Exklusiv für zoos.media – 17.03.2025. Autor: Philipp J. Kroiß
Für Merkblätter zu Katzen bekam QUEN einen Auftrag von der Landestierschutzbeauftragten NRW. Dieser Artikel schaut auf den bemerkenswerten Hintergrund dieser Auftragsvergabe.

Warum wird QUEN vom MLV NRW gefördert?
Auf der Webseite des selbsternannten Qualzucht-Evidenz Netzwerks (QUEN) findet man auch eine Förderung durch das Land Nordrhein-Westfalen. Genauer gesagt fördert hier, laut QUEN, das Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MLV NRW). Fragt man beim Ministerium nach, handelt es sich dabei um einen Auftrag der Landestierschutzbeauftragten Dr. Gerlinde von Dehn.
„Die Tierschutzbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen, welche als Sonderfunktion organisatorisch an das Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW angegliedert ist, fördert ein Einzelprojekt des Qualzucht-Evidenz Netzwerks. Inhalt des Projektes ist die Erarbeitung und Veröffentlichung von Merkblättern zu zuchtbedingten Defektmerkmalen und genetisch fixierten Erkrankungen sowie Dispositionen bei Katzen.“ – Büro der Ministerin Silke Gorißen (CDU)
Die Landestierschutzbeauftragte in NRW

QUEN selbst wurde von einer inzwischen pensionierten Amtstierärztin, die sich insbesondere für die Erna-Graff-Stiftung, einer der Tierrechtsindustrie nahestehenden Organisation, engagiert und auch mal Landestierschutzbeauftragte in Berlin war, gegründet. Auf der Liste der Gesellschafter von QUEN findet sich auch Dr. Christoph Maisack, der wiederum erster Vorsitzender der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht (DJGT) ist. Die auch zum Beispiel mit PETA verbundene DJGT ist auf der Seite für so genannte „Freunde und Förderer“ von QUEN aufgeführt.
Die NRW-Tierschutzbeauftragte Dr. Gerlinde von Dehn ist, laut ihres Lebenslaufs auf der Webseite des MLV, „Mitglied“ der DJGT. Zudem ist sie auch noch Mitglied der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e. V. (TVT). Auch diese Organisation, die teilweise Ansichten von Tierrechtlern vertritt, findet sich auf der Seite der Freunde und Förderer von QUEN. Haben diese „Freundschaften“ bei der Aufgabenerteilung eine Rolle gespielt? Das wird noch zu klären sein.
Die inzwischen freigestellte Landestierschutzbeauftragte von Berlin findet sich übrigens auch auf derselben Seite der Freunde und Förderer von QUEN. (Genau wie die LAG Tierrechte Berlin der Partei Die Linke und die BAG Tierschutzpolitik von Bündnis 90/Die Grünen.) Die Landestierschutzbeauftragte von Nordrhein-Westfalen taucht in dieser Liste allerdings – zumindest mit ihrem eigenen Siegel – nicht auf. Das vom MLV findet man aber schon.
Merkblätter von fragwürdiger Wertigkeit

Bereits in einer vorherigen Recherche hatten wir die doch wohl dürftige Qualität solcher – wohl nun auch von NRW in Auftrag gegebenen – Merkblätter dargestellt. Die fortgesetzte Veröffentlichung dieser Recherche in seiner aktuellen Form hatte QUEN vergeblich versucht zu verhindern. Das unterstreicht die Brisanz der Ergebnisse.
So las man in einem Merkblatt zu Widderkaninchen: „An dieser Stelle wird nur eine Auswahl an Quellen zu den oben beschriebenen Defekten und ggf. allgemeine Literatur zu zuchtbedingten Defekten bei Katzen [sic!] angegeben.“ Eine kritische Prüfung des Materials ist somit gar nicht möglich.
Dazu ist die Verwertbarkeit fraglich. So muss QUEN auf dem Merkblatt zum Beispiel zugeben: „Da Zucht und Ausstellungswesen heutzutage international sind, beziehen sich die Angaben in der Regel nicht nur auf Prävalenzen von Defekten oder Merkmalen in einzelnen Verbänden, Vereinen oder Ländern.“ Der Disclaimer drückt letztendlich euphemistisch aus: „Was wir hier schreiben, kann also möglicherweise auf eine betrachtete Population zutreffen oder halt nicht.“ Letztendlich hat man nämlich Quellen – so könnte man pointiert sagen – „gecherrypickt“, konkrete Bezüge auf Populationen gab man quasi nicht.
Falsche Aussagen zu Widdern & Hunden

