Die Victoriafälle am 17. November 2011 | Foto: diego_cue, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Was ist mit den Victoriafällen los?

Exklusiv für zoos.media – 08.12.2019. Autor: Philipp J. Kroiß

Viele sorgen sich aktuell um die Victoriafälle, weil sie denken, dass sie bald austrocknen würden. Tatsächlich sieht es danach aber eben gerade nicht aus.

Was ist mit den Victoriafällen los?

Medien international überschlagen sich: die Victoriafälle trocknen aus! Die BBC etwa hat berichtet und auch der Spiegel hat schon Schock-Nachrichten geteilt. Für diese Nachricht hat man sich auch natürlich ein großes Symbol der Afrikanischen Natur ausgesucht. Diese mächtigen, wunderschönen Wasserfälle gehören zu Simbabwe und ganz Afrika wie der Eiffelturm zu Frankreich und ganz Europa. Jeder kennt die Bilder dieser Wassermassen, die in freiem Fall die Tiefe krachen – ein großartiges Naturschauspiel. Wenn das enden sollte, ist es ein erschreckendes Symbol. Die Medien beherrschen hier ein Spiel mit der Angst vor dem Verlust eines der schönsten Naturschauspiele der Welt.

Aber ist das wirklich so? Laufen wir Gefahr, die Victoriafälle für immer zu verlieren? Bei den Bildern, die man sieht und den Artikeln, die man liest, scheint es ja echt haarscharf vor der Katastrophe zu sein, denn mit den Victoriafällen, die man von den Postkarten und aus den Dokus kennt, haben diese kläglichen Rinnsale nichts gemein. Was ist da los? Skeptisch kann man werden, wenn man sich fragt, ob man je Fotos von den Victoriafällen um diese Zeit gesehen hat. Unser Titelfoto zum Beispiel ist ein zugeschnittenes Foto vom 17. November 2011. Moment, 2011? Ja, hier kann man das Originalfoto sehen. Man sieht auch, es wurde, aufgrund der Farbgebung, von uns absichtlich so bearbeitet, dass es perfekt in die Berichterstattung aus diesem Jahr passt. Daran sieht man wie manipulativ Bilder sein können.

Stehen wir vor einer Katastrophe?

Vielleicht kann man jetzt einen Einzelfall vermuten. Hier ein, bis auf die geringfügige Beschneidung und Skalierung auf das Format für unsere Webseite, völlig unbearbeitetes Foto vom 17. November 2007 – das Original gibt es hier.

Viktoriafälle am 17. November 2007 | Foto: Jorge Láscar, Lizenz: CC BY 2.0

Auch hier findet man ganz “kahle” Stellen und Bildausschnitte, in denen es nach Austrocknung aussieht. Was haben diese Fotos in unserem Artikel und in der aktuellen Berichterstattung gemeinsam? Sie zeigen die Victoriafälle in der Trockensaison, die es in jedem Jahr gibt. Immer um diese Zeit wird aus dem mächtigen Wasserfall, den wir von Postkarten und aus Naturdokumentationen kennen, eine klägliche Ansammlung von Rinnsalen. Das weiß halt in Europa und in Amerika nur kaum jemand, weil die Leute zu dieser Zeit nicht dahin reisen – klar, welcher Tourist will auch schon dieses wenig spektakuläre Bild sehen, dass die Victoriafälle in den Augen vieler nun bieten? Leider kaum jemand, obwohl es für manche schon eine eigene und besondere Schönheit hat.

Die meisten kennen nur solche Fotos:

Victoriafälle am 26. Juli 2018 | Foto: Doc James, Lizenz: CC BY-SA 4.0

#victoriafallsisnotdry

Wenn man sich nun doch zu den Victoriafällen in der Vorweihnachtszeit verirrt, bietet sich einem dieses Schauspiel:


Das Video ist kein Einzelfall:


Wer Lust hat, kann unter dem Hashtag auf Twitter noch mehr finden. Es ist auch nicht so, dass darüber nicht informiert würde:


Aktuell spielt die Medienlandschaft leider damit, dass viele Leute nur die Postkarten-Fotos oder Beauty-Shots kennen, die eben, aus nachvollziehbaren Gründen, nicht in der Trockenzeit gemacht werden. Für viele sind die Victoriafälle “diese großen Wasserfälle da unten irgendwo in Afrika” und sie kennen nicht die unterschiedlichen und faszinierenden Gesichter des beeindruckenden Naturschauspiels. Der Metereologe Jörg Kachelmann bringt es mit seinem Tweet deutlich auf den Punkt:


Wie hat die BBC denn gedreht?

Aber wie hat denn die BBC zum Beispiel ihre beeindruckenden Bilder hinbekommen? Darüber klärt die führende Tageszeitung von Simbabwe auf:


Für das Land, das auch maßgeblich vom Tourismus lebt und ihn braucht, sind solche Fake News nämlich nicht so leicht zu verkraften. Was wäre, wenn in den Medien stehen würde, dass der Eiffelturm an zu rosten fängt und bald zusammenfällt? Nun, dann fährt da eben auch keiner mehr hin. Ein hoher Preis für ein bisschen Klimahysterie, der aber für manche Redaktionen nicht zu hoch zu sein scheint. Es scheint egal, wenn der Tourismus den Bach runter geht, weil der ja ohnehin angeblich ausgetrocknet ist. Das ist eine gefährliche Ideologie von Redaktionen in Deutschland, Großbritannien und auch in anderen Ländern weltweit.

