könnten. All dies ist erreichbar und ich bin fest davon überzeugt, dass das Beisteuern zu einem solchen Projekt zum Artenschutz beiträgt.

Artenschutz Fotografie

Pierres großartiges Projekt ist ein gutes Beispiel für Artenschutz-Fotografie. Die Medien erlauben es den Menschen, Tiere zu betrachten, die sie sonst nie hätten sehen können. Natürlich kommt ein Foto nicht an das Erleben der Tiere in der Natur oder im Zoo heran, aber es ist ein wichtiger Ausgangspunkt. Ohne Pierres Bilder wüssten wir kaum etwas über seltene Arten und könnten sie auch nicht ansehen.

Sein Projekt hat ein Hauptziel: Bildung, die Grundlage des Artenschutzes. Ein Bild kann die Welt einer kleinen Art verändern, die niemand kennen würde, hätte sie nicht in Pierres Kamera geblickt. Der Schlüssel zum Artenschutz ist es, Menschen zum Denken und Fühlen anzuregen. Beides möchte Pierre mit seinen Bildern erreichen. Mühelos kann man auf seine Website gehen und Arten entdecken, die man noch nie zuvor erblickt hat – ein wahrer Schatz.

Pierre hat die Möglichkeit ein Archiv aufzubauen, das voller Bilder seltener Arten ist und Menschen motiviert, das erlangte Wissen für den Artenschutz einzusetzen. Wir brauchen so etwas, denn seine Arbeit ergänzt die von Zoos, Museen und anderen kulturellen Einrichtungen. Sein Talent und seine Leidenschaft tragen viel zum Schutz der sonst unbekannten Arten bei.

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