Zu den Widdern kann man so zum Beispiel lesen, dass diese häufig unter Ohrenentzündung leiden würden. Wie die Deutsche Gruppe der World Rabbit Association (WRSA) allerdings angibt, zeigt eine aktuelle Studie an Widderkaninchen aus der Rassekaninchenzucht „keine signifikanten Auffälligkeiten bei Ohren, Augen und Zähnen der Tiere„. Die Veröffentlichung selbst kann man hier nachlesen. Der Zentralverband Deutsche Rassekaninchen-Züchter e. V. (ZDRK) bezieht sich ebenfalls auf diese Studie.
Der seit einem halben Jahrhundert an der renommierten Fakultät für Veterinärmedizin und Tierhaltung der Universität Mexiko (Universidad Nacional Autónoma de México facultad de Medicina Veterinaria y Zootecnia) tätige Prof. Dr. José Luis Payró Dueñas steht mit unserem Beiratsmitglied Dr. K. Alexandra Dörnath in engem fachlichem Austausch zu den oft umgangssprachlich als „Nackthunde“ bezeichneten Hunden mit haararmer Haut. Diese Kulturrassen existieren seit Jahrtausenden. Überdies steht Dörnath in direktem fachlichem Austausch mit dem Tierarzt Dr. Ricardo Forastieri vom Nationalen Institut für Anthropologie und Geschichte. Auch hat sie sich mit dem weltweit führenden Hunde-Immunologen, Prof. Dr. Ian Tizard, von der Texas A&M Universität hierzu kurz geschlossen.
Auch zu diesem Thema liegt QUEN, laut dieser international renommierten Experten, falsch. Dabei geht es um das Merkblatt „Hund Fehlendes Haarkleid“. Interessant ist bei diesem Merkblatt ohnehin, dass sich unter den Quellen, die QUEN für dieses Merkblatt verwendet, die Arbeit von Osorio & Galvez (2015) befindet. Diese mahnt ausdrücklich den Erhalt der Perro sin pelo del Perú beziehungsweise Viringo an: „Weil es ein Hund ist, der schon lange vor der Ankunft der Spanier in Peru, in unserer Umgebung, existiert.“ Die Rasse der Hunde mit haararmer Haut wird in der Arbeit als lebendiger kultureller Schatz verstanden, den es zu bewahren und nicht – etwa durch Verbot – zu zerstören gilt.
Verheimlicht das MLV NRW die Förderung?
Von einer Förderung durch das CDU-geführte Ministerium erfuhr man auf der Webseite des Ministeriums, als zoos.media eine entsprechende Anfrage stellte, nichts. Laut Ministerium hat das auch einen Grund: „Da das Projekt noch nicht abgeschlossen ist, finden Sie aktuell noch keine Informationen dazu auf der Themenseite der Landestierschutzbeauftragten. Sobald die Projektergebnisse (zwischen-)präsentiert wurden, findet eine Evaluation statt. Anschließend ist geplant, die Merkblätter zu veröffentlichen.“
Zum Zeitpunkt dieser Antwort waren vom Land NRW geförderten Merkblätter auf der QUEN-Seite schon veröffentlicht. Hier und hier waren solcherlei Merkblätter zu finden. Daher scheint auch die in Aussicht gestellte Evaluation fraglich. Aus diesem Grund hat zoos.media beim Ministerium diesbezüglich nachgefragt. Dies könnte sich an dieser Stelle etwas vorgeführt vorkommen, denn von der Veröffentlichung scheint es nichts gewusst zu haben. Wir werden über die Antworten des Ministeriums dazu noch berichten.
Perserkatze auf der Abschussliste

„Umfangreichere Literaturlisten zum wissenschaftlichen Hintergrund werden auf Anfrage von Veterinärämtern ausschließlich an diese versendet“, heißt es zum Beispiel auf dem Merkblatt zur „Katze Rasse Perser“, das aktuell nicht mehr auffindbar, aber oben im Text archivisch als Beleg verlinkt ist. Ein Ausstellungs- und Zuchtverbot sieht QUEN für Perserkatzen als „notwendig erscheinende Anordnungen“. Zur Umsetzung soll zum Beispiel die Kastration von Tieren angeordnet werden. Das sei möglich.
Man fordert also massive Eingriffe in das Leben von Tieren, ohne die ganze angebliche Evidenz zu solchen Anordnungen öffentlich nachvollziehbar und vor allem nachprüfbar zu machen. Ein Versteckspiel mit Belegen ist dann auch besonders fragwürdig, wenn es sich um mit öffentlichen Geldern geförderte Erzeugnisse handelt. Wenn jeder dafür bezahlen muss, sollte auch jeder alles davon sehen können.
Zudem wirkt nicht schlüssig, warum ein von NRW in Auftrag gegebenes Merkblatt das Bundesland nicht erwähnt, sondern sich auf Deutschland insgesamt sowie auch Österreich, die Schweiz und die Niederlande bezieht. In NRW gibt es nicht genug Investitionen in Schulen vor Ort, aber für Perserkatzen in der Schweiz und deren vorgebliche „Bewertung“ scheint genug Geld vorhanden zu sein. Das sind schon besondere Prioritäten des Ausgebens von Geld der Steuerzahler. Es erinnert vielleicht den ein oder anderes an die vom deutschen Steuerzahler gesponsorten Radwege in Peru.
Wie verwertbar sind solche Merkblätter überhaupt?

