Östliches Spitzmaulnashorn im Zoo Leipzig | Foto: Karbohut, Lizenz: CC BY-SA 4.0

VdZ: “Können unsere Tiere nicht in Kurzarbeit schicken”

Exklusiv für zoos.media – 10.01.2021. Autor: Philipp J. Kroiß

Für die VdZ-Zoos wird es eng, wenn der Lockdown so weitergeht und Zoos sowie Aquarien weiter kaum vom Staat unterstützt werden. Es geht um die Zukunft vieler.

VdZ: “Können unsere Tiere nicht in Kurzarbeit schicken”

Das ZDF berichtet: “Der bundesweite Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) drängt angesichts der kritischen Situation in Corona-Zeiten auf staatliche Hilfe.” Allein im Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW), dem Bundesland mit der höchsten Zoodichte, hätten “die Tierparks durch die coronabedingten Schließungen und Besucherbegrenzungen im vergangenen Jahr Millionen an Einnahmen eingebüßt”. Wir haben bereits beispielhaft über die ZOOM Erlebniswelt berichtet:

ZOOM Erlebniswelt Gelsenkirchen: Finanzsorgen wegen Lockdown

“Schließlich können wir unsere Tiere kaum in Kurzarbeit schicken”, erklärte Volker Homes, der Geschäftsführer des VdZ ist. Mit dieser griffigen und pointierten Erklärung weist er auf einen wichtigen Umstand hin: ein Zoo kann seine laufenden Kosten kaum senken, weil die Tiere weiterhin eine hohe Qualität an Pflege benötigen, unabhängig davon, ob nun Besucher kommen oder nicht. Daher geht in Zoos und Aquarien der Großteil der Arbeit unverändert weiter. Dadurch wächst das Finanzloch nur noch mehr.

Massive wirtschaftliche Folgen

Savanne in der ZOOM Erlebniswelt Gelsenkirchen | Foto: zoos.media

“Der Lockdown kostet jede Woche 3,5 bis fünf Milliarden Euro – und das auch nur, wenn die Industrie den Stillstand weitestgehend glimpflich übersteht. Viele kleine Unternehmer kämpfen derweil um ihre Existenz”, erklärte Professor Michael Hüther, Chef des Instituts für Weltwirtschaft (IW) aus Köln, wie der Focus berichtet. Die Zahl der Arbeitslosen stieg im Lauf des Corona-Jahres 2020 um faste eine Halbe Million auf 2.707.000 Menschen. Dazu waren fast zwei Millionen Menschen in Kurzarbeit – mit zunehmender Tendenz im Einzelhandel und Gastgewerbe. “Im gesamten Jahr 2020 sind an den Einzelhandel 91 Millionen Euro Hilfen ausgezahlt worden, gleichzeitig hat der Lockdown einen Umsatzverlust von 36 Milliarden Euro verursacht, davon Fixkosten in Höhe von 18 bis 20 Milliarden Euro”, erläuterte Prof. Hüther.

Ähnliche Tropfen auf den brandheißen Stein gab es bei den Zoos. Die bisherigen Hilfen waren zu gering und sind schnell verpufft. Der Focus findet dazu ein treffendes Bild: “Olaf Scholzens Gießkanne steht also weiter bereit wie ein Erste-Hilfe-Kasten mit Pflaster und Beruhigungspillen.” Sie reicht also bei Weitem nicht aus, um in ernsthaften Situationen hilfreich zu sein. Bund und Länder haben zwar beteuert, bei Hilfen mehr zusammen zu arbeiten, aber das Problem ist, gerade auch im Bereich der zoologischen Einrichtungen, die von Lockdowns enorm stark betroffen sind, dass diese Hilfen nicht fließen. Mit dem zweiten Lockdown wurden die Zoos ohne Fallschirm aus dem Flugzeug in den freien Fall gestoßen und können nur hoffen, dass es bald mal den seit Frühjahr 2020 geforderten Rettungsschirm gibt.

Wie könnten Hilfen aus sehen?