Fake News schaden dem Anliegen

Die Gier mancher Medien und NGOs nach Skandalen und Sensationen trampelt auf dem eigentlichen Anliegen nicht nur herum, sondern tritt es auch mit Füßen. So passt es ins Bild, dass der Spiegel einen örtlichen Kunsthandwerker als “Experten” befragt und eben keinen Fachmann. Das erinnert an Relotius’ beste Zeiten, der den Untergang von Südseeinseln herbei fantasierte. Währenddessen beteiligt sich, wie oben bereits zitiert, der Permanente Sekretär von Simbabwe für Information, Publicity & Broadcasting Services, Nick Mangwana, an der Gegenkampagne zu den Fake News. Reiseveranstalter vor Ort unterstützen die Gegenkampgne wie etwa Africa Conservation Travel hier. Aber die Kunsthandwerker und ein nebulöses Zitat der Behörden, dessen Quelle nicht genannt oder verlinkt wird, reichen dem Spiegel, um das genaue Gegenteil von dem zu berichten, was Leute vor Ort erklären.

Es beschränkt sich ja aber nicht nur auf den Spiegel und einem offensichtlich schlecht recherchierten Artikel. Die Berichterstattung der BBC ist hier sicher schon besonders dreist, aber es zieht sich ja durch die gesamte Medienlandschaft. Dass nun so eine Gegenkampagne der Menschen aus Simbabwe überhaupt nötig wird, ist eigentlich mehr als traurig. Allerdings gab es vergleichbare Fake News schon 2015, wie dieses Video hier nahe legt:

Nun ist es wohl wieder nötig, dass die Leute vor Ort sich gegen Fake News wehren müssen, die ihre Existenz bedrohen:

Letztendlich schaden solche Fake News dem Naturschutz enorm, denn wie oft soll man solche Katastrophen-Szenarien noch durchkauen? Es gab dieses Jahr eben eine sehr außergewöhnliche Dürre in Simbabwe. Das nun für solche Fake News auszunutzen und solche Schreckgespenster herauf zu beschwören, stumpft die Öffentlichkeit eher ab als irgendetwas Positives zu erreichen.

“The majestic Victoria Falls is the biggest waterfall and remains our biggest draw card as you can see it’s as amazing as ever as the amount of water falling through is actually amazing. One thing people need to know about this natural waterfall is that it’s also seasonal like any other river and right now we have got improving water levels. We encourage anyone who would love to see the Victoria Falls to visit the attraction more than once and in different seasons.” – Givemore Chidzidzi, Geschäftsführer der Tourismusbehörde von Simbabwe (ZTA)
[Deutsche Übersetzung: Die majestätischen Victoriafälle sind der größte Wasserfall und nach wie vor unser größter Anziehungspunkt. Sie sehen, dass sie so beeindruckend sind wie nie zuvor. Eine Sache, die die Leute über diesen natürlichen Wasserfall wissen müssen, ist, dass er, wie jeder andere Fluss, auch saisonal ist und dass wir gerade einen sich verbessernden Wasserstand haben. Wir empfehlen jedem, der die Victoriafälle gerne sehen würde, die Attraktion mehr als einmal und zu verschiedenen Jahreszeiten zu besuchen.]

“It’s normal to have low water this time of the year but the Falls will never dry in our lifetime.” – Blessing Munyenyiwa, Vorstandsmitglied der ZTA
[Deutsche Übersetzung: Es ist normal, zu dieser Jahreszeit wenig Wasser zu haben, aber die Wasserfälle werden zu unseren Lebzeiten niemals austrocknen.]

“It’s known that during this time of the year the water level is low. We are happy that it’s been raining upstream and hope in the next few days things will be different.” – Ronnie Dube, Town Clerk von Victoria Falls
[Deutsche Übersertzung: Es ist bekannt, dass zu dieser Jahreszeit der Wasserstand niedrig ist. Wir sind froh, dass es stromaufwärts geregnet hat und hoffen, dass es in den nächsten Tagen anders aussehen wird.]

Die Katastrophe scheint also abgesagt, was bei aktuell über 17 Milliarden Litern, die die Victoriafälle jeden Tag herunterstürzen, auch nachvollziehbar ist. Man wird sehen wie sich die Medien verhalten. Vielleicht wartet man ja erneut ein paar Jahre bis man das Apokalypse-Szenario wieder herauf beschwört. Das Problem ist, dass solche Fake News letztendlich den Klimawandel-Leugnern in die Hände spielen und ihnen Werkzeuge in die Hand gibt, dem Naturschutz zu schaden. Diesen Naturschutz aber brauchen wir dringend und deshalb kümmern sich moderne Zoos und Aquarien bereits seit Jahrzehnten um den Schutz der Natur und wirken so aktiv dem Klimawandel entgegen:

Alarmisten und Leugner sind zwei Seiten der selben populistischen Medaille und wenn wir dem Naturschutz gerecht werden wollen, liegt die Antwort nicht einfach in der Mitte, sondern in sauberer Differenzierung. Man muss auf die echten Probleme in der Natur schauen und die sind eigentlich schlimm genug, dass man nicht andauernd welche dazu dichten muss. Es ist bekannt, dass während der Trockenzeit “nur” noch 170.000 Liter pro Sekunde die Fälle hinter fallen. Das sind 1,02 Millionen Liter in der Minute, 61,2 Millionen Liter in der Stunde und somit 1,5 Milliarden Liter am Tag. Auch das ist eben noch weit entfernt vom Austrocknen, sondern ziemlich normal. Nichtsdestotrotz brauchen Fauna und Flora in Afrika Hilfe, um die sechste große Aussterbewelle der Arten zu überleben – hierbei helfen moderne Zoos und Aquarien aktiv.

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