Unser Beiratsmitglied Dr. K. Alexandra Dörnath ist nicht nur erfolgreiche Buchautorin, Kolumnistin und international renommierte, praktizierende Tierärztin, der unzählige Hunde und Katzen, aber auch Schildkröten, Elefanten, Affen und viele andere Tiere ihr Leben verdanken, sondern sie ist im Tier- und Artenschutz aktiv und, wie oben bereits angeklungen, auch gutachterlich mit besonderem Hinblick auf verschiedene – besonders exotische – Haustierrassen und Wildtiere tätig. Sie berät zudem Politiker und Behördenvertreter zu Fragen von Tier- und Artenschutz sowie Gefahrtieren, nimmt Tierschutz-Sachkundeprüfungen von Tierhaltern ab, hat eine eigene TV-Serie und unterrichtet Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr.
Gegenwärtig arbeitet sie an einem Buch zu den Hunden mit haararmer Haut auf Basis ihrer ausgiebigen Expertise zum Thema. Daher hat zoos.media sie gefragt: Was bringt ein solches Merkblatt wirklich? „Merkblätter kann wohl jeder erstellen“, so Dr. Dörnath. „Was soll ein Merkblatt denn überhaupt sein? Eine Broschüre, ein Prospekt oder etwa ein Flugblatt?“ Es sei grundsätzlich ein Unterschied, ob ein Text von einer unabhängigen Universität oder von einer privatwirtschaftlichen Organisation, die so genannte „Freunde u. Förderer“ habe, erstellt würde. Sicherlich publiziere ein Wissenschaftler keine lose Merkblatt-Sammlung, sondern wohl eher ein Paper, eine Fachpublikation, oder sonstige wissenschaftliche Veröffentlichung mit Fakten oder ein Fachbuch – und zwar ohne Meinung.
Tierqual oder nicht: Das ist keine Meinungsfrage

„Animal welfare is science and not an opinion“, zitiert die Tierschutz-Expertin aus ihrem internationalen Erfahrungsschatz. „Überdies frage ich mich, wie seriös ‚Merkblätter‘ einer Organisation sein können, die ‚Freunde und Förderer‘ mit Verbindungen in die Tierrechtsindustrie hat“, fährt Dörnath fort. Eine solche undurchsichtige Struktur klinge doch wohl eher nach Mauschelei als nach seriösem Fact-Finding, findet die Tierärztin.
„Leider ist es in dieser Szene, dass hier einer vom anderen abschreibt und sich auf vollkommen veraltete, also obsolete, Primärquellen bezogen wird, die fälschlicherweise im ‚Gutachten zur Auslegung von Paragraf 11b des Tierschutzgesetzes (Verbot von Qualzüchtungen)‘ genannt sind“, erklärt Dr. Dörnath. „Meiner Meinung nach unreflektiert macht sich nicht nur die TVT, sondern auch QUEN diese zu eigen.“
Dörnaths Meinung nach sollten Gerichte, Behörden und Politiker eher auf wissenschaftlich fundierte, seriöse Gutachten von unabhängigen Hochschulen und glaubwürdige Experten setzen, statt auf eine fragwürdige, lose Merkblatt-Sammlung. „Ich befürchte, hier wird ganz viel Steuergeld ausgegeben, das anderweitig besser genutzt werden kann“, erklärte die Tierärztin.
Merkblätter sind für den Steuerzahler nicht billig

Im rot-grün regierten Niedersachsen wurde QUEN im Jahre 2024 mit 55.000€ dafür gefördert, 10 Merkblätter für beliebte Hunderassen zu erstellen, die wohl nicht zufällig unter den populistischen Vorwurf der „Qualzucht“ gestellt wurden. Überdies wurde auch der Tierschutzpreis des Landes, dotiert mit 15.000€, im selben Jahr an QUEN vergeben.
Ein paar Merkblätter mit zehntausenden Euros zu bezahlen, lässt sich aber vermutlich einfacher aushandeln, wenn der Auftraggeber Mitglied einer Organisation ist, die der beauftragten Organisation offenbar „freundschaftlich“ verbunden ist. Wenn es, wie in NRW, dann sogar gleich zwei „Freunde“ und „Förderer“ – DJGT und TVT – sind, wird es vermutlich noch leichter sein. So etwas aber vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen, dürfte dann allerdings nicht so einfach sein.
Als Krankenschwester verdient man in Deutschland brutto durchschnittlich 44.658€ im Jahr. Eine Krankenschwester hilft im so entlohnten Jahr, das Leben zahlreicher Menschen zu verbessern, wenn nicht sogar ihnen das Leben zu retten. Dafür gibt es am Ende des Jahres als Lohn vor Steuer dann weniger als das, was der hart arbeitende Steuerzahler für 10 fragwürdige Merkblätter bezahlen muss – ob er dies will, oder nicht. Man merkt, auch auf dieser Ebene scheint der Staat jedes Maß verloren zu haben.