Seehund im Zoo Neuwied | Foto: Lothar Spurzem, Lizenz: CC BY-SA 2.0 DE

Ein Rettungsschirm ist also dringend geboten, wenn man diese und andere Kultureinrichtungen erhalten will. Zoos und Aquarien sind enorm wichtige weiche Standortfaktoren für viele Städte. Daher ist es auch wichtig, dass es langfristige, verlässliche Hilfen gibt, denn natürlich sind Zoologische Gärten auch an den Rest der Wirtschaft gekoppelt, die sich von den Lockdown-Maßnahmen nicht schnell erholen wird. Daher braucht es eine nachhaltige Finanzierung der Zoos und Aquarien, damit sie sich auch von den Maßnahmen der Regierung so erholen können, dass sie gesichert in die Zukunft starten können.

Daneben ist aber auch eine baldige Öffnung notwendig. Es gibt keine hinreichende, wissenschaftliche Evidenz für die Schließung von Zoos und Aquarien zum Zwecke der Eindämmung des Coronavirus, sondern nur Thesen. Zahlen aus dem vergangenen Jahr belegen aber, dass Zoologische Gärten eben gerade nicht zu Hotspots werden. Es gab in ihnen zum Beispiel kein Superspreading-Event als die Zoos und Aquarien in Deutschland, Österreich oder der Schweiz geöffnet waren. Vielmehr scheint die Politik die Schließung der Zoos und Aquarien als Demonstration besonderer Stringenz des Lockdowns zu benutzen, obgleich die wissenschaftliche Evidenz dafür fehlt, sondern Evaluationen eine deutlich andere Sprache sprechen:

  • Chaudhry et al. (2020): “[G]overnment actions such as border closures, full lockdowns, and a high rate of COVID-19 testing were not associated with statistically significant reductions in the number of critical cases or overall mortality”. [Deutsch: Maßnahmen der Regierung wie Grenzschließungen, vollständige Lockdowns und eine hohe Rate an COVID-19-Tests waren nicht mit einer statistisch signifikanten Verringerung der Anzahl kritischer Fälle oder der Gesamtmortalität verbunden.]
  • Loewenthal et al. (2020): “We would have expected to see fewer Covid-19 fatalities in countries with a tighter lockdown, but the data reveals that this is not the case”. [Deutsch: Wir hätten erwartet, dass in Ländern mit härteren Lockdowns weniger Covid-19-Todesfälle zu verzeichnen sind, aber die Daten zeigen, dass dies nicht der Fall ist.]
  • De Larochelambert et al. (2020): “Stringency of the measures settled to fight pandemia, including lockdown, did not appear to be linked with death rate”. [Deutsch: Die Strenge der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie, einschließlich Lockdowns, schien nicht mit der Sterblichkeitsrate zu korellieren.]

Erst jüngst blamierte sich der Verein “Leopoldina”, der zu 80% durch den Bund und zu 20% durch das Land Sachsen-Anhalt finanziert wird, sowie sich als “Akademie der Wissenschaften” bezeichnet, mit dem Beispiel Irland für eine funktionierende, strickte Lockdown-Politik, dem Deutschland folgen sollte. Allerdings schießt dort seit Mitte Dezember die Zahl der positiv Getesteten massiv in der Höhe. Sie lag am 9. Januar bei über 1.200 pro Million Einwohner mit steigender Tendenz. In Deutschland lag sie am gleichen Tag bei etwas über 250, auch mit steigender Tendenz. Diese Zahlen sind keine Überraschung, da der Weg des Lockdowns, den Irland geht, eben gerade nicht dazu geeignet ist, die Zahlen gering zu halten, was die drei weiter oben erwähnten Studien hinreichend zeigen.

Unsichere Zukunft

Ein Selfie? Klammeraffe im Grünen Zoo Wuppertal | Foto: zoos.media

Das Problem ist auch, dass die Lage der bedrohten Arten im Lockdown ja nicht automatisch besser wird – vielmehr verschlimmert der Lockdown die Lage bedrohter Arten vielerorts noch. Das bedeutet, dass die Artenschutz-Leistung der Zoos und Aquarien aktuell und zukünftig noch viel mehr gebraucht wird. Der Schaden, der für den Artenschutz durch die Lockdown-Politik angerichtet wird, ist immens. Im Focus-Artikel, setzt Hüther die Hoffnung auf die Impfung. “Sind die Risikogruppen geimpft, dann gibt es keine Rechtfertigung mehr für einen flächendeckenden Lockdown”, erläutert er seine Meinung, die tatsächlich von vielen geteilt wird.

Das Problem an der Argumentation ist, dass formaljuristisch die Lockdown-Politik an die 7-Tage-Inzidenz gekoppelt ist. Schaut man nun auf den Impfstoff von BioNTech und Pfizer, dessen Wirksamkeit an rund 40.000 Menschen getestet wurde, dann war es so, dass in der geimpften Gruppe von rund 20.000 Menschen 0,39% weniger positiv auf das Coronavirus getestet worden sind als in den Kontrollgruppe aus rund 20.000 Menschen, in der 0,43% infiziert waren. Nur das Problem an der Studie ist die andere Testpraxis: Es wurde nämlich nur bei Menschen mit Symptomen auf das Coronavirus getestet, wie der Mediziner Dr. Christoph Specht im Interview mit RTL erklärt. Das ist fundamental anders als aktuell in den meisten Ländern getestet wird, weil zum Beispiel in Deutschland ja auch Menschen ohne Symptome getestet werden. Inwiefern die Impfung also bei gleichbleibender Teststrategie die Inzidenzwerte tatsächlich verändern kann, ist unklar.

Zoos & Aquarien wichtig für die Zukunft der Natur

Przewalski-Pferde im Zoo Köln: Modernen Zoos auf der ganzen Welt ist es zu verdanken, dass diese Art überlebt hat. | Foto: zoos.media

Diese Unsicherheit können sich Zoologische Institutionen aber nur noch ein paar Wochen leisten – viele haben bereits veröffentlicht, dass Ende Februar sprichwörtlich Schicht im Schacht wäre, wenn sich nichts ändert. Zwar sind aktuell die meisten Infektionen und Toten in der Risikogruppe zu finden, die nun zuerst geimpft werden, inwiefern das aber positive Tests verhindert, bleibt unklar. Im allerbesten Fall beeinflusst die Impfung die Zahlen erstmal in sehr geringem Umfang. Realistisch gesprochen weiß aber niemand, ob die Impfung bei der aktuellen Testpraxis die Zahlen überhaupt jemals beeinflussen kann, weil sich Testpraxis in Studie und Realität so massiv unterscheiden. Daher ist jetzt eine Soforthilfe für Zoos und Aquarien unumgänglich, denn auf die Impfung kann in der aktuellen wirtschaftlichen Lage niemand setzen, denn selbst im günstigsten Fall ist die Zeit zu kurz.

Sollten auch nur einige Zoologische Institutionen die Krise nicht überleben, gefährdet das ganz aktiv das Überleben von Arten und den Schutz ihrer Lebensräume. Man kann mit Ökosystemen aber nicht weiter Jenga spielen, denn irgendwann fällt der Turm zusammen, wenn immer mehr Bausteine ersatzlos aus ihm entfernt werden. Das Sterben von Ökosystemen und ihren Bewohnern beeinflusst die Natur sowie das Klima aber auch insgesamt. In Zeiten von bestimmten Zielsetzungen im Bereich des Klimaschutzes und des Naturschutzes kann man sich schlicht nicht erlauben, die Zoos und Aquarien am langen Arm verhungern zu lassen.

“Wenn unsere Zoos jetzt unverschuldet in finanzielle Engpässe geraten, würden wir es natürlich begrüßen, wenn der Staat Verantwortung übernehmen und passende Hilfsprogramme auflegen würde”, sagte VdZ-Geschäftsführer Volker Homes der dpa, wie RTL berichtete. “Diese Hilfe wäre gelebter Tierschutz.” Für Millionen Menschen und Tiere könnte es einen großen Unterschied machen, ob der Staat nun Verantwortung übernimmt oder nicht.

Diesen Beitrag